Der Mainpegel an der Würzburger Kranenbastion gibt ein Gefühl für die Dimensionen: Als normal gilt hier eine Wasserhöhe zwischen 1,30 und 1,60 Meter. Ab einem Pegel von 3,40 Meter wird die Schifffahrt eingestellt. Und vor hundert Jahren? Da war der Main auf 7,60 Meter angeschwollen. Nur einmal seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1829 stand der Fluss mit 8,34 Meter noch höher – das war 1845.
Ein Blick in die Wetteraufzeichnungen verrät, wie es zu dem gewaltigen Hochwasser Anfang Februar 1909 kommen konnte. Tagelang hatte es geschneit. Am 19. Januar wird bei Temperaturen von minus 15 Grad von meterhohen Schneeverwehungen berichtet. Viele Ort in Deutschland sind von der Außenwelt abgeschnitten. Anfang Februar steigen die Temperaturen dann plötzlich an, es regnet und es kommt zu schweren Überschwemmungen. Binnen weniger Stunden verwandeln sich ruhige Flüsse in reißende Ströme und richten verheerende Schäden an. Dann wird es wieder kalt.
Auch in Würzburg hat das Naturereignis schlimme Folgen. In der überschwemmten Burkarderstraße fällt ein eineinhalbjähriges Kind von einer Stiege ins Wasser und ertrinkt. In dem von Roland Flade herausgegebenen Main-Post-Buch „Unser Würzburger Jahrhundert“ berichtet Marga Barabas aus der Familienchronik ihres Vaters über die Fluten: „Das Wasser stand in der Dom- und Augustinerstraße, in der Dettelbachergasse, in der Juliuspromenade fast bis zur Pleicher Schule, lief beinahe in die Pleicher Pfarrkirche hinein und bildete am Geologischen Institut einen großen See.“
Weiter erzählt sie von ihrem damals fünfjährigem Vater Franz, der zusammen mit einem Freund in letzter Sekunde aus einem überfluteten Keller gerettet werden konnte. Allein im Peterer- und Sanderviertel seien 85 Familien betroffen gewesen. Das Hochwasser sei so schnell gekommen, dass sie nicht einmal ihre Keller räumen konnten.
Wie Markus Reinhardt, Pressesprecher des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg erklärt, treten Hochwasser am Main meist im Winter auf. Regen verbindet sich mit Schneeschmelze, der gefrorene Boden blockiert das Versickern und erhöht den Abfluss. Dabei überflutete das in der Würzburger Geschichte schlimmste Hochwasser überhaupt, das so genannte Magdalenen-Hochwasser von 1342, das Land ausgerechnet im Sommer – ein Ausnahmefall und ein so genanntes HQ 1000: Das heißt, eine Wiederkehr ist statistisch nur alle 1000 Jahre wahrscheinlich.
Großes Hochwasser zu erwarten
Beim Hochwasser vom Februar 1909 handelte es sich laut Reinhardt um ein HQ 50. Die seit wenigen Wochen komplettierten neuen Schutzanlagen am Würzburger Main würden ein HQ 100 abhalten – also ein Hochwasser, wie es nur alle 100 Jahre vorkommt. Die Kennziffer errechnet sich nach dem Durchfluss am Pegel Würzburg. Beim HQ 100 sind das beachtliche 2000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde.
Solche Mainfluten wurden zuletzt 1845 gemessen. „Aus Sicht der Wasserwirtschaft ist also ein großes Hochwasser, ein HQ 100, schon längst zu erwarten“, meint Fachmann Reinhardt. Ein HQ 100 würde genau an die Oberkante des neuen Hochwasserschutzes am Würzburger Main heranreichen. Seit Jahrzehnten wird in Würzburg an den Schutzanlagen gearbeitet – schon mit dem Wiederaufbau nach der Zerstörung der Stadt 1945. Unter dem Eindruck neuerlicher Fluten beantragte man 1970 beim Freistaat den Bau eines Hochwasserschutzes für die Altstadt. Erst Ende vergangenen Jahres wurde die letzte Lücke zwischen Alter Mainbrücke und Reibeltgasse geschlossen. In den nächsten Jahren soll noch verbrauchte Substanz am Willy-Brandt-Kai und am Unteren Mainkai saniert werden. Auch die Binnenentwässerung ist völlig fertigzustellen. Mit dem Bauende rechnet das Wasserwirtschaftsamt 2013.
Daten und Fakten
Fachtagung zum Hochwasser Das historische Datum des großen Hochwassers vom Februar 1909 nimmt die Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft e.V. zum Anlass für eine Fachtagung „Geschichte und Gegenwart des Mains und seiner Hochwasser“ am 6./7. Februar in Würzburg. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Umweltministerium und dem Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg soll aufgezeigt werden, wie die Mainregion heute auf ein vergleichbares Hochwasser vorbereitet ist.