Zwei Bücher hat er bereits veröffentlicht. „Unentdeckt – Würzburger Stadtschreiber“ und „Nachbarn“. Aus letzterem, einem Band mit 25 Kurzgeschichten, trug Sebold auf Einladung der „Initiative Altes Rathaus Untereisenheim“ vor. Die gut 50 Zuhörer genossen die einstündige Lesung des schreibenden Polizisten, obgleich – wie Sebold in seinen einleitenden Worten feststellte – im proppenvollen historischen Rathaussaal eine „Bullenhitze“ herrschte.
In seinen Erzählungen wirft Sebold einen Blick hinter die Fassaden des Alltags – genau beobachtend, aber nicht voyeuristisch. „Ich habe schon als Junge sehr gerne gelesen, viel beobachtet und mir meine Gedanken darüber gemacht. Diese Gedanken wollte ich festhalten, deswegen schreibe ich“, sagt der gebürtige Haßfurter. Er schaut dabei den Leuten auf die Finger, in die Augen und in ihr Innenleben, bringt seine Leser – und Zuhörer – mal zum Nachdenken, mal zum Schmunzeln, regt immer ihre Fantasie an.
Er erzählt von der Straßenbahnfahrt einer jungen Studentin und davon, wie sie eine ihr gegenüber sitzende alte Frau studiert und sich darüber Gedanken macht, wohin sie wohl fährt. Vielleicht ist sie ja auf dem Weg zu ihrem Mann, „der auf dem Friedhof begraben liegt, am Ende der Stadt. Sie hatte ihn bestimmt geliebt. Verflucht ihn von Zeit zu Zeit, weil er vor ihr gegangen war“.
Dann liest Hobby-Kicker Sebold das „Nachspiel“, in dem ein Fußballspieler seine Mannschaft durch ein Eigentor in letzter Minute noch um den schon sicher geglaubten Aufstieg bringt: „Schlusspfiff. Eine Glocke aus Adrenalin und Entsetzen stülpte sich über sein Dasein. In Trance taumelte er in die Kabine. Beschimpfungen, dumpf in die Gehörgänge geschleudert.“ Stille im Raum, das sitzt.
Im Schweinehimmel
Locker und derb geht es bei der für Franken so typischen „Schlachtschüssel“ zu. Immer wieder ermuntern Sebolds Worte die Zuhörer zum Schmunzeln und Lachen. „Blitzschnell stechen kleine, scharfe Messer das Schwein ein zweites Mal tot. Zungenschnalzen und Schmatzen geleiten das Tier in den Schweinehimmel. (...) Immer schneller zirkuliert der Schnaps und entlässt lose Worte in die Runde. So machen Sauereien Spaß.“
Ganz anders ist die Stimmung bei der „Einsamkeit in der Neujahrsnacht“ eines alten Mannes. „Bitter sehnt er sich nach ein wenig Glück. (...) Was hatte er ihnen getan, dass sie ihn nicht lieben? Hatten sie ihn je geliebt?“ Nachdenkliche Blicke bei den Zuhörern.
Psychodelisch bis kafkaesk fährt Sebold im „apokalyptischen Aufzug“ nach oben. Im fünften Stock spielen in weiße Anzüge gekleidete Wärter „Golf mit abgetrennten Körperteilen“ und „schillernde Augäpfel kullern über Fliesen“. Im sechsten Stock töten „Kinder mit kahl geschorenen Köpfen einen Arzt mit Spritzen“. Harter Tobak!
Amüsantes zum Abschluss
Dem folgt zum Abschluss eher Amüsantes: Sebolds Gedanken, nachdem er in der Zeitung die Meldung gelesen hatte, dass ein Mann im Aquarium ertrunken war. Obwohl auch in seinem „Aquarium“ ein Mann ums Leben kommt, traurig macht das niemanden im Rathaussaal. Der Autor hat den tödlichen Unfall so geschickt in ein Geflecht aus Sprachfehler, Ehe-Langeweile und Hausordnung im Mehrfamilienhaus eingewoben, dass dem Zuhörer trotz des Unglücks ausschließlich zum Schmunzeln zumute ist.
Langer Beifall für den schreibenden Polizisten – trotz Bullenhitze.
„Nachbarn“ erschien im April in Eigenregie bei Books on Demand und ist im Buchhandel oder online, z.B. Amazon oder Libri, für 8,90 Euro erhältlich. ISBN: 978-3839167892.