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Handfester Streit mit den Nazis

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Handfester Streit mit den Nazis

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    Natürlich ist das Thema nicht einfach vom Himmel gefallen. "Im Prinzip ist diese Dissertation eine Frucht meiner Zulassungsarbeit in fränkischer Kirchengeschichte zum zweiten Staatsexamen", erklärt Tobias Haaf. "Dafür habe ich den umfangreichen Gestapoakt von Dekan Hugo Stöhr aus Münnerstadt aufgearbeitet", so der 30-Jährige.

    Und weil ihn das Thema der Zulassungsarbeit schon derart gefesselt hatte, schlug ihm sein Professor vor, aus diesem Themenkomplex heraus zu promovieren.

    Arbeit in Archiven

    Tobias durchforstete die Staatsarchive in Würzburg und Bamberg, das hiesige Stadt- und Diözesanarchiv und las dort hunderte alte Akten: "Ich wollte wissen, was in den einzelnen Gemeinden passiert ist. Mein Hauptaugenmerk galt dabei den Konflikten zwischen den Ortsgruppenleitern der NSDAP und den Dorfpfarrern."

    Einer der härtesten Konflikte, die zwischen NS-Regime und katholischer Kirche ausgefochten wurde, fand schon 1937 statt: Nachdem Nonnen nicht mehr unterrichten durften, sollten auch noch die konfessionell getrennten Volksschulen abgeschafft und die NS-Gemeinschaftsschule eingeführt werden. "Das hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst", so Haaf: "Der damalige Bischof Matthias Ehrenfried hat sich zum Beispiel in Hirtenbriefen gegen diese Entscheidung gestellt". Viele Katholiken sahen "ihre Religion in Gefahr".

    Als 1939 auch noch der Religionsunterricht an den Volksschulen halbiert wurde, war die Aufregung erneut groß: "Diese Entwicklung war aber absehbar. Schließlich wurde in den Schulen die Nazi-Propaganda gepredigt", weiß Haaf: "Den Kindern wurde den ganzen Tag erzählt, dass die Juden ihr Unglück seien. Und dann kam der Pfarrer und las im Religionsunterricht aus dem Katechismus vor: 'Das Heil kommt aus den Juden.' Das passte nicht." Die Religionslehre wurde in kirchliche Räume verlegt - und davon ließ dann sogar die NS-Regierung ihre Finger.

    Weitere handfeste Streits entbrannten, als die NS-Regierung etliche katholische Feiertage abschaffte und eigene einführte; zum Beispiel den Tag der deutschen Arbeit am 1. Mai. "Vor allem die Landbevölkerung hat sich davon nicht beirren lassen. Die katholischen Bauern sind weiter an 'ihren' Feiertagen in die Kirche gegangen und einige haben aus Protest an den staatlichen Feiertagen gearbeitet. Manche haben extra an jenen Tagen Mist ausgefahren." Als die Nationalsozialisten in den Schulen alle Kruzifixe abhängten, waren die Katholiken endgültig verärgert.

    "Protestierende Pfarrer wurden nicht selten verhaftet. Ein Dorfpfarrer aus der Nähe von Würzburg musste wegen seines Protests sogar neun Monate ins Konzentrationslager nach Dachau", erzählt Tobias Haaf. Ein weiterer Dorn im Auge der Nationalsozialisten war die freundliche Behandlung der Zwangsarbeiter durch die Katholiken. "Der Bevölkerung in den ländlichen Gemeinden war nicht zu vermitteln, dass Polen Menschen minderen Werts seien. Der NS-Rassenwahn griff nicht, weil die Polen Katholiken waren: ihre Glaubenszugehörigkeit war wichtiger."

    Obrigkeitsdenken

    Tobias Haaf setzt sich in seiner Dissertation auch kritisch mit der katholischen Kirche in jener Zeit auseinander: "Etliche Katholiken missbilligten die Gewaltakte gegen Juden in der Reichskristallnacht - aber für ein offensives Eintreten gegen das NS-Regime in der so genannten Judenfrage fehlte die gemeinsame Glaubensidentität, wie es sie bei den Polen gab." Die Kirche habe im Großen und Ganzen "die Legitimation der Regierung Hitler niemals in Abrede gestellt", meint Haaf: "Da liegt gewissermaßen im traditionellen Obrigkeitsdenken der Katholiken."

    Ebenfalls nicht allzu ruhmreich hat sich die katholische Kirche - nicht nur in Unterfranken - in Sachen Weltkrieg verhalten, erklärt Tobias Haaf: "Man hat das moralische Dilemma des Angriffskrieges nicht erkannt und hat ihn dann nolens volens akzeptiert." Haafs Doktorarbeit wurde in der Reihe "Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg" veröffentlicht. Die Dissertation des 30-Jährigen wurde mit "summa cum laude" bewertet und bekam zudem den Preis der "Unterfränkischen Gedenkjahrstiftung für Wissenschaft 2005".

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