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Kitzingen: Pater Anselm Grün: Beichten als heilsames Erlebnis

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Pater Anselm Grün: Beichten als heilsames Erlebnis

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    Pater Anselm Grün hat die Erfahrung gemacht, dass es vielen Menschen hilft, wenn sie durch das Beichten quasi die Reset-Taste drücken und in ihrem Leben neu durchstarten können. 
    Pater Anselm Grün hat die Erfahrung gemacht, dass es vielen Menschen hilft, wenn sie durch das Beichten quasi die Reset-Taste drücken und in ihrem Leben neu durchstarten können.  Foto: Barbara Bedacht

    Der dicke dunkle Vorhang. Der muffige Geruch. Das enge Gitter, das den Blick verstellt. Viele von uns haben noch das Unbehagen im Beichtstuhl erlebt, in dem nicht zu erkennen war, wer den im Dunkeln geflüsterten Sünden lauscht. Modernes Beichten geht oft anders. Der bekannte Benediktinerpater Anselm Grün aus der Abtei Münsterschwarzach bietet schon lange Alternativen an, Beichtgespräche, bei denen man sich offen gegenübersitzt. Oft geht es dabei um Seelenballast: um trügerische Idealbilder, alte Narben und neue Verletzungen.

    Frage: Als Kind musste ich vor der Erstkommunion beichten – ein beklemmendes Erlebnis, das ich nie vergessen habe. Verstehen Sie, dass Menschen ein Unbehagen gegenüber dem Beichten verspüren?

    Pater Anselm: Wir müssen nicht beichten. Es ist ein Angebot. Es tut einfach gut, mal über seine Schattenseiten zu sprechen, darüber, warum wir nicht zufrieden mit uns sind. Es geht darum, einen Weg zu finden, einen neuen Anfang, keine alte Schuld mehr mit sich herumzutragen. Zu spüren: Mir ist vergeben.

    Beichten als Chance, einmal die Reset-Taste zu drücken, neu anzufangen?

    Pater Anselm: Ich gebe oft Kurse zum Thema. Viele sagen mir, sie könnten anderen leichter vergeben als sich selbst. Wir haben alle so ein Selbstbild von einem anständigen und guten Leben in uns – ein Idealbild, das sich nicht immer erfüllen lässt. Damit hadern viele oder werden traurig, weil sie nicht so sind, wie sie gerne wären. Es geht darum, sich auszusöhnen mit sich selbst.

    Hadern bestimmte Menschen mehr als andere?

    Pater Anselm: Frauen hadern vielleicht ein bisschen mehr. Aber es gibt auch Männer, die sich selbst nicht gut vergeben können.

    Pater Anselm sieht sich in Beichtgesprächen als Begleiter, der gemeinsam mit den Menschen nach Lösungen für das sucht, was im Leben gerade nicht gut läuft.
    Pater Anselm sieht sich in Beichtgesprächen als Begleiter, der gemeinsam mit den Menschen nach Lösungen für das sucht, was im Leben gerade nicht gut läuft. Foto: Daniel Peter

    Und junge Leute?

    Pater Anselm: So lange es einem gut geht, setzt man sich nicht so sehr mit sich selbst auseinander. Aber auch junge Leute haben Krisen. Wenn etwa Beziehungen scheitern, geht es auch um Schuld und darum, wie man mit Problemen umgehen kann. Während die Beichte früher zum Alltag der Christen gehörte, ist sie heute nicht mehr so präsent, gerade nicht bei jungen Leuten. Aber Begleitungsgespräche wollen sie schon führen. Dabei geht es um Gottes Zusage: Du bist bedingungslos angenommen.

    Es geht also gar nicht mehr so sehr um Schuld und Sühne?

    Pater Anselm: Schuld heißt eigentlich, an sich vorbei zu leben. Es geht nicht stereotyp um Gebotsübertretung. Schuld ist gar nicht das Entscheidende. Ich kann mein Leben und die aktuellen Probleme Gott hinhalten und um Lösung bitten.

    Das klingt zeitgemäßer als das altertümliche Wort beichten…

    Pater Anselm: Wenn man fragt: "Stimmt mein Leben oder lebe ich an mir vorbei?" ist das sehr zeitgemäß, sinnvoll und heilsam. Lasse ich mich von außen bestimmen oder von dem Druck, mich ständig darstellen und optimieren zu wollen? 

    Welcher Rahmen ist der richtige, um solche Fragen mit einem Priester anzugehen?

    Pater Anselm: Für manche, vor allem ältere Leute ist der Beichtstuhl ein guter Weg, weil sie anonym reden können.  Oft ist die Beichte die einzige Möglichkeit, mal über sich, die Partnerschaft, die Kinder und so weiter zu sprechen. Ältere Leute gehen ja eher nicht zum Therapeuten…

    … und junge nicht in den Beichtstuhl!

    Pater Anselm: Die meisten bevorzugen ein persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht.

    Mit dem Aschenkreuz begann dieser Mann die Fastenzeit.  Das Kreuz steht für Buße und Reinigung und wurde am Aschermittwoch vom Priester auf die  Stirn von Gläubigen gezeichnet.
    Mit dem Aschenkreuz begann dieser Mann die Fastenzeit. Das Kreuz steht für Buße und Reinigung und wurde am Aschermittwoch vom Priester auf die Stirn von Gläubigen gezeichnet. Foto: Federico Gambarini/dpa

    Wie läuft ein solches Gespräch ab?

    Pater Anselm: Ich als Begleiter höre erst mal zu und stelle dann Fragen: Was hilft Ihnen? Wo haben Sie ein besseres Gefühl? Ich frage die Menschen nicht aus, sondern wir suchen gemeinsam nach neuen Wegen. Das Wort Frage ist mit Furche verwandt, der Furche in der Erde, in die man Samen legt, damit etwas Neues wachsen kann.

    Der Priester als Therapeut?

    Pater Anselm: Beichte hat schon auch was mit Therapie zu tun. Es gibt Psychologen, die ihre Klienten zur Beichte schicken. Auch die frühen Mönche haben Beichtgespräche geführt. Man könnte auch sagen, beichten ist die Urform von Therapie. Es geht um das gelingende Leben.

    Das bedeutet, der Priester muss heutzutage sehr individuell auf jeden eingehen?

    Pater Anselm: Ja, die Leute wollen verstanden werden, sie wollen über ihr Leben sprechen, Hilfe erfahren. Wir können da nicht nach Schema F vorgehen und einfach die Absolution erteilen. So funktioniert das nicht.

    Apropos Absolution: Dass ein Mitmensch – auch wenn er Priester ist – einen von allen Sünden lossprechen kann, sehen heute viele Menschen mit Skepsis.

    Pater Anselm: Ich lege den Menschen die Hand auf – als sinnfälligen Ausdruck dafür, dass sie ganz und gar angenommen sind. Mit ihren Fehlern und Schwächen. Das tut vielen gut. Auch spreche ich ein persönliches Gebet.

    "Um ihre Schuldgefühle zu lösen, kann die Frau einen Brief an das abgetriebene Kind schreiben."

    Pater Anselm Grün

    Welche Sorgen und Nöte drücken die Menschen heute nieder?

    Pater Anselm: Zerbrochene Partnerschaften zum Beispiel, oder wenn man jemanden bewusst verletzt oder betrogen hat. Oder dass man sich mit Verstorbenen nicht versöhnt hat. Manche Frauen belastet es, wenn sie eine Abtreibung hatten. Meist geht es um die Frage, ob und wie man einen Fehler wieder gutmachen kann.

    Der Münsterschwarzacher Benediktinermönch Anselm Grün legt Menschen nach dem Beichtgespräch oft die Hände auf die Schultern – ein Zeichen dafür, dass sie angenommen sind, mit allen Fehlern und Schwächen. 
    Der Münsterschwarzacher Benediktinermönch Anselm Grün legt Menschen nach dem Beichtgespräch oft die Hände auf die Schultern – ein Zeichen dafür, dass sie angenommen sind, mit allen Fehlern und Schwächen.  Foto: Ivo Knahn

    Was sagen Sie zum Beispiel einer Frau, die nach einer Abtreibung verzweifelt?

    Pater Anselm: Ich sage ihr, dass ein Teil von ihr jetzt schon bei Gott ist – ihr Kind ist durch seinen Tod zu Gott gekommen. Ihr Kind ist trotz allem weiter ihr innerer Begleiter, es gehört zu ihr, sie soll es nicht wegdrängen. Um ihre Schuldgefühle zu lösen, kann die Frau einen Brief an das abgetriebene Kind schreiben – und einen vom Kind an sich selbst.

    Sie bringen den Menschen also Techniken zur Verarbeitung ihrer Probleme bei.

    Pater Anselm: Es gehört auch zur Beichte, Rituale zu finden, wie man loslassen kann. Es ist wichtig, dass auch das Unbewusste gereinigt wird. Wenn man sich zum Beispiel tief verletzt fühlt, kann man die Verletzungen auf einen Stein schreiben und diesen bewusst weglegen oder -werfen, die Verletzungen somit loslassen.

    Sind Sie manchmal entsetzt über menschliche Abgründe, die sich in Gesprächen auftun?

    Pater Anselm: Ich versuche nicht zu bewerten, sondern zu verstehen: Warum ist das geschehen? Verstehen heißt nicht entschuldigen. Aber meine Aufgabe ist es nicht zu richten. Sondern die Menschen zu ermutigen, ihr Leben Gott hinzuhalten, in der Hoffnung, dass Wunden in Perlen verwandelt werden, wie Hildegard von Bingen einst gesagt hat.

    Manche Menschen gehen nie beichten. Ist das aus Kirchensicht okay?

    Pater Anselm: Vieles kann man auch mit sich selbst oder direkt mit Gott ausmachen. Man muss nicht beichten. Ich merke einfach, dass die Beichte für viele Menschen eine Hilfe ist. Beichten ist eine Einladung der Kirche an alle, die schuldig geworden sind und sich deshalb ausgestoßen fühlen, wieder in die Gemeinschaft zurückzukehren.

    Wenn einem alles schwer vorkommt im Leben, kann Beichten Erleichterung schaffen, sagt Pater Anselm Grün. 
    Wenn einem alles schwer vorkommt im Leben, kann Beichten Erleichterung schaffen, sagt Pater Anselm Grün.  Foto: Daniel Peter

    INFO: Pater Anselm Grün ist Mönch der Abtei Münsterschwarzach und der bekannteste spirituelle Autor in Deutschland. Seine Bücher sind Bestseller. Für viele Menschen, unabhängig von ihrer Konfession, ist er Ratgeber und spiritueller Wegbegleiter. 

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