Vom Wohnhaus eines Neumünster-Kapitulars zum Epileptikerasyl des Juliusspitals, vom akademischen Gebärhaus zur Augenklinik und vom "Institut für Rassenkunde" zur Medizinischen Universitätspoliklinik hat der Bau mit den Besitzern auch immer wieder seine Verwendung gewechselt.
Als 1765 Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim beschloss, sich der bisher vernachlässigten Epilepsiekranken seines Hochstifts anzunehmen, beauftragte er eine Kommission mit dem Ankauf eines passenden Gebäudes. Das geräumige Haus des verstorbenen Kapitulars Ganzhorn, in unmittelbarer Nähe zum Juliusspital gelegen und mit großem Garten ausgestattet, war für diesen Zweck bestens geeignet.
1773 konnten die ersten Kranken der Obhut des gestrengen "Hausvaters" des neuen Epileptikerasyls übergeben werden. Da man die "fallende Sucht" für eine ansteckende Krankheit hielt, an der man schon allein durch den Anblick eines epileptischen Anfalls erkranken könne, wurden die bedauernswerten Patienten isoliert. Behandeln konnte man das Anfallsleiden damals nicht, aber es wurde zumindest versucht, Anfall auslösende Momente zu vermeiden und die Kranken vor Verletzungen während des "Paroxysmo" zu schützen.
1805 wurden die Epilepsiekranken in ein anderes Gebäude des Juliusspitals verlegt, um Platz für Würzburgs erste Universitäts-Gebärklinik zu schaffen. Für diese hatte der damalige Professor für Geburtshilfe, Adam Elias von Siebold, lange kämpfen müssen. Jetzt konnte er seinen Medizinstudenten und auch den Hebammenschülerinnen, die er unterrichtete, endlich systematisch praktischen Unterricht in der Geburtshilfe erteilen. Vor allem "heimliche Schwangere", d.h. arme, ledige Frauen, die ihr uneheliches Kind in aller Stille zur Welt bringen wollten, fanden hier unentgeltlich oder gegen eine geringe Verpflegungspauschale Aufnahme und fachkundige Versorgung.
Auch nachdem Elias von Siebold als erster Professor für Geburtshilfe an die neugegründete Berliner Universität berufen wurde, blieb das Gebäude Gebärklinik. Erst als 1857, unter Friedrich Wilhelm von Scanzoni, in direkter Nachbarschaft die neue "Kreisentbindungsanstalt" entstand, zogen die Geburtshelfer aus.
Die nunmehr leer stehende Klinik wurde vom Augenarzt Robert von Welz erworben, der ein drittes Stockwerk aufsetzte und den später nach ihm "Welzhaus" genannten Bau als Wohnhaus und Augenklinik nutzte. Über dem Portal an der Klinikstraße ließ er sein Wappen anbringen: Das rechte zeigt einen Fischer mit einem "Wels".
Der bekannte Ophthalmologe, ein schrulliger Junggeselle, aber fachlich überaus kompetenter Arzt, war sehr erfolgreich: Allein im Jahre 1871 wurden in seiner Klinik fast 250 Augenkranke stationär behandelt. Hier erhielt auch Welz' Zögling Joseph Schneider seine ärztliche Ausbildung: Der tüchtige Schüler, der später als Augenarzt im amerikanischen Milwaukee ein gewaltiges Vermögen erwarb, stiftete Stadt und Universität Würzburg später Millionenbeträge. Als Welz 1879 starb, vermachte er seine Privatklinik der Hochschule, die hier Würzburgs erste Universitäts-Augenklinik eröffnete.
Mit dem Bau der prächtigen Augenklinik am Röntgenring 1901 wurde das "Welzhaus" wieder frei - zur großen Freude der Gynäkologen und Geburtshelfer, deren "Kreisentbindungsanstalt" schon wieder aus allen Nähten platzte. Durch eine überdachte Glasbrücke mit dem Hauptgebäude verbunden, wurde das "Welzhaus" zum zweiten Mal in seiner Geschichte Gebärklinik.
Ältere Würzburger werden sich noch an die bekannte Gaststätte in unmittelbarer Nähe der Klinik erinnern: Sie war im Volksmund unter dem Namen "Die Nabelschnur" bekannt, weil hier die "werdenden Väter" auf die erlösende Nachricht aus dem Kreißsaal warteten. Als 1934 die neue Frauenklinik im Luitpoldkrankenhaus bezogen werden konnte, stand das "Welzhaus" abermals leer.
Doch den Nationalsozialisten, die dem Gynäkologen Carl Joseph Gauss für "seine Mütter" das prächtige Klinikgebäude in Grombühl errichteten, hatten dem ehrwürdigen Bau eine wichtige Aufgabe zugedacht: Im Mai 1939, so berichtet die "Mainfränkische Zeitung" nahm hier das "Universitäts-Institut für Rassenkunde" seine Tätigkeit auf.
Beim verheerenden Bombenangriff des 16. März 1945 wurde auch das Welzhaus getroffen und schwer beschädigt. Nach dem Wiederaufbau fand das Mathematische Institut hier eine zeitweilige Bleibe: Damals entstanden der noch heute genutzte Hörsaal sowie das Eulenmosaik Sela Bails und die Sgraffiti-Drahtplastik eines sinnenden Mathematikers von Hanns Bail im Obergeschoss des Hauses. Das farbige Glasfenster mit einer Darstellung des berühmten fränkischen Mathematiker und Astronomen Regiomontanus - Johannes Müller (1436-1476) aus Königsberg - wurde offenbar später gegen eines mit medizinischen Motiven ausgetauscht.
Denn seit 1974 ist das Welzhaus, das 1981 unter Denkmalschutz gestellt wurde, Dépendance der Poliklinik und mit dem Hauptgebäude abermals mit einer überdachten Brückenkonstruktion verbunden: Hier ist heute die Hämatologische Ambulanz untergebracht.
> Schräg gegenüber des "Welzhauses" befindet sich ein weiteres Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das eine nicht weniger wechselhafte Vergangenheit hat. Lesen Sie in der nächsten Folge über die Geschichte des Hauses in der Klinikstraße 3.