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UETTINGEN: Vom Hofpagen zum Pionier der Fliegerei

UETTINGEN

Vom Hofpagen zum Pionier der Fliegerei

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    Erinnerung an den Flugpionier: Luitpold Graf Wolfskeel mit einem Zeitungsausschnitt, in dem schon einmal über seinen berühmten Großvater berichtet wurde.
    Erinnerung an den Flugpionier: Luitpold Graf Wolfskeel mit einem Zeitungsausschnitt, in dem schon einmal über seinen berühmten Großvater berichtet wurde. Foto: Foto: Theresa Müller

    Es heißt, Graf Zeppelin persönlich brachte Luitpold Graf Wolffskeel von Reichenberg zu Uettingen zur Fliegerei. Als „Rittmeister der Lüfte“ ging er in die Pioniergeschichte der bayerischen Luftfahrt ein. Seine Pilotenlizenz, die er vor 100 Jahren erwarb, am 6. Juli 1911, hatte die Nr. 93 für ganz Deutschland, in Bayern erhielt er das Militärflugzeugführerpatent Nr. 1.

    Ältere Uettinger erinnern sich noch gut an Luitpold Graf Wolffskeel, den Großvater des derzeitigen Schlossherren. Im Dorf war er als passionierter Reiter und Jäger sowie als guter Schütze bekannt. Als streng, aber charmant, als leutselig und zugleich Respekt einflößend beschreibt ihn sein Enkel, der ebenfalls den Vornamen Luitpold trägt. Dass er ein Pionier der Fliegerei und der erste bayerische Fliegeroffizier gewesen ist, wissen die wenigsten. Denn seine militärische Karriere begann in München, seiner Geburtsstadt.

    Am 20. Januar 1879 wurde Luitpold in München geboren. Sein Patenonkel war kein geringerer als Prinzregent Luitpold von Bayern, in dessen Diensten Luitpolds Vater, Graf Karl als enger Vertrauter und Obersthofstallmeister stand. Der kleine Luitpold verbrachte die Oberstufe seiner Gymnasialzeit gemeinsam mit seinem Bruder Eberhard als königlicher Edelknabe an der Hofpagerie in München.

    „Das war einerseits eine hohe Auszeichnung“, erzählt sein Enkel. „Aber es bedeutete auch strenge Zucht und hartes Training.“ Neben der Schulausbildung lernten die jungen Männer Reiten und Fechten, sie mussten bei Festlichkeiten am Hof die Ehrengäste bedienen, und auch eine Bildungsreise auf den Spuren Goethes durch Italien gehörte zur Ausbildung.

    Nach Ablegen der Reifeprüfung zog es Luitpold 1897 als Fähnrich ins 1. Schwere-Reiter-Reiterregiment. 1911 wechselte er, Oberleutnant geworden, halb aus Neugier, halb aus Abenteuerlust zur Fliegerei. Beim Luftfahrtpionier August Euler in Darmstadt-Griesheim wurde er zum Flugzeugführer ausgebildet.

    „Das kam so“, berichtet Luitpold aus Familienerzählungen der Wolffskeels. „Für die königliche Familie wurde eine Flugschau organisiert, zu der auch mein Großvater eingeladen war. Graf Zeppelin hörte, wie Luitpold zu einem Kameraden sagte, dass ihn die Fliegerei auch reizen würde. Daraufhin vermittelte Graf Zeppelin den Kontakt zu August Euler. Aber auch General Karl Ritter von Brug muss viel von meinem Großvater gehalten haben, denn er bestätigte ihm, 'reif für Euler' zu sein, und das kam einem Ritterschlag gleich.“

    „Das Flugzeug muss auch nach der Landung flugfähig bleiben.“

    Bedingung für Erteilung der Fluglizenz

    In Eulers Flugschule wurde Luitpold gemeinsam mit Prinz Heinrich von Preußen, dem Bruder des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., zum Piloten ausgebildet. Am 6. Juli 1911 konnte er seine Fluglizenz mit der Nummer 93 in ganz Deutschland und zugleich das erste bayerische Militärflugzeugführerpatent entgegennehmen. Auch ein weiterer Würzburger, Leutnant Wilhelm Wirth, nahm gleichzeitig mit Wolffskeel an der Ausbildung teil und erhielt den Flugschein Nr. 92.

    Die Prüfungsbestimmungen sahen zwei Flüge von je fünf Kilometern Länge ohne Berührung des Bodens vor. Ein Höhenflug musste mit einer Mindesthöhe von 50 Metern über dem Gelände absolviert werden. Und: „Das Flugzeug muss auch nach der Landung flugfähig bleiben“, hieß es.

    Wie viel Courage und Tapferkeit in den Pionieren stecken musste, lässt die Bauweise der Doppeldecker erahnen. Sein Enkel meint: „Angesichts der unsicheren Rumpelkisten gehörte schon eine Menge Mut dazu, sich in die Lüfte zu erheben. Ich bin stolz darauf, dass mein Großvater zu den ersten Fliegern gehörte und damit die technische Entwicklung auf diesem Gebiet mit vorangebracht hat.“

    Die technische Leistung der Doppeldecker mutet heute eher bescheiden an: Ein Motor hatte eine Gebrauchsdauer von 500 Stunden, die Motoren waren im Schnitt 40 bis 50 Pferdestärken stark. Um eine Flughöhe von 100 Metern zu erreichen, brauchten die Flieger zehn Minuten.

    Mit seinem Militärflugzeugführerpatent wurde Graf Wolffskeel in den Rang eines „Rittmeisters der Lüfte“ befördert und erhielt ab März 1912 von General Karl Ritter von Brug den Auftrag, die bayerische Luftwaffe aufzubauen. Das Gelände befand sich in München-Oberwiesenfeld, die neue Fliegerkompanie, das 1. Königlich Bayerische Fliegerbataillon, wurde in Schleißheim stationiert.

    Das Fliegerbataillon unter dem Kommando Wolffskeels umfasste 1912 zunächst 15 Mann, wurde aber bis zur Mobilmachung im Herbst 1914 auf 300 Offiziere und Mannschaften und rund 100 Flugzeuge aufgestockt. Wolffskeel selbst war Aufklärungsflieger, der mit Luftaufnahmen feindliche Stellungen erkundete. Oft hatte er auch Mitglieder der königlichen Familie an Bord.

    Weil es mit den Otto-Doppeldeckern häufig zu schweren Unfällen kam, wurde Graf Wolffskeel von General Brug beauftragt, sich in Berlin die Rumpler-Taube und die Albatros-Doppeltaube als Alternativen anzusehen. Überzeugt von den Qualitäten der Eindecker-Bauweise beschaffte Graf Wolffskeel 1913 neun Albatros, Etrich und Rumpler zum Durchschnittspreis von 22 000 Mark für die bayerischen Fliegertruppen.

    Eine Familienanekdote berichtet von den Unwägbarkeiten der frühen Fliegerei. Von 1911 bis 1914 wurden am Oberrhein Zuverlässigkeitswettbewerbe für deutsche Flugzeuge ausgetragen. Aus einem dieser oft mit Todesopfern verbundenen Mehr-Etappen-Flüge ging 1912 Luitpold Graf Wolffskeel als Sieger hervor.

    Der Flug ging von München nach Worms, und den gewann Luitpold, obwohl er schon wegen Benzinmangels aufgegeben hatte und gelandet war. Er legte sich auf eine Wiese und döste vor sich hin. Eine alte Frau sah das Flugzeug, hielt den Piloten für tot und legte ein Tuch über sein Gesicht, dabei ein Gebet sprechend. Das weckte die Lebensgeister Luitpolds wieder, er besorgte sich Benzin, startete und flog weiter ins Ziel.

    Sein Enkel meint: „Die damaligen Piloten kann man getrost mit den Astronauten unserer Zeit vergleichen. Wie aufregend die Fliegerei war, zeigt die Tatsache, dass zum Start des ersten Zuverlässigkeitsfluges 20 000 Schulkinder gekommen waren. Manche Menschen hatten ja noch nie zuvor ein Flugzeug gesehen.“

    Erst nach seinem Abschied vom Militär 1919 zog Graf Luitpold ins Familienschloss in Uettingen. „Hier hat er sich nie mehr mit der Fliegerei beschäftigt“, erinnert sich sein Enkel, der beim Tod des Großvaters acht Jahre alt war. Graf Luitpold heiratete Sophie, geb. Freiin von Guttenberg-Steinhausen. Die beiden hatten drei Kinder, Ott, der das Uettinger Schloss übernahm, Emma Sophie, die die Reichenberger als „Gräfin Effi“ kannten und Hertha Marie, die in Österreich verheiratet war. Als Zivilist bewirtschaftete Luitpold die eigenen Güter in Uettingen. Nachdem seine Frau Sophie 1947 gestorben war, lebte er bis zu seinem Tod 1964 sehr zurückgezogen im Schloss. Heute bewohnt Luitpold Graf Wolffskeel, der Enkel des Fliegerpioniers, mit seiner Familie das Schloss in Uettingen.

    Nur ein weiterer Wolffskeel folgte der Fliegerleidenschaft: Hans Karl, aufgewachsen auf Schloss Reichenberg, war Fliegeroffizier mit vielen Einsätzen an den Weltkriegsfronten. Als Jagdflieger wurde er in der Nähe Verduns 1918 abgeschossen. Im Mai 1920 wurde die bayerische Fliegertruppe infolge des Versailler Vertrages offiziell aufgelöst.

    Die Wolffskeels

    Die Familie Wolffskeel gehört dem fränkischen Uradel an. In der über 800-jährigen Familiengeschichte stellten sie unter anderem Fürstbischöfe, Domherren und Festungskommandanten in Würzburg. Im Zuge der Reformation trat die Familie zum evangelischen Glauben über. Zahlreiche protestantische Kirchenbauten stehen noch heute in dem ehemaligen Wolffskeel-Ländle. Durch die Gegenreformation begünstig sahen die Wolffskeels ihre Zukunft an Fürstenhöfen außerhalb Würzburgs und übernahmen auch dort hohe militärische oder diplomatische Dienste. So war beispielsweise Freiherr Christoph Wolfskeel Kanzler des Herzogtums Sachsen-Weimar zur Zeit Goethes und Freiin Henriette Wolfskeel hatte als Hofdame der Herzogin Anna Amalia viel Kontakt zu Goethe.

    Ritter Eberhard v. Wolfskeel kam 1376 in Besitz der Feste Reichenberg, welche fortan der Stammsitz der Familie wurde. Im Jahre 1625 wurden die Besitzungen durch die Ortschaft Uettingen erweitert.

    Aus der Uettinger Linie entwickelte sich der gräfliche Zweig der Familie, welcher 1901 durch Karl Wolffskeel begründet wurde, der von Prinzregent Luitpold in den erblichen Grafenstand erhoben wurde. Die Standeserhöhung wird seitdem auch durch ein zweites „f“ im Namen angedeutet. Das heutige Schloss in Uettingen wurde 1818 als spätklassizistischer Bau durch Freiherr Franz Wolfskeel errichtet.

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