würzburg Den biographischen Lexika und der sonstigen Literatur zufolge war die 1715 in Quedlinburg geborene und dort 1762 verstorbene Dorothea Christiane Erxleben, geb. Leporin, die erste Frau in Deutschland, die den medizinischen Doktortitel, ja wohl überhaupt erstmals als Frau einen Doktortitel erwarb.
Sie verdankte ihre erstaunliche Beherrschung des Lateinischen dem Unterricht durch Lehrer der Quedlinburger Ratsschule, ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse ihrem Vater, der in Quedlinburg Stadtphysikus war und sie und ihren Bruder in theoretischer und praktischer Medizin unterwies.
Sie heiratete einen Pfarrer, der vier Kindern aus erster Ehe mitbrachte, ließ sich aber durch ihr Hausfrauendasein nicht vom Studium der medizinischen Literatur ablenken und wurde 1754 auf Anregung Quedlinburger Ärzte an der Medizinischen Fakultät der Universität Halle promoviert. Bis zu ihrem Tode übte sie eine ausgedehnte ärztliche Praxis aus.
Frau Doctor Hamelin
In Würzburger Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts werden nun schon erheblich früher drei Frauen ausdrücklich mit dem Doktortitel genannt. In dem im Stadtarchiv aufbewahrten Ratsakt 1117, einer nur bruchstückhaft erhaltenen und nicht datierten, aber wohl um das Jahr 1630 anzusetzenden Zählung der Juden, die sich in der Stadt Würzburg aufhielten, wird festgehalten, dass eine jüdische Familie "inn der Frau Doctor Hamelin Behausung" im Sanderviertel wohne.
In den Steuerrechnungen 5726 und 5735 für die Jahre 1706 und 1711 werden ausnahmsweise die Neubürger namentlich einzeln genannt. Unter ihnen befinden sich 1706 "Fraw Dr. Löhrin" und 1711 "Fraw Dr. Warnecthin" (wohl verschrieben für Warneckhin).
Es ist dabei nicht überraschend, dass Frauen selbstständig als Bürgerinnen ansässig werden. Zwar werden in den Steuerrechnungen und Bürgerbüchern der Stadt viel weniger Frauen als Männer genannt, die als neue Bürger und zugleich Haushaltsvorstände in den städtischen Bürgerverband aufgenommen werden, es sind aber genügend, um solche Fälle nicht als unübliche Ausnahmen werten zu müssen.
Weiterhin ist festzustellen, dass es in den Jahren vor und nach der Aufnahme von Frau Dr. Löhrin und Frau Dr. Warnecthin keine Männer namens Dr. Löhr oder Lohr oder Dr. Warnecthin bzw. Dr. Warneck gibt, die Bürger werden.
Beide Frauen dürften unverheiratet gewesen sein, da auch kein Bürger für sie als seine Ehefrau das Bürgergeld zahlt - ein häufiger Fall in den Bürgerbüchern und Steuerrechnungen. Die beiden Frauen dürften daher ihre Doktortitel aus eigenem Recht geführt haben.
Von Interesse ist vielleicht noch, dass gemäß der gezahlten Bürgeraufnahmegelder Frau Dr. Löhrin eine Würzburger Bürgertochter gewesen sein müsste, Frau Dr. Warnecthin hingegen eine Auswärtige. Bei Frau Dr. Hamelin kann darüber nichts ausgesagt werden.
Wahrscheinlich Medizinerinnen
Von großem Interesse wäre es zu wissen, an welchen Universitäten und in welchen Fächern die drei Frauen ihre Doktortitel erworben hatten. Darüber ist allerdings bisher nichts bekannt geworden. Vieles spricht dafür, dass sie wie Dorothea Erxleben Medizinerinnen waren und vielleicht auch eine ärztliche Praxis ausübten.
Es ist anzunehmen, dass sie ihre Kenntnisse wie Dr. Erxleben im Privatstudium, nicht durch regulären Universitätsbesuch erworben hatten und an der Universität nur ihre Prüfungen ablegten.
Insgesamt gesehen, werfen die diesen drei Würzburger Frauen zugeschriebenen Doktortitel eine Reihe kaum beantwortbarer Fragen auf und stellen zugleich höchst interessante und ungewöhnliche Zeugnisse für den möglichen Erwerb akademischer Grade durch Frauen in sehr früher Zeit dar.
Der Autor ist promovierter Histori- ker und Mitarbeiter des Stadt- archivs. Zur 1300-Jahr-Feier bringt das Archiv eine dreibändige Stadt- geschichte heraus, deren erster Band bereits erschienen ist und deren zweiter Band im Frühjahr 2004 vorliegt. In loser Folge ver- öffentlichen wir Auszüge.