Das anfangs "Churfürstlich privilegierte fränkische Nationalbühne" genannte Theater war Ausdruck einer neuen Zeit: Die Säkularisation bedeutete das Ende des Fürstbistums und damit ein gewandeltes bürgerliches Selbstverständnis. Stand die Obrigkeit vor 1800 Gesellschaften, die sich mit Literatur, Schauspiel und Musik beschäftigten, noch kritisch-ablehnend gegenüber, so eröffnete die folgende Epoche mehr Freiheiten. So kam es zur Gründung der noch immer bestehenden "Harmonie-Gesellschaft" und des zunächst privatwirtschaftlich betriebenen Theaters.
Würzburg zählte seinerzeit rund 20 000 Einwohner. Das so genannte "Bildungsbürgertum", die Angehörigen der Universität und höhere Militärs bildeten die Zielgruppe, an die Julius Reichsgraf von Soden (1754 bis 1832) bei den ersten Überlegungen zu einem stehenden Theater gedacht haben mag. Als Domizil für den Musentempel wählte er das aufgelöste Damenstift St. Anna, einen Balthasar Neumann zugeschriebenen "Am Graben", der heutigen Theaterstraße. Für die Einrichtung der Bühne und des Zuschauerraumes waren umfangreiche Baumaßnahmen notwendig, denen unter anderem die barocke Stiftskapelle zum Opfer fiel. Im Laufe der Zeit wurde im Inneren immer wieder um- und ausgebaut, die Sicherheit verbessert, Strom und Heizung installiert. 1938 fand eine letzte Renovierung des klassizistischen Zuschauerraumes statt. Der letzte Vorhang senkte sich am 30. Juli 1944 nach Albert Lortzings "Zar und Zimmermann" - am 16. März 1945 fiel das Haus in Schutt und Asche.
Häufig wechseln die Intendanten
In den Anfangsjahren stellte der Theaterbetrieb ein hohes wirtschaftliches Risiko dar. Oft genug stand das Haus am Rande des Ruins. Immer wieder erscholl der Ruf nach öffentlichen Zuschüssen, und immer wieder warfen Intendanten die Flinte ins Korn. Ruhe kehrte erst unter der Direktion von Oswald Bürchl ein, der das Theater fast zwanzig Jahre, von 1830 bis 1849 leitete und das Kunststück fertig brachte, es 1843 in städtische Trägerschaft zu überführen. Nur Eduard Reimann, Intendant von 1870 bis 1898, war eine vergleichbar lange Intendanz vergönnt. Paul Smolny, mit dem die Moderne auf die Würzburger Bretter gelangte, verließ das Haus nach drei Jahren 1930; Federico Wolf-Ferrari, der Sohn des berühmten Komponisten, hielt es zwei Jahre am Main aus. Achim Thorwald, mittlerweile Intendant des Staatstheaters Karlsruhe, missfiel konservativen Kreisen. An die Spitze der Staatsoperette Dresden wechselte Wolfgang Schaller, dem ein nur kurzes Gastspiel am Main vergönnt war.
Ein Sprungbrett für große Stars
Bei allen Diskussionen um die Umstrukturierung des Würzburger Hauses mit dem Ziel einer von auswärtigen Ensembles bespielten Bühne wird allzu gerne verschwiegen, welch große Bedeutung Provinztheater für den künstlerischen Nachwuchs besitzen. Ob Edda Moser, der Weltstar Waltraud Meier, Diana Damrau, Michael Heltau, "Monaco-Franze" Helmut Fischer, Heiner Lauterbach, sie alle gehörten einmal dem Würzburger Ensemble an. Gleiches gilt für eine Reihe von Künstlern, die der breiten Öffentlichkeit mittlerweile vom Bildschirm vertraut sind: Paul Frielinghausen, Max Volkert-Martens oder Aglaia Szszkowitz. Und schließlich konnte Katharina Wagner hier 2002 ihr international beachtetes Regiedebüt mit dem "Fliegenden Holländer" ihres Urgroßvaters Richard Wagner absolvieren.
Eine ungewisse Zukunft?
Leere öffentliche Kassen stellen die Zukunft des Mainfranken Theaters in Frage. Der neue Intendant, Professor Hermann Schneider, wird gemeinsam mit dem Ensemble, den politischen Entscheidungsträgern in der Stadt, den Landkreisen und vor allem in München einen Weg finden müssen, der auch den folgenden Generationen einen eigenständigen Musentempel sichert. Ob Musiktheater, Ballett oder Schauspiel - der Bühne kommt ein Bildungsauftrag zu, wie ihn Schulen und Hochschulen, Museen und Bibliotheken verkörpern.
Zum Jubiläum hat das Mainfranken Theater eine 176 Seiten starke, mit zahlreichen Abbildungen versehene Festschrift publiziert. Sie ist (nach den Theater-Ferien) an der Theater- kasse zum Preis von 15.90 Euro und im Buchhandel erhältlich.