„Mir ist es gelungen, am Montag gegen 23 Uhr in Rettersbach den neu aufgestellten Maibaum abzusägen“ – mit diesen Worten beginnt Pater Josef Aszyk aus dem Kloster Mariabuchen bei Lohr (Lkr. Main-Spessart) am Mittwoch eine Mail an die Redaktion. Als er erfährt, dass es vermutlich eine Sachbeschädigung ist, einen Maibaum umzusägen, ist er überrascht. Die Rettersbacher haben sich nun eine besondere Bußübung für den Pater ausgedacht.
„Heute möchte ich vor Ihnen die Beichte ablegen“, habe Pater Josef am Dienstag im Gottesdienst in Mariabuchen gesagt. Dann erzählte der 39-Jährige, dass er tags zuvor den Maibaum umgesägt hatte. Die meist älteren Gottesdienstbesucher seien erstaunt gewesen, sagt er, und hätten erst gemeint, er mache einen Scherz.
Ein lustiger Brauch?
Wie so oft bei unsinnigen Ideen entstand auch diese am Stammtisch. Am Montag saß dieser nach der ewigen Andacht wieder im Kloster zusammen. Ihm habe man zuvor gesagt, das Umsägen eines Maibaums sei in der Nacht zum 1. Mai ein lustiger Brauch und nicht strafbar, sagt der polnische Pater, der seit sechs Jahren in Mariabuchen ist. „Jeder, dem ich davon erzählt habe, hat gelacht.“
Rettersbach hat etwa 35 Einwohner, gehört zum Karlstadter Ortsteil Wiesenfeld und liegt etwas abgelegen zwischen Karlstadt und Lohr. Der Rettersbacher Paul Kohlhepp erzählt, dass eine Gruppe von etwa 15 Leuten zwischen 25 und 60 Jahren die etwa neun Meter hohe Birke aufgestellt habe. Als der irgendwann nachts dalag, habe man ihn eben wieder aufgestellt. Kaputt gegangen sei nichts.
Mit der Handsäge ans Werk gegangen
Pater Josef war beim Umsägen planvoll vorgegangen: Zunächst schritt er zu Fuß den steilen, unbefestigten Weg nach Rettersbach hinauf, um zu schauen, ob der Baum bewacht wird. Weil am Ortseingang eine Feier war, nahm er das Auto und kam von der anderen Seite. Mit einer Handsäge machte er sich ans Werk. „Mit einer Motorsäge wäre es sofort aufgefallen.“ Keine Stunde später sei er wiedergekommen, um zu sehen, ob die Tat bemerkt worden sei. Die Insassen eines herumfahrenden Autos hätten ihn ziehen lassen, als sie ihn erkannten.
„Dass ein Kapuziner unseren Baum umsägt, so weit waren wir noch nicht“, sagt Paul Kohlhepp. Ihnen sei früher, vor 15, 20 Jahren vielleicht, etwa alle zwei Jahre der Maibaum umgesägt worden, erzählt er. Seitdem sei Ruhe gewesen. Zumal die Bäume bis vor zwei Jahren mit Metallbändern geschützt wurden. Sie hätten nie herausbekommen, wer damals der Täter war. Es sei auch der Witz, dass es niemand erfährt. „Das wusste ich nicht“, sagt der Pater, der seine Tat stolz herumerzählte.
50-Liter-Fass Kreuzbergbier zur Buße
Kohlhepp und die anderen Rettersbacher nehmen die Sache mit Humor. Am Mittwochabend kam der „Dorfrat“ zusammen, um über die Buße für den Pater zu entscheiden. Ein Kasten Bier, wie von diesem vorgeschlagen, sei ihnen zu wenig gewesen. Sie einigten sich auf ein 50-Liter-Fass Kreuzbergbier – vom Pater auf der Schulter bergan nach Rettersbach zu bringen.
„Ich finde das in Ordnung“, sagt der 65 Kilo wiegende Pater Josef. Allerdings sei das ganze Fass dann fast so schwer wie er – eine schwere Aufgabe, auch wenn er durch Baden im eiskalten Buchenbach gestählt ist. Er ist dennoch zuversichtlich, dass er es irgendwie nach oben bringt. „Unterwegs bleibt das Fässle bestimmt nicht liegen“, sagt der Rettersbacher Kohlhepp dazu. Dort will der Pater dann mit den Rettersbachern feiern und, obwohl er normalerweise nicht viel trinke, auch ein Glas mittrinken.
Gemeinschädliche Sachbeschädigung?
Aber wie ist das mit der Strafbarkeit? Bertram Gschell von der Polizei Karlstadt sagt zum Umsägen von Maibäumen: „Für uns ist das eine Sachbeschädigung.“ Dabei liegt seiner Einschätzung nach sogar eine „gemeinschädliche“ Sachbeschädigung vor, weil hier gemäß Paragraf 304 des Strafgesetzbuchs ein Gegenstand, der „zum öffentlichen Nutzen oder zur Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen“ dient, beschädigt wurde. Eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe blühen einem Täter dafür.
Muss der Pater also mit einer weiteren empfindlichen Strafe rechnen? Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen sagt zu dem Fall: „Wenn es eine Sachbeschädigung ist, orientiert sich die Ahndung am Schaden und am strafrechtlichen Vorleben.“ Allerdings ist die Frage, wie hoch der Schaden hier überhaupt ist, wenn der Baum letztlich nur um einen guten Meter gekürzt wurde.
Kein Interesse der Geschädigten an Strafverfolgung
Er könne aus dem Stegreif gar nicht sagen, ob das Umsägen eines Maibaums von seiner Behörde überhaupt verfolgt werde oder ob es nicht unter Brauchtum falle, sagt der Oberstaatsanwalt. Wenn die Geschädigten kein Interesse an einer Strafverfolgung zeigten, wäre das aus Sicht Raufeisens schon ein Fingerzeig.
Für die Rettersbacher jedenfalls ist die Angelegenheit mit dem Fass Bier – zu liefern Ende Mai – erledigt.