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WÜRZBURG: AKW: Das wilde Kind der Würzburger Kulturszene

WÜRZBURG

AKW: Das wilde Kind der Würzburger Kulturszene

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    30 Jahre AKW: Im Kalten Krieg hat sich das AKW zur atomwaffenfreien Zone erklärt. Heute sieht das aus wie ein Relikt aus alten Zeiten – obwohl die Bedrohung der Menschheit mittels Atomwaffen immer noch aktuell ist.
    30 Jahre AKW: Im Kalten Krieg hat sich das AKW zur atomwaffenfreien Zone erklärt. Heute sieht das aus wie ein Relikt aus alten Zeiten – obwohl die Bedrohung der Menschheit mittels Atomwaffen immer noch aktuell ist. Foto: Archivfoto: Silvio Galvagni

    Das Autonome Kulturzentrum Würzburg (AKW) ist ein Kind des Kalten Krieges. Und es sorgte für Ärger, noch bevor es geöffnet hatte. Ende Januar 1982 wucherte die Stadtrats-Debatte über die Baugenehmigung fürs AKW in eine erbitterte parteipolitische Auseinandersetzung zwischen CSU und SPD aus. Viel habe nicht gefehlt, berichtete die Main-Post, und die Sitzung wäre geplatzt. Weil das AKW das Baurecht auf seiner Seite hatte, gab die CSU klein bei. Scheinbar. Ihr Bundestagsabgeordneter Wolfgang Bötsch sorgte noch vor der Eröffnung dafür, dass das Finanzamt dem Trägerverein die Gemeinnützigkeit aberkannte. Anlass war ein Treffen von Startbahn-West-Gegnern im AKW-Rohbau.

    Trotzdem eröffnete am 14. Februar 1982 ein Haufen bunt gewürfelter junger Leute in einer ehemaligen Autowerkstatt in der Martin-Luther-Straße 4 das AKW. Es war die Zeit der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung, Startbahn West-Gegner und Hausbesetzer. Im ganzen Land herrschte in der links-alternativen Szene Aufbruchstimmung, auch in Würzburg.

    Gesellschaftliche Teilhabe

    Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hatten jede Menge Ideen, aber kein gemeinsames Konzept. Es ging um „Kultur für alle“, Emanzipation, gesellschaftliche Teilhabe, selbstbestimmtes und hierarchiefreies Arbeiten, basisdemokratische Entscheidungsstrukturen. Insgesamt ging es um nichts weniger als um alles.

    Das bisschen Geld, geliehen von einer Brauerei und Privatleuten, reichte vorne und hinten nicht. Handwerkliche Fähigkeiten, Buchhaltungs- und Verwaltungskenntnisse waren rar. Ein Klub von Dilettanten machte sich ans Werk, zusammengehalten von einer diffusen Sehnsucht nach neuen Arbeits-, Lebens- und Gesellschaftsformen.

    Die zunächst unübersichtlich große Mitarbeiterschaft schrumpfte binnen eines Jahres auf zwei Dutzend Leute. Einen Chef wollten sie nicht, ihr höchstes Entscheidungsgremium war die alldienstägliche Mitarbeiterversammlung.

    Das AKW wurde sofort der Treffpunkt der links-alternativen Szene. Es war die Heimat von Polit-Gruppen, Schwulen und Lesben, Menschen mit Behinderung, Punks, Frauenrechtlerinnen, Kulturinteressierten. Hier gab es Livemusik mit Bands weit jenseits des Mainstreams und Theater, wie man es bis dahin in Würzburg noch nicht gesehen hatte.

    In den ersten fünf Jahren finanzierten die AKWler die Kultur übers Bierzapfen. Zuschüsse bekam es bis 1986 keine, dann lange nur mickrig niedrige. Trotzdem mausert sich das Haus mit seinen Konzerten und Theatervorstellungen zu einer überregionalen Bedeutung.

    Sein unkonventionelles Auftreten, das bunte Publikum und umstrittene politische Veranstaltungen verschaffen ihm den Ruf eines wilden Kindes der Würzburger Kulturszene. Im Kommunalwahlkampf 1990 erklärte die CSU-OB-Kandidatin Barbara Stamm: „Das AKW ist kein Kulturzentrum, sondern ein Agitationszentrum.“ Und der damalige CSU-Fraktionsvorsitzende Winfried Kuttenkeuler meinte, „wer Kultur so einseitig versteht wie das AKW, sollte nicht noch mit öffentlichen Steuergeldern unterstützt werden.“

    Anfang 1990 musste das Haus einem Wohnblock weichen. 885 Tage lang gibt's kein AKW. In der Auseinandersetzung mit der Stadt und vor allem mit der CSU um neue Räume, Geld und Genehmigungen bleibt der Großteil der Mitarbeiter auf der Strecke. Ein fast völlig neues Team eröffnet am 3. Juli 1992 das neue Haus auf dem Patrizier-Gelände in der Frankfurter Straße.

    Kaum noch rebellischer Geist

    Die großen politischen Aufregungen der 80er Jahre waren nach dem Fall der Mauer vorbei. Vom rebellischen Geist, in dem das AKW vor 30 Jahren geboren wurde, blieb nicht viel übrig; es wurde unpolitisch. Das Erbe der Alten – Widerständigkeit, kulturelle Vielfalt, künstlerische Experimentierlust – lag brach, ihr Verständnis vom AKW als Teil eines kulturellen und politischen Netzwerks ging verloren.

    Trotzdem blieb das AKW noch lange am Netz, vor allem seines Liveprogramms wegen. Aber die Reform der Studiums ließ und lässt jungen Leuten nur wenig Zeit fürs Engagieren. Und so ging das AKW in seinem dritten Jahrzehnt doch langsam, aber sicher ein. Es scheiterte nicht mehr an Widerständen in der Stadt, im Gegenteil: Im Rathaus hatte man längst seine Bedeutung für die Kulturszene erkannt. Da war bloß niemand mehr, der im und für das AKW arbeiten wollte.

    An diesem Samstag, 11. Februar, ersteht das AKW noch einmal für eine lange, wilde Nacht. Eine ganze Reihe von Gruppierungen und Einzelpersonen hat die „Wiederaufbereitungsparty“ organisiert. Um 20 Uhr geht's in der Posthalle los. Der Eintritt kostet 5 Euro. Die Überschüsse gehen an Gruppierungen, die die Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft unterstützen: Vivovolo, Heimfocus und Heimcafé. Info: http:://akw30.blogspot.com.

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