Die Patenschaft der Stadt mit den aus der Region Trautenau (heute Trutnov) vertriebenen Deutschen besteht heuer seit 55 Jahren. Aus diesem Anlass gibt es vom 26. Mai bis 10. Juni eine Ausstellung im Rathaus, zu der auch Mädchen des St. Ursula-Gymnasiums mit Zeitzeugeninterviews beitragen. Beteiligt sind auch die soziokulturelle Reihe „Wegmarken“ des Mainfranken Theaters, die Ackermann-Gemeinde der Diözese sowie der Verein Riesengebirgler Heimatkreis Trautenau.
„Im Mittelpunkt des Projekts stehen nicht die Themen Flucht und Vertreibung, sondern wie beispielsweise die aus dem Sudetenland stammenden Bürger hier Fuß gefasst haben“, erklärte Alexander Jansen, Leiter der Reihe „Wegmarken“. Unter die Lupe werden auch die Erfahrungen von in Trutnov gebliebenen Deutschen genommen. Einen wesentlichen Aspekt bilde ebenfalls die Beschäftigung von Jugendlichen mit diesem sensiblen Teil der Geschichte.
Die Schülerinnen des Kurses „Sozialwissenschaftliche Arbeitsfelder“ der 11. Jahrgangsstufe des St. Ursula-Gymnasiums bereiteten sich intensiv auf ihre Gespräche mit den Zeitzeugen aus der Region Trutnov vor, informierte Kursleiter Harald Retsch.
Fragenkatalog
Nach einem Vortrag von Prof. Matthias Stickler von der Universität erarbeiteten sie einen Fragenkatalog. Diese Liste wurde in tschechisch übersetzt, Schüler des Gymnasiums Trutnov stellen also den in ihrer Heimat gebliebenen Sudetendeutschen dieselben Fragen. Alle Ergebnisse fließen in die geplante Ausstellung mit ein. Im Herbst wird darüber auch eine Broschüre veröffentlicht.
Die Schülerin Judith Hammelmann führte mit Winfried Kreutzer ein ausführliches Interview. Der 71-Jährige schilderte unter anderem die Situation in seinem Heimatort Oberalbstadt bei Trautenau bis zur Flucht am 24. September 1945. Bevor seine Eltern, sein jüngerer Bruder und er ausgewiesen und abtransportiert werden konnten, flüchtete die Familie mit dem Zug über Teplice und Eger bis zur bayerischen Grenze.
Mit einem „regulären Grenzgänger“ kam die Familie „an einem nebligen Morgen durch den Wald“ in den Freistaat. Nach Aufenthalten in Auffanglagern in Bayreuth und Bamberg gelangte man im März 1946 nach Thüngfeld bei Schlüsselfeld.
„Wir hatten Glück und wurden in einem Nebengebäude auf einem Bauernhof untergebracht und gut versorgt“, erinnerte sich Kreutzer. Sein Vater erhielt eine Stelle als Buchhalter und pendelte jeden Tag mit dem Zug in die Nähe von Bamberg: „Bis zu seinem Tod im Jahr 1972 redeten meine Eltern oft über ihr Leben in Trautenau.“
Während sein Vater ziemlich verbittert war, „weil er hier nie mehr Boden unter die Füße bekam“, gelang es seiner Mutter, sich langsam einzuleben.
1950 zog die Familie nach Höchstadt/Aisch, wo sie es im Lauf der Zeit aufgrund ihrer Sparsamkeit schaffte, ein Haus zu bauen. Winfried Kreutzer absolvierte in Forchheim das Gymnasium und studierte dann in Erlangen Romanistik. Daraufhin zog er nach Würzburg. „Wir wurden gut aufgenommen, andere Flüchtlinge und Vertriebene hatten nicht soviel Glück wie wir“, lautete sein Fazit.