Das Raumordnungsverfahren (ROV) für die umstrittene Autobahn-Westumgehung (B 26n) beginnt am heutigen Montag. Der Würzburger Rechtsanwalt Johannes Bohl mahnt Kommunen und Verbände, sie sollten sich unbedingt beteiligen.
Frage: Da planen die Behörden zehn Jahre, und dann stellen sie die Frage, ob die Autobahn in der Form ,raumverträglich' ist. Klingt das nicht merkwürdig, Herr Bohl?
Johannes Bohl: Na ja, das ist der übliche Ablauf in einem gestuften Planungsverfahren. Erst gibt es eine informelle Phase, in der politische Weichenstellungen stattfinden, dann die Bedarfsplanung des Bundes. Erst wenn man sich auf einen grundsätzlichen Trassenverlauf geeinigt hat, geht es in die formellen Planungsphasen. Erster Schritt ist das ROV.
Die Frage nach dem Bedarf stellt sich also jetzt nicht mehr?
Bohl: So ist es. Der Bundestag hat ja beschlossen, dass die B 26n gebaut werden soll. Das wird nur noch hinterfragt, wenn sich die Rahmenbedingungen völlig verändern. Etwa wenn es kein Benzin mehr gibt oder der Staat kein Geld mehr hat.
Erläutern Sie bitte den Sinn des ROV für Nichtjuristen.
Bohl (lacht und zögert): Das Verfahren dient dazu, zunächst ohne Berücksichtigung privater Interessen und bestimmter Detailfragen Entscheidungen zu treffen, die dann für weitere Verfahrensschritte verbindlich sind. Man muss sich die Planung von Fernstraßen wie eine Art Trichter vorstellen. An Anfang stehen Überlegungen, was man wann und wie machen könnte. Im weiteren Verlauf verengt sich das immer mehr. Am Ende steht das Planfeststellungsverfahren, erst hier kann der einzelne Bürger eine rechtliche Überprüfung der Planung verlangen.
Was vorher diskutiert wird, ist der rechtlichen Überprüfung entzogen.
Bohl: Richtig. Kritisch betrachtet, nutzen die Verwaltungen diese Struktur, um den Angriff gegen die von ihnen favorisierten Planungsvarianten zu erschweren.
Und aus Sicht der Verwaltung . . .
Bohl: . . . sind solche Strukturen notwendig, um ein solch komplexes Verfahren überhaupt durchziehen zu können.
Beim ROV bleibt der Bürger also außen vor?
Bohl: Geprüft wird die Einpassung der Trasse in den gesamten Raum unter überörtlichen Aspekten wie etwa dem Naturschutz. Detailfragen der Bürger, beispielsweise die Lärmbelastung eines konkreten Grundstücks, spielen hier keine Rolle. Allerdings können Privatpersonen durchaus rügen, wenn ihre Interessen tangiert sind und diese überörtliche Bedeutung haben, wie zum Beispiel der Abbau von Rohstoffen.
Womit endet das ROV?
Bohl: Mit der landesplanerischen Beurteilung. Die fließt in das Planfeststellungsverfahren ein.
Die Regierung von Unterfranken bietet nach Ende des schriftlichen Verfahrens ein Bürgergespräch an, an dem sich die Bürgerinitiativen beteiligen sollen. Verpflichtend ist der Dialog ja nicht?
Bohl: Nein, es gibt dafür aber gute Gründe. Erstens haben die Initiativen nicht nur einzelne Bürger um sich geschart, sondern mehr oder weniger Kommunen. Sie können also auch überörtliche Aspekte in die Diskussion einbringen. Zweitens ist seit Stuttgart 21 in der Verwaltung eine gewisse Neigung zur Transparenz zu erkennen. Man versucht auf diese Weise, das Verfahren nachvollziehbarer zu machen.
Warum soll ein Bürgermeister denn überhaupt im ROV Stellung nehmen? Er könnte doch sagen: Die vom Amt machen sowieso, was sie wollen.
Bohl: Es kann noch lange dauern, bis die Bagger rollen. Will eine Gemeinde eine künftige Veränderung der Rahmenbedingungen in ihrem Sinne nutzen, muss sie jetzt im ROV auf ihre Belange hinweisen, auf die die Planer Rücksicht nehmen sollen.
Was kann man denn falsch machen als Beteiligter im ROV?
Bohl: Der größte Fehler wäre es, sich gar nicht zu äußern. In diesem Fall riskiert man, dass die Planer Interessen ignorieren. Dann sollte die Beteiligung in qualifizierter Form stattfinden. Eine Stellungnahme, die lediglich lautet, man sei für oder gegen die B 26n, ist legitim, im ROV aber völlig wirkungslos. Die Kommune sollte sich genau überlegen, welche Nachteile ihr entstehen können, sollte die Straße tatsächlich gebaut werden. Nachteile für Biotope zum Beispiel, die Gefährdung einer Naherholungsfunktion oder der gemeindlichen Bauleitplanung.
Das Landesentwicklungsprogramm (LEP) sagt, Landschaftsräume sollten nicht zerschnitten, sondern erhalten werden. Das klingt in Bezug auf eine Autobahn wie: Wasch mich mal, aber mach mich nicht nass.
Bohl (grinst): So könnte man das gesamte LEP betiteln. Das Programm ist zunächst einmal ein politisches Instrument, da stehen viele Ziele drin, die zwar rechtsverbindlich, aber in sich widersprüchlich sind.
Die Landschaft soll erhalten werden, aber die Osterweiterung der EU erfordert einen zügigen Ausbau des Fernstraßennetzes, explizit den Bau der B 26n.
Bohl: Das ist ja das Spannende am ROV, dass es eben auch dazu dient, den Konflikt zu lösen, der durch teilweise widersprüchlichen Zielvorgaben des LEP entstanden ist. Die B 26n steht zwar als Ziel im LEP, es steht aber nicht drin, wo sie konkret verlaufen soll.
Am Ende des ROV steht also die landesplanerische Beurteilung. Können Sie sich vorstellen, dass sie wie folgt lautet: Die Autobahn ist nicht raumverträglich, weil sie zig Hektar Land verbraucht, wertvolle Natur zerstört, zusätzlichen Lärm und Dreck nach Unterfranken bringt, das Maintal optisch ruiniert, also die Lebensbedingungen für viele Menschen verschlechtert?
Bohl: Rein theoretisch vorstellen kann ich mir das schon. Praktisch allerdings nicht. Aus Erfahrung erwarte ich eine positive landesplanerische Beurteilung, unter einer mehr oder weniger großen Zahl von Bedingungen.
Kennen Sie ROV für Straßen, die eine entscheidende Veränderung der Trassenführung zur Folge hatten?
Bohl: Ich kenne Verfahren, bei denen man noch mal in den vorherigen, informellen Planungsabschnitt zurücktrat. Aber es ist lebensfremd, dass ein politisch gewolltes Projekt wie die B 26n im Stadium des ROV gestoppt wird.
Wie lange dauert eigentlich ein ROV?
Bohl: Nach dem Gesetz höchstens sechs Monate, die Dauer orientiert sich aber an der Gesamtlage. Im Verfahren zur B 26n erwarte ich, dass die sechs Monate deutlich überschritten werden.
Was glauben Sie, wann könnten die Bagger rollen, mögliche Verzögerungen durch Klagen gegen die Planfeststellung eingeschlossen?
Bohl (überlegt lange): Da muss man berücksichtigen, dass die Strecke von Karlstadt bis zur Anschlussstelle Helmstadt „im weiteren Bedarf“ ist, also nicht so dringlich ist. Für den im Bundesverkehrswegeplan als „vordringlich“ eingestuften Teil der Strecke vom Autobahndreieck Schweinfurt/Werneck bis Karlstadt kann ich mir vorstellen, dass es schon 2013 Baurecht gibt. Für sehr wahrscheinlich halte ich das allerdings nicht.
Raumordnungsverfahren
Heute, Montag, 14. Februar, leitet die Regierung von Unterfranken auf Antrag des Staatlichen Bauamtes Würzburg das Raumordnungsverfahren (ROV) für den beabsichtigten Neubau der B 26n ein. Die Unterlagen sind ab sofort auf der Internetseite der Regierung von Unterfranken unter www.regierung.unterfranken.bayern.de (Startseite „besondere Themen“) einzusehen. Im Raumordnungsverfahren beteiligt werden die öffentlichen Stellen, die sonstigen Planungsträger, die nach Naturschutzrecht in Bayern anerkannten Vereine sowie die Wirtschafts- und Sozialverbände, soweit sie von dem Vorhaben betroffen sind. Beteiligt werden rund 60 Kommunen. Dort liegen die Unterlagen einen Monat lang für die Öffentlichkeit aus, voraussichtlich im März. Die Regierung beabsichtigt nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens ein Bürgergespräch mit Vertretern der Bürgerinitiativen und der Verfahrensbeteiligten. Der Dialog soll für bestmögliche Transparenz sorgen.