Der ganz in Schwarz gekleidete Mann stellt sich der Sprachlosigkeit; seine Stimme gleicht dabei einem ruhigen Fluss. Eine Gebrauchsanleitung für den richtigen Umgang mit der Trauer gäbe es nicht, sagt er. Der Tod reiße Wunden; man könne nicht einfach zur Normalität zurückkehren. Sie existiere nicht mehr. Trauer sei kein Zustand, der gleich bleibe. "Es ist ein Weg, der sich verändert. Er führt nicht ans Ende, er führt weiter, selbst wenn der Trauernde oft nicht weiß, wohin."
Der Referent weiß, worüber er redet, wenn er sagt "die Trauer tut weh, nicht aber die Beschäftigung mit ihr." Den Schmerz des alleine zurückbleiben Müssens hat er selbst erfahren; seine Lebenspartnerin ist 1999 an einem Krebsleiden gestorben. "Ein Trauernder braucht und erhofft Hilfe", betont Scheuring. Er hat sie beim Tod seiner Frau Heidrun erfahren: von seinen Eltern, der Familie, von Freunden. "Sie hielten meine Stimmungen aus. Ich hatte Glück im Unglück."
Über das Gesicht des 46-Jährigen huscht ein Lächeln. Einem Trauernden Ratschläge zu geben wie "Die Zeit heilt alle Wunden. Blick in die Zukunft!" seien falsch, sagt er. Sie machen die Trauernden oft wütend. "Ein trauernder Mensch wird allenfalls mit dem Verlust leben lernen. Und er hat das Recht zurückzublicken! Ein Toter bleibt Teil des Lebens." Trauer werde in der Öffentlichkeit oft als Belästigung empfunden.
Die Erwartungshaltung von außen: Tränen sind unerwünscht; sie gehören in die eigenen vier Wände oder auf den Friedhof. Der Leidende hat sich zusammenzureißen, er soll aktiv sein, sich ablenken. "Der Trauernde muss damit nicht nur einen schmerzlichen Verlust erfahren, sondern auch erkennen, dass die Öffentlichkeit ihn meidet, weil sie nicht mit Schmerz in Berührung kommen will."
Dabei brauche ein Trauernder gerade jetzt die Gegenwart vertrauter Menschen, jemand, der einen Teil der Last mitträgt. Menschen, die den Schmerz und die Angst aushalten und der Frage nach dem "Warum"? nicht ausweichen. "Es geht nicht um die Antwort auf die Frage, sondern um das Wissen, ich bin nicht alleine in meinem Schmerz." Eine Last mitzutragen, da zu sein, darin sieht Scheuring den wahren Beweis christlicher Nächstenliebe.
Sein Rat: Einem Trauernden sagen, dass er willkommen ist. Ihm eine Brücke bauen, die Sprachlosigkeit aufbrechen. Nicht mit Floskeln und leeren Phrasen, dafür hat der Verlassene ein sicheres Gespür, sondern mit einer stummen Umarmung, wenn Worte fehlen. Zur Beerdigung gehen und so ein Zeichen des Respekts und menschlicher Gemeinschaft setzen. Den Trauernden nicht zur Eile drängen; er muss seine Geschwindigkeit selbst bestimmen dürfen und seinen Weg alleine finden in einer ihm fremd gewordenen Welt. "Helfen Sie ihm, dass er zurückkommen kann!"
Zu schweigen - und sei es aus falschem Taktgefühl heraus - sei feige und ignorant. "Sprechen Sie mit dem Hinterbliebenen über gemeinsame Erlebnisse mit dem Verstorbenen. Tun Sie es nicht, lassen Sie auch den Toten ein zweites Mal sterben!" Sprechen bezeichnet Scheuring als hilfreich; ein Schmerz in Worte gefasst, verliere seine zerstörende Kraft. Den Kontakt zu dem Referent hat Uta Sinner, Mitglied im Hospizverein Würzburg und der Regionalgruppe Lohr/Gemünden, hergestellt. Die Einnahmen aus der VHS-Veranstaltung gehen Scheurings Willen entsprechend an das Brückenteam in der Palliativstation Würzburg.
Zur Person
Herbert Scheuring (45) studierte Germanistik und Geschichte und ist sei 1990 Redakteur bei der MAIN- POST. Sein Buch "Wege durch die Trauer" ist beim Echter-Verlag er- schienen.