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GNODSTADT: Madonna auf Odyssee

GNODSTADT

Madonna auf Odyssee

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    Im Dunkel des Mittelalters entstand die Madonna von Gnodstadt. Im Dunkel der Neuzeit verschwand sie, kam auf geheimnisvollem Weg nach Düsseldorf.

    Eine rätselhafte Odyssee hat die Madonna mit dem Jesuskind hinter sich, die von Gnodstadt ins ferne Düsseldorf wanderte. Ihre verschlungene Geschichte über vermutlich rund sechs Jahrhunderte zeichnet Kreisheimatpfleger Hans Bauer nach:

    Der Marktbreiter Ortsteil Gnodstadt war im Laufe seiner langen Geschichte mehreren Herren untertan. Im hohen Mittelalter war es das Würzburger Stift Haug, das die Zinsvogtei über seine Güter in Gnodstadt ausübte. 1308 ist ein Stifthauger Vikar namens Ludwig als erster Pfarrer urkundlich fassbar.

    In dieser Zeit muss die Gnodstadter Kirche eine Marienwallfahrt besessen haben. Schriftliche Nachweise gibt es nicht, wohl aber die mündliche Überlieferung. Rückschlüsse lassen sich aus der Tatsache ableiten, dass einst drei der fünf Glocken der Muttergottes geweiht waren, dass es in der Kirche einen Marienaltar gab – 1477 gestiftet, später verloren – und sich an der Westseite der Kirche eine steinerne Außenkanzel befand, von der aus der Prediger eine größere Zahl von Pilgern im Freien erreichen konnte; die Kanzel wurde erst 1844 entfernt.

    Auf dem Dachboden verschwunden

    Mittelpunkt des Marienaltars war das Gnadenbild: eine Madonna mit dem Jesuskind auf dem Arm, eine spätgotische, holzgeschnitzte und farbig gefasste Figur. Als 1528 Gnodstadt, inzwischen im ansbachischen Machtbereich, protestantisch wurde, versiegte die Marienwallfahrt. Es ist zu vermuten, dass das Gnadenbild bei der Entfernung des Marienaltars auf dem Dachboden verschwand und vergessen wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde sie aus ihrem Dornröschendasein geweckt.

    Aus unbekannten Gründen entdeckte der katholische Pfarrer Dr. Michael Wieland aus Würzburg die Madonnenfigur in Gnodstadt. Offenkundig war der Priester von deren Anmut so gefangen, dass er sie kaufte. Wieland nahm „seine“ Madonna zu sich und später mit nach Hofheim in die Hassberge, wo sie – wie ein Zeitzeuge berichtete – „die ehrwürdige Zier seines Benefiziatenhauses“ war.

    Nach seinem Tod fiel die Madonna im Erbgut an den Würzburger Buchhändler Valentin Bauch, der sie in seinem Laden zum Verkauf anbot. Im Sommer 1915 verkaufte er das Kunstwerk für 3000 Mark an das Dominikanerkloster Düsseldorf.

    Es ist völlig unklar, wie ein Kloster aus dem fernen Düsseldorf auf die Madonna im Schaufenster einer Würzburger Buchhandlung aufmerksam wurde und sich gedrängt fühlte, diese zu erwerben. Jedenfalls befindet sich das Gnadenbild seit rund 100 Jahren im Dominikanerkloster St. Josef in Düsseldorf. Es wurde dort zunächst – für die Öffentlichkeit nicht zugänglich – im Kapitelsaal aufgestellt. Doch seit dem Juli 2010 ist die Madonna in der benachbarten Hofkirche St. Andreas im Vorraum der Sakristei ausgestellt.

    Vor wenigen Tagen machte sich Kreisheimatpfleger Bauer auf den Weg nach Düsseldorf, um die Gnodstadter Madonna „aus der Nähe und mit allen heimatpflegerischen Sinnen in Augenschein zu nehmen“.   Die Reise habe sich gelohnt, denn die Madonna von Gnodstadt „ist größter Bewunderung wert“:

    Die Madonna mit Jesuskind ist 101 Zentimeter hoch, aus Holz geschnitzt und farbig gefasst, auf der Rückseite hohl. Maria trägt eine goldene Krone und ein goldenes Kleid, darüber einen elfenbeinfarbenen Mantel, der innen blau gefärbt ist und sich in Falten über ihre Arme legt und die Füße bedeckt. Eine blaue Randborte läuft um die Oberseite des Mantels und trägt auf zwei Seiten die Inschrift: „REGINA PACIS ORA PRO NOBIS“ – „Königin des Friedens, bitte für uns“. In der rechten Hand hält Maria eine goldene Birne, Symbol der Fruchtbarkeit und der Reinheit. Das Jesuskind – sein Kopf ist von gekräuselter Lockenpracht bedeckt - ist nur mit einem Lendenschurz bekleidet, sitzt auf dem linken Arm der Mutter und hebt segnend die Rechte.

    Beide Figuren haben große wasserblaue Augen und dadurch eine überaus lebendige Ausstrahlung. Beider Mund umspielt ein verstecktes, kaum wahrnehmbares, verschmitztes Lächeln. Die Haut ist von vornehmer, elfenbeinfarbener Blässe, die Wangen sind leicht gerötet. Das Antlitz der Maria, von dunklen, rotbraunen Haaren umspielt, ist von zeitloser Schönheit und Anmut.

    „ . . . eine fähige Hand am Werk . . .“

    Der Schluss liegt für den Kreisheimatpfleger nahe, die Entstehung der Madonna von Gnodstadt in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zu datieren – in jene Jahre, da der Marienaltar und die Frühmessstiftung entstanden und Nikolaus Riemenschneider, der Onkel des bekannten Würzburger Bildschnitzers Tilman Riemenschneider, Pfarrer in Gnodstadt war. Welcher Künstler die Madonna schuf – „es muss eine fähige Hand am Werk gewesen sein“ – ist nicht bekannt.

    Sicher nur: Pater Elias, der Bibliothekar des Dominikanerklosters und alle, mit denen man spricht, reden mit Ehrfurcht und Stolz von „ihrer“ Madonna. Verwundert reagieren sie, wenn man ihnen von der Herkunft aus Franken berichtet und von den merkwürdigen Wegen, die sie durchlaufen hat. Und es ist keine Frage, dass die Madonna heute ein unschätzbar Vielfaches ihres Kaufpreises von 3000 Mark wert ist.

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