Aus Angst vor zusätzlichen Krankheiten waren die Zimmertüren zu und die kranken Kinder sehr isoliert. Einige Mütter wollten die anderen Betroffenen kennen lernen. Aus dieser Sehnsucht heraus entstand die Elterninitiative.
Dr. Joachim Kühl, der damals die onkologische Station aufbaute (Onkologie = die Lehre von den Geschwülsten), ging auf die Bitten der Eltern ein. Bei einem Vortrag Kühls am 22. Dezember 1983 begegneten sich die Eltern zum ersten Mal. Zu ihnen gehörten Christel Lochner, Heidrun Grauer und Rita Richter.
"Manchmal gibt es Schicksale, die rauben uns selbst den Atem", sagt Christel Lochner. Sie berichtet von einem krebskranken kleinen Mädchen, das starb. Jahre später wurde ihr halbwüchsiger Bruder krebskrank. "Das ist für die Familie kaum auszuhalten!"
Verein gegründet
Gottlob gibt es aber auch das Gegenteil: Florian Müller, 22, ist "fit wie ein Turnschuh" und Mitglied der Wasserball-Nationalmannschaft. Im Vorschulalter war er an einem Nierentumor erkrankt, hat Operation, Bestrahlung und Chemotherapie (Medikamente) hinter sich. Florian machte das Abitur und studiert heute in Stuttgart. Er ist geheilt. Christel Lochners Sohn Burkard allerdings starb 1983 im Alter von sieben Jahren.
Im Rückblick erzählen die Gründerinnen, dass sie sich zunächst monatlich trafen und sich Gedanken über die Klinikseelsorge machten. Bald kamen die ersten Spenden. Das brachte die Notwendigkeit mit sich, einen Verein zu gründen, berichten Christel Lochner und Heidrun Grauer, "weil keiner die Verantwortung für das Geld übernehmen wollte". Die Eltern zahlten für die Vorträge von Referenten, übernahmen Porto oder zahlten kleine Geschenke. Schließlich waren über den Verein auch Spendenquittungen möglich.
Seither hat der Verein schier Unglaubliches geleistet: Er finanziert teilweise Personal an der Uni-Klinik, unterstützt die so genannte Hirntumor-Studie mit 50 000 Euro jährlich seit 1991 und legte den Grundstock für ein Stammzell-Therapie-Zentrum in Würzburg. Außerdem gäbe es ohne den Verein die Tagesklinik nicht, in der die meist kleinen Patienten nach den ersten schweren Wochen auf Station dann tagsüber weiter behandelt werden. Sind sie erst einmal in der Tagesklinik, dann dürfen sie abends wieder nach Hause - psychologisch gesehen ganz andere, aufmunternde Perspektiven als auf Station, wo Patienten und Angehörige sich häufig ausgeliefert fühlen und Dauerstress empfinden.
"Manchmal ist es für die Familie kaum auszuhalten"
Ch. Lochner zu den Schicksalen der Familien mit krebskranken Kindern
Ambulante Krankenschwestern sorgen dafür, dass Kinder nicht in jedem Fall im Krankenhaus behandelt werden, sondern teilweise zu Hause. Manchmal geht es auch darum, dass sie - wenn es auf den Tod zugeht - wenigstens noch möglichst lange daheim sein können. Auch diese beiden Stellen finanziert die Eltern-Initiative.
"Wir haben den Spendeneingang nie errechnet", bestätigen die heutigen Vorsitzenden Angelika Müller, Karin Rost und Monika Demmich. Dennoch: Der Haushalt des Vereins von 500 000 Euro im Jahr spricht Bände.
Wieder der Blick zurück: "In dem Moment, wo wir Verein waren, waren wir ein Partner für die Klinik", erzählt Heidrun Grauer, "wir wurden zu Gesprächen eingeladen und auch wir selbst haben eingeladen - Klinik-Chef Helmut Bartels zum Beispiel." Dessen Frau Ingrid initiierte die erste große Spende vom Zonta Club: damals 7000 Mark, "für uns ein Haufen Geld". Eine Klinikangestellte bot in der Robert-Koch-Straße eine Wohnung zum Selbstkostenpreis an, und damit erfüllte sich der Wunsch nach einer Eltern-Wohnung. Heidrun Grauer: "Wir hatten ja für zwei Jahre die Miete und dachten: jetzt können wir es wagen!" Eltern nutzten sie während des Klinikaufenthaltes ihrer Kinder. Die zweite Wohnung stellte die Eltern-initiative bereits 1988 zur Verfügung. Sieben Wohnungen sind es inzwischen. Gerade für die auswärtigen Patienten, von denen einige sogar über 150 Kilometer entfernt wohnen, ist das, bei all ihren Sorgen, eine riesengroße Erleichterung.
Mit Hilfe der Hirntumor-Studie konnten neue Therapieformen für Kinder unter drei Jahren geschaffen werden. Sie werden heutzutage nicht mehr bestrahlt, sondern nur noch operativ und mit Hilfe von Medikamenten behandelt, was viel weniger Nebenwirkungen mit sich bringt. "Die Lebensqualität hat sich verbessert", erklärt Christel Lochner.
Betreuung der Patienten
Das gelte auch für die Stammzell-Therapie, eine Nachfolgebehandlung der Knochenmarkstransplantation. Statt dem Spender Knochenmark zu entnehmen, wird sein Körper angeregt, mehr Stammzellen zu produzieren. Diese werden dann entnommen. Dabei ist keine Narkose nötig. "Das ist ungefährlicher", so Lochner.
Haben die Eltern sich früher schon für Seelsorger, Erzieher und Pädagogen in der Klinik eingesetzt, so sehen sie es auch jetzt wieder als ihre Aufgabe, im künftigen Stammzell-Zentrum für die psychosoziale Betreuung der Patienten zu sorgen. Denn das war immer das Motto: "Wir brauchen auch jemanden, der sich um unsere Seele sorgt, nicht nur um unseren kranken Körper", sagt Heidrun Grauer als Sprecherin für alle. Die Zeit der Krankheit, die viele so sehr geprägt hat, erlebten sie in Gemeinschaft, und deshalb als bereichernd. Nur so ist manches Schicksal überhaupt zu verkraften.
Im 20. Jahr ihres Bestehens feiern die Eltern am 28. Juni ihr gemeinsames Sommerfest.