Kirchweih, Totensonntag oder Advent. Der Sommerhäuser Jahreslauf muss ohne Gesang auskommen. Einer der ältesten Chöre überhaupt und im Fränkischen Sängerbund der älteste der Sängergruppe Ochsenfurt ist nach 177 Jahren verstummt.
Als sich partout kein neuer Vereinsvorsitzender finden wollte, nachdem Gerhard Oehler aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden war, wurde das Ende dieses traditionsreichen Gesangvereins eingeläutet. Außerdem: gerade einmal ein Dutzend Sängerinnen und Sänger waren zuletzt zu den Chorproben erschienen. "Die Sänger waren so wenige geworden, dass ein Weitermachen unmöglich war", begründet stellvertretende Vorsitzende Inge Eilers das eigentliche Problem. Ähnlich schwierig war es bereits in den 1970-er Jahren gewesen. Damals lag die Lösung in der Wandlung zu einem gemischten Chor. Die Liedertafel war nämlich ursprünglich als Männergesangverein gestartet. Als 1977 Frauen dazu kamen, die "Neigschmeckte Eilers" beispielsweise, hatte der Chor mit 52 Stimmen neuen Aufschwung erfahren – "und viele tolle Konzerte auf die Beine gestellt".
Der Altersdurchschnitt lag bei rund 80 Jahren
Doch der Altersdurchschnitt des zuletzt von Oliver Trahndorff geleiteten Chores mit theoretisch noch 17 aktiven Mitgliedern bewegte sich um die 80 Jahre. Dass keine neuen Sängerinnen und Sänger dazukommen wollten, führt Eilers ganz klar auf die Liedauswahl zurück. Das rein traditionelle Liedgut hatte etwaige Interessenten zuverlässig verschreckt, obwohl man vereinzelt auch moderneres wie Udo Jürgens oder "Que Sera Sera" gewagt hatte, fügt sie an. Eine Öffnung für fremdsprachiges Liedgut, wie es der Zeitgeist erfordert hätte, hatte der Chor nicht mitgemacht.
Corona und das gänzliche Erliegen aller Choraktivitäten "wie die wunderschönen Reisen" sorgten dafür, dass sich ein großes Kapitel der Ortsgeschichte schloss. Die meisten Chöre hätten zwischenzeitlich wieder mit den Proben angefangen, sagt Stefanie Schlotter als Sprecherin des Singkreises Würzburg im fränkischen Sängerbund, "viele aber noch immer nicht." Zahlen, wie viele Chöre den Corona-Lockdown nicht überlebt haben, konnte sie nicht nennen, aber Strategien des Sängerbunds für den Neustart, wie die digitalen Proben beizubehalten, eventuell zunächst einfachere Liedformate, kleinere Besetzungen, Themenkonzerte oder Projektchöre zu wählen und sich in jedem Fall Ziele mit Auftritten zu setzten.
Offizielle Auflösung erfolgte am 30. November 2020
Für die Liedertafel ist das Makulatur: Zwei oder drei Sänger seien zum Kirchenchor gewechselt, so Eilers. Allen anderen habe man das Alter angemerkt. Aber, so ihre Hoffnung "nach einem halben Leben für die Liedertafel: Es gibt viele junge Chöre. Die Musik hört nicht auf. Singen verbindet ja unheimlich". Gut ein Jahr war sie seit der offiziellen Auflösung am 30. November 2020 mit der Abwicklung beschäftigt gewesen. Ein Geldbetrag und ein Klavier gingen an die evangelische Kirchengemeinde zugunsten der Renovierung des Gemeindezentrums. Da war man sich sofort einig, sagt sie, "nachdem wir es immer zum Proben genutzt hatten".
Die beiden Fahnen, 1845 angeschafft zum 1. Deutschen Sängerfest in Würzburg und die neuere von 1968 bekommt als Dauerleihgaben das Sängermuseum in Feuchtwangen. Über das Gros des Nachlasses freut sich Archivarin Irene Meeh für das Gemeindearchiv. Dort werden die detailreiche Chronik und viele weitere Dokumente katalogisiert abrufbar sein. Große Momente wie die Einweihung der Sängerlust, das von Fritz Düll der Liedertafel 1925 gestiftete Weinberghäuschen, gehören dazu und beachtliche Leistungen wie "Das Lied von der Glocke" 1947 oder die Inszenierungen der Theatergruppe. Aber auch große Notzeiten waren dabei, wo man nur alle 14 Tage probte, weil es sonst zu teuer gekommen wäre. In den 1920-er Jahren, so Eilers, musste das Heizmaterial von zu Hause mitgebracht werden.
Ausstellung im Bürgersaal des Rathauses
Eine kleine Retrospektive zur Liedertafel bietet eine Ausstellung im Bürgersaal des Rathauses, die am Samstag, 11. Juni, ab 18 Uhr eröffnet wird. Es erinnert Inge Eilers an die Liedertafel und Irene Meeh an Sabine Stahl, die in den 1990-er Jahren in Sommerhausen lebte. Ihre Porträts von Sommerhäuser Zeitgenossen mit handschriftlichen Zusätzen der Porträtierten werden gleichzeitig ausgestellt. Sie waren dem Archiv ebenfalls kürzlich aus Stahls Nachlass übergeben worden. Die Ausstellung zur Liedertafel ist bis 19. Juni täglich zu den Öffnungszeiten zu sehen.

