Und auch die beiden Bamberger Bauforscherinnen, die im Auftrag des Marktes Giebelstadt das stark einsturzgefährdete Gebäude bauhistorisch untersuchten, bekamen die Aggression der Allersheimer zu spüren. „Ich wünsch' Ihnen, dass Sie mal durch den Boden krachen“, soll sogar einer gesagt haben. Heute können die Architektinnen darüber lachen. „Doch damals war mir ziemlich mulmig zumute“, erzählt Anne-Kristin Geller.
Der Mann hat sich später zwar entschuldigt. Seine Haltung zeigt aber doch, wie wenig Verständnis für die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte im Dorf vorhanden ist. Anders verhält es sich mit dem bedeutenden jüdischen Friedhof. Mit ihm sind die Allersheimer aufgewachsen. Doch den Schandfleck mitten im Ort würden sie am liebsten abreißen. Damit sind sie ganz auf der Seite des Eigentümers. Für die Allersheimer war das Fachwerkhaus in der Hauptstraße eben immer nur ein einfaches, altes Bauernhaus. Ohne Bedeutung eben.
Vielleicht ändern sie ihre Meinung jetzt. Denn das Haus wurde in einem Zug als Synagogenbau errichtet. Etwa um 1740, wie eine Untersuchung der Jahresringe der zum Bau verwendeten Floßhölzer ergab. Die Bauforscherinnen Anne-Kristin Geller und Kristina Bornschlögl haben die Grundrisse nachgezeichnet. Im Erdgeschoss war die Wohnung des Rabbiners. Darüber der von einer Holztonne überwölbte Synagogenraum. Kleine Bögen in den alten Dachbalken zeigen dies noch deutlich. Nicht mehr nachzuvollziehen ist, wo sich einst die Frauenempore befand, sagen die Architektinnen. Durch die vielen Zerstörungen der Vergangenheit, sei der Grundriss nicht mehr exakt zu rekonstruieren.
Bisher nicht bekannt war die Lage des Toraschreins. Die Bamberger Kunsthistorikerin hat an der Ostfassade des Gebetsraumes die Nische entdeckt. 98 Zentimeter breit ist sie und von Wandmalereien umgeben. Das Erstaunliche dabei ist, dass diese noch in der ersten Fassung erhalten sind. „Unfassbar“, verschlägt es Herbert May, dem Leiter des Bad Windsheimer Freilandmuseums, fast die Sprache. „Von 1741 bis 1911 wurde die Wand niemals gestrichen. Unglaublich.“ Eine Erklärung dafür haben die Experten nicht. Vielleicht war etwas auf die Wand gezeichnet, das von der jüdischen Gemeinde mit besonderer Ehrfurcht behandelt wurde. Und noch etwas ist aufgetaucht, was bisher nur vermutet wurde. Die Mikwe, das rituelle Taufbad der Juden im kleinen Kriechkeller. Drei Sandsteinstufen führen hinein. Noch heute steht das Grundwasser darin. Die beiden Architektinnen sind der Meinung, dass die Mikwe gleichzeitig entstanden ist, weil der Keller exakt unter dem Erdgeschoss liegt.
Was mit der Synagoge nun geschehen soll, ist unklar. Für Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer ist unumstritten, dass das Gebäude eine wertvolle historische Bedeutung hat. Aber ein Erhalt, gar die weitere Nutzung als Wohnraum, scheinen wirtschaftlich nicht machbar zu sein. Dem Besitzer ist es egal. Eigentlich wollte er die Synagoge, die 1911 zu einem Wohnhaus umgebaut wurde, abreißen. Jetzt sagt er: „Macht doch damit, was ihr wollt. Ich schenk's euch.“
Interesse
Herbert May hat Interesse an der Synagoge. Der Museumsleiter weiß sogar schon, an welchem Platz die Allersheimer Synagoge in seinem Freilandmuseum stehen könnte. „Doch das Problem ist, wir haben zu wenig Geld“, sagt er. Aufgeben will er aber nicht. Erst einmal sollen die Zimmerleute des Museums sich den Zustand der Hölzer noch einmal genauer ansehen. An einigen Stellen war nämlich schon der Holzwurm zugange.
Eine Rekonstruktion des Gebäudes kommt für May auf keinen Fall in Frage. Er will möglichst viel Originalität. Sollten die Zimmerleute ihr Okay geben, könnten im nächsten Jahr Fördermöglichkeiten gesucht werden und frühestens 2013 könnte die Synagoge in Allersheim abgebaut werden. Bis dahin soll das einsturzgefährdete Gebäude notdürftig gesichert und abgedeckt werden, damit keine weiteren Schäden entstehen. Und sollte Bad Windsheim vielleicht doch ablehnen, hat auch schon Sabine Fechter ihren Finger gehoben. Sie leitet das Freilandmuseum in Fladungen.