Auf eine tausendjährige Geschichte blickt der Erbachshof in Eisingen. Und hat dabei manche Wandlung vollzogen. So war das Gutshaus beispielsweise, was viele nicht mehr wissen, von 1955 bis 1972 ein feudales Hotel. Sogar ein Bundespräsident hat dort logiert. Spuren dieser Zeit kann man vereinzelt noch finden.
Heute beherbergt das historische Gebäude Kunst und Wohnungen. So hat das Künstlerehepaar Motron A. Havelka und Elke Ungerbühler-Havelka seit April 2008 in den Räumen des Erbachshofes sein Atelier. Und seit ihrem Einzug sammelt das Ehepaar Geschichten zur historischen Entwicklung des Hofes. Im Rahmen des Kulturherbstes des Landkreises Würzburg erhalten viele Eisinger und Höchberger Bürger jetzt dank einer Ausstellung erstmals Gelegenheit, den Park und das Haus von innen besichtigen zu können. „Wir waren überwältigt von dem Interesse der Menschen an diesem Ort“, berichtet Elke Ungerbühler-Havelka.
Frack und Zylinder
Es war Baron Theodor von Guérard Senior der den Erbachshof 1931 kaufte. Der Baron besaß große Plantagen in Indonesien (Theodor von Guérard war nicht verwandt oder verschwägert mit dem gleichnamigen Verkehrsminister der Reichsregierung von 1928). Ende 1954 dann kam sein Sohn Theo Ernst Adalbert von Guérard auf das Gut. Da die Familie nicht in dem großen Haus leben wollte, hatte Guérard die Idee, das Gebäude in ein exklusives Hotel-Restaurant umzubauen.
Der Traum von einem Feudal-Hotel – heute würde man von einem Fünf-Sterne-Haus sprechen – erfüllte sich für den Baron mit der Eröffnung am 5. April 1955. Im Erdgeschoss entstand ein großer und kleiner Salon, zwei Speisezimmer, ein Konferenzraum, ein Wintergarten an den sich eine Terrasse anschließt sowie eine moderne Küche. Im ersten Stock gab es 15 Zweibett- und Einbettzimmer mit Bad und Telefonanschluss.
Von ihrer Aufteilung her sind die Räume noch wie zu Zeiten des Hotels. Die damalige Küche beherbergt heute beispielsweise das Atelier der Havelka-Ungerbühlers.
Hochkarätige Gäste
Vor allem in den Jahren von 1955 bis 1965 war des Hotel überregional bekannt und bei Politikern beliebt. Dem Ehepaar Havelka-Ungerbühler wurde von Zeitzeugen berichtet, dass zahlreiche noble Autos vor dem Gebäude parkten. Und die Bediensteten empfingen die Gäste elegant in Frack und Zylinder. Sogar der erste Bundespräsident Deutschlands, Theodor Heus, war eine Woche lang Gast im Hotel. Es ist überliefert, dass der prominente Besuch die Post in Eisingen durch die vielen Telegramme in Aufruhr versetzte.
In einem Wirtshausführer der damaligen Zeit kann man nachlesen, dass viele indonesische Einflüsse das Haus prägten, wie Statuen von Gottheiten, behängt mit Gebetsketten und Blumen. „Die Gastzimmer sind groß, hell und luftig, und, da es in der Nähe keinerlei Verkehr gibt, still. Ein großer, schöner Park steht den Gästen zur Verfügung,“ schreibt Bernd Boehle 1962 in seinem Buch „Bei einem Wirt zu Gast“. Auch die Küche war laut Boehle fremdländisch und exotisch. Er empfahl den Erbachshof als besonders Erlebnis, da es wie in einem großen und reichen Herrenhaus zuging. Die Gastgeber werden von dem Autor als Menschen beschrieben, die die weite Welt kennen.
Die Exklusivität des Hauses stellte wohl ein Problem dar, fand das Künstlerpaar Havelka-Ungerbühlers bei ihrer Recherche zur Geschichte des Erbachshofes heraus. Die ländliche Bevölkerung war als Gast nicht unbedingt im Erbachshof willkommen. „Einige Besucher erzählen, wie sie sich einmal, einen für ihre Verhältnisse unglaublich teuren Kaffee im Erbachshof geleistet haben, um die Atmosphäre des Hauses erleben zu können“, sagt Elke Ungerbühler-Havelka.
Anfang der sechziger Jahre erweiterte und modernisierte Guérard den Erbachshof. Der Kartoffelkeller im Souterrain wurde ausgelagert und in einen großen Gastraum umgebaut. Hier entstand die Jagdschenke, die vor allem für Wander- und Ausflugsgäste, sowie für Tagungen und Vereinszusammenkünfte gedacht war. Nach Süden wurde das 60 Zentimeter dicke Mauerwerk durch Fenster in Richtung des Parks geöffnet. Daneben wurde ein kleinerer Raum eingerichtet, die Jägerstube. Hier konnte sich auch die ländliche Bevölkerung als Gast wohlfühlen.
Das Ehepaar Havelka-Ungerbühler hat die urig eingerichtet Stube bei ihrer ersten Besichtigung der Räumlichkeiten noch gesehen. Durch den Umbau des Vermieters sind dann aber die Zeugnisse der Hotelzeit aus dem Gebäude entfernt worden. Heute erinnert nur noch ein altes Blechschild an der Terrasse und zwei Keilerköpfe aus Stein vor dem Kellereingang an die Jägerstube.
Der Baron hat den Umbau wohl auch mit Gedanken an den damals anstehenden Bau der Autobahntrasse in der Nähe des Erbachs-hofes durchgeführt. Über die weitere Geschichte des Betriebes ist nicht so viel bekannt. Die Havelka-Ungerbühlers haben jedoch gehört, dass es dem Hotel wirtschaftlich Ende der sechziger Jahre nicht mehr gut ging. Gesichert ist, das der westliche Teil der Hofgebäude mit dem Hotel 1972 in den Besitz der Familie Anton Fuchs übergegangen ist und die Ära als Feudalhotel damit beendet war.