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Als der Mob jüdische Läden plünderte

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Als der Mob jüdische Läden plünderte

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    Sie skandierten unter großem Lärmen den Ruf "Hep, Hep". Der Einsatz von Polizei und Militär wurde nötig, um die Steine werfende Menge zu zerstreuen.

    Doch am Abend des 3. August, an dem der Würzburger Landtagsabgeordnete Professor Behr bei seiner Rückkehr aus München feierlich empfangen wurde, strömten noch viel mehr Menschen zusammen; viele Soldaten solidarisierten sich mit den Aufrührern, so dass verfrüht zum Zapfenstreich geblasen werden musste. Offiziere, die von sich aus das Haus des jüdischen Hofbankiers Jakob von Hirsch, den Ebracher Hof, schützten, verhafteten den Anführer eines fast militärisch organisierten Trupps, der dort systematisch die Fensterscheiben einwarf: es handelte sich um einen Regierungssekretär.

    Einige jüdische Läden wurden in dieser Nacht geplündert; ein Mann kam zu Tode, als sich versehentlich ein Schuss aus einer Polizeipistole löste. Wieder kehrte erst nach dem Einsatz von Militär Ruhe ein.

    Noch heftiger wurde der Aufruhr am 4. August, als bereits am Vormittag Juden, die sich blicken ließen, durch die Straßen gehetzt wurden und ab neun Uhr ein Mob durch die Stadt zog, an jüdischen Läden die Firmenschilder abriss, die Geschäfte plünderte oder zerstörte und von den Inhabern Geldsummen erpresste. Bis in den Abend hinein dauerten diese Unruhen, während die Würzburger Juden - teils unter militärischem Schutz - die Stadt verließen. Erst spät am Abend gelang es mit massivem Einsatz von Kavallerie nach Ausrücken der gesamten Würzburger Garnison, die Ruhe wiederherzustellen. Allerdings wurde ein Soldat durch einen gezielten Schuss getötet. Nun ließ die Regierung mehrere Hundert Soldaten auf Kosten der Stadt in den Straßen biwakieren.

    Morddrohungen kursieren

    Die offenen Gewalttätigkeiten konnten so tatsächlich sofort unterbunden werden, doch kursierten dafür nun Briefe mit Morddrohungen und Aufrufen zum Aufstand gegen die Regierung in der Stadt. Bedroht wurden neben einzelnen Juden der Juraprofessor Sebald Brendel, der verdächtigt wurde, von Juden bestochen zu sein, um sich öffentlich für deren Gleichberechtigung einzusetzen, und die Regierungsbehörden, deren positive Haltung dazu sich die anonymen Schreiber ebenfalls nur durch Bestechung erklären konnten. Die Briefe ließen zweifelsfrei erkennen, dass die Krawalle von Kaufleuten und Gewerbetreibenden angezettelt worden waren, die sich nicht mit der neuen Konkurrenz jüdischer Händler abfinden konnten.

    Seitdem das Bayerische Judenedikt 1816 in Unterfranken in Kraft getreten war, durften Juden erstmals offene Läden führen. Da sie sich oft mit niedrigen Gewinnspannen zufrieden gaben, so aber höhere Umsätze erzielten, empfanden viele christliche Kaufleute, die traditionell auf hohe Gewinne bei niedrigen Umsätzen eingestellt waren, diese neue Konkurrenz als höchst bedrohlich. In Würzburg wurde dieses Unbehagen noch verschärft durch den Verlust des bischöflichen Hofes als beherrschenden Auftraggebers von Handel und Handwerk; die allgemeine wirtschaftliche Krise war hier schärfer als anderswo. Festzuhalten ist allerdings, dass entgegen einer bis heute verbreiteten Meinung die Studentenschaft an den Ausschreitungen nicht beteiligt war.

    Die Hep-Hep-Unruhen breiteten sich von Würzburg über weite Teile Deutschlands bis nach Kopenhagen aus und liefen überall ganz ähnlich ab. In Heidelberg allerdings schützten die Studenten die Juden mit dem Degen in der Hand.

    Der Autor ist promovierter Histori- ker und wissenschaftlicher Mit- arbeiter des Stadtarchivs. Anläss- lich der 1300-Jahrfeier hat das Archiv eine mehrteilige Stadt- geschichte herausgebracht, deren erste beiden Bände bereits vorlie- gen. In loser Folge veröffentlichen wir Auszüge.

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