Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kitzingen
Icon Pfeil nach unten

KITZINGEN/WÜRZBURG: Massive Probleme bei der Alarmierung

KITZINGEN/WÜRZBURG

Massive Probleme bei der Alarmierung

    • |
    • |
    Den Überblick behalten: Nancy Jungk (links) ist eine von acht Disponenten, die in der Integrierten Leitstelle (ILS) Einsätze von Feuerwehren, Rettungsdienst und Katastrophenschutz koordiniert. Die Bildschirme, die sie dabei im Auge behalten muss, zeigen (von links) die GIS-Karte, Fahrzeugbewegungen, den Bildschirm zur Einsatzdokumentation, den FSM-Statusbildschirm sowie die aufgelisteten laufenden Vorgänge.
    Den Überblick behalten: Nancy Jungk (links) ist eine von acht Disponenten, die in der Integrierten Leitstelle (ILS) Einsätze von Feuerwehren, Rettungsdienst und Katastrophenschutz koordiniert. Die Bildschirme, die sie dabei im Auge behalten muss, zeigen (von links) die GIS-Karte, Fahrzeugbewegungen, den Bildschirm zur Einsatzdokumentation, den FSM-Statusbildschirm sowie die aufgelisteten laufenden Vorgänge. Foto: Fotos (3): Herbert Ehehalt

    Frust schieben Feuerwehrleute und Rettungsdienstkräfte. Die Integrierte Leitstelle (ILS), die vor zwei Jahren, im Februar 2010, ihren Betrieb aufnahm, funktioniert noch immer nicht so, wie es sich die Helfer wünschen. Es gibt offenbar massive Alarmierungs- und Kommunikationsprobleme. Unzufrieden sind aber nicht nur die Einsatzkräfte vor Ort, sondern auch die Verantwortlichen der Leitstelle. ILS-Abteilungsleiter Gerhard Möldner und seine Mitarbeiter schlagen sich mit gravierenden technischen Problemen herum. Und selbst nach steten Nachbesserungen treten immer wieder neue Schwierigkeiten auf.

    Seit die Leitstelle unter dem Dach der Berufsfeuerwehr in Würzburg ihren Betrieb aufnahm, heißt das große Ziel: Die Einsätze von Feuerwehren, Rettungsdiensten und Katastrophenschutz sollen schneller und besser koordiniert werden. Zuständig ist die Leitstelle für Stadt und Landkreis Würzburg sowie den Landkreisen Kitzingen und Main-Spessart. Doch wie so oft liegen Theorie und Praxis noch weit auseinander. Schuld an der Misere soll die Computer-Software sein, mit der jeder gemeldete Notfall, von der Alarmierung bis zum Einsatz, bearbeitet wird.

    Auf zwei Millionen Euro beliefen sich die Kosten für die ILS-Technik. Die Computer-Software als Herzstück wurde auf Geheiß des Bayerischen Innenministeriums von einer österreichischen Firma beschafft, einheitlich für 26 Leitstellen im Freistaat, erklärt der Chef der Würzburger Berufsfeuerwehr, Harald Rehmann. „ELDIS III BY“ heißt das Computer-Programm, in dem schon die Grund-GIS-Daten des vom Freistaat zur Verfügung gestellten Geoinformationssystems fehlerhaft seien, bemängelt Möldner.

    „Um die Einsätze koordinieren zu können, sind wir auch auf die Unterstützung der Kreisverwaltungen angewiesen“, erläutert Möldner. 187 000 Datensätze zu Objekten vor Ort in 124 Gemeinden wurden dazu in das System eingepflegt. Darüber hinaus ist die österreichische Software zur Einsatzsteuerung offensichtlich nicht richtig kompatibel mit der technischen Ausrüstung in den Einsatzfahrzeugen und Feuerwehrgerätehäusern.

    Fahrzeuge ohne Funkmeldesystem (FMS-Technik) sind für die Disponenten auf dem Bildschirm nicht zu erkennen. Zum Leidwesen der ILS-Verantwortlichen verfügen nicht alle Einsatzfahrzeuge über diese Ausstattung. Deren Beschaffung für Feuerwehrfahrzeuge fällt nämlich in den Zuständigkeitsbereich der betreffenden Kommune. Und nicht alle Gemeinden nehmen die Kosten von etwa 400 Euro je FMS-Gerät auf sich – gerade im Hinblick auf den künftigen Digitalfunk. Bis zu dessen Einführung aber werden nach Überzeugung von ILS-Abteilungsleiter Gerhard Möldner mit Sicherheit noch sechs bis sieben Jahre ins Land gehen.

    Feuerwehrleute im Landkreis Würzburg können mit einem Beispiel aufwarten: Nach einem Notruf zu einer Alarmierung der Helfer vor Ort (HvO) ging zwar das Alarm-Fax im Feuerwehrgerätehaus einer Landreisgemeinde ein. Eine Einsatz-Alarmierung auf die Funkmeldeempfänger der Helfer vor Ort wurde jedoch nicht angezeigt. Deshalb rückten sie auch nicht aus, um bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes lebenserhaltende Maßnahmen einzuleiten. Erst Stunden später wurde das Alarm-Fax im Feuerwehrgerätehaus entdeckt.

    „Die Panne bei der HvO-Alarmierung verdeutlicht die längst bekannten Probleme“, sagt Möldner dazu. Im Internet-Forum www.bayern-ils.de wird dieses Problem schon im August 2010, also sechs Monate nach Inbetriebnahme der Würzburger Leitstelle, von einem Kreisbrandmeister aus dem Landkreis Main-Spessart moniert.

    „Um die Einsätze koordinieren zu können, sind wir auch auf die Unterstützung der Kreisverwaltungen angewiesen.“

    Gerhard Möldner ILS-Abteilungsleiter

    Als Reaktion auf die Anfrage forderte am 7. August 2010 Andreas Sirtl von der Berliner Feuerwehr, der zuvor im Bayerischen Staatsministerium des Innern tätig war, „zur Problemlösung einen runden Tisch aller Beteiligten“. Doch in den zwei Jahren seit Inbetriebnahme der ILS Würzburg hat sich von politischer Seite offenbar nichts getan.

    „Zwei Wochen hat ein Mitarbeiter der Software-Firma im Januar unsere Computeranlage auseinander genommen. In dieser Zeit wurde der Betrieb der ILS über eine weniger leistungsfähige Demo-Version abgewickelt. Dies wiederum führte zu weiteren Problemen mit den Einsatzkräften draußen. Am 25. Januar wurde die letzte Update-Aktualisierung durchgeführt“, erklärte Harald Rehmann. „Wie bei üblichen privaten Beschaffungen auch, ist Vertragsgrundlage mit dem Software-Lieferanten, dass ihm bei einem Mangel dreimal die Möglichkeit zur Nachbesserung eingeräumt werden muss. Das ist für uns in der ILS genauso unbefriedigend wie für die Einsatzkräfte und erst Recht für die von einem Notfall Betroffenen“, verdeutlicht Möldner.

    Die Wandlung von digitalen in analoge Funksignale ist für Möldner eine weitere Schwachstelle. Dabei kann es vor Ort zu verwunderlichen Alarmierungen von Einsatzkräften kommen. Die Einsatz-Disponenten sind deshalb stets gehalten, bei der Koordination von einem größeren Gefahrenpotenzial auszugehen. „Eine mangelnde Übermittlung von einsatzrelevanten Daten auf die Displays von Rettungsfahrzeugen bemängeln auch Rettungsdienstler in einem anonymen Schreiben an die Redaktion dieser Zeitung. „Länger schönreden hilft nicht“, stellt die „Gruppe Würzburger Rettungsdienstler und Leitstellenmitarbeiter“ mit Nachdruck fest. Aus Angst vor Repressalien wollen sie ihre Namen nicht nennen.

    Wie in jedem Betriebsablauf gilt freilich auch der Mensch als Schwachstelle, meint Rehmann. Die Disponenten werden von Rettungsdienst und Feuerwehr gestellt. Da gibt es offenbar immer noch Vorurteile, dass der vom Rettungsdienst nichts von der Feuerwehr versteht und umgekehrt. Mit ständigen Fortbildungsmaßnahmen will Rehmann dem entgegenwirken.

    Der Würzburger Kreisbrandrat (KBR) Heinz Geißler und der stellvertretende Geschäftsleiter des Zweckverbandes Rettungsdienst, Paul Justice, betonen ausdrücklich, dass die Schuld der Alarmierungsmängel eindeutig nicht bei den Disponenten der ILS liegt. Möldner ergänzt: „Wir können nur mit dem arbeiten, was uns von politischer Seite an die Hand gegeben wurde“. Die Verantwortlichen appellieren an Rettungsdienste und Feuerwehren vor Ort, vom Informationsangebot der ILS stärker Gebrauch zu machen. „Wir sind immer um Aufklärung bemüht, und kommen gerne und jederzeit dazu auch raus zu den Feuerwehren“, so Rehmann und Möldner.

    Angesichts der Alarmierungspannen und der anonymen Beschwerden will Landrat Eberhard Nuß als Vorsitzender des Zweckverband Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung kurzfristig einen Runden Tisch einberufen, um das weitere Vorgehen zu erörtern. Sein Ziel: deutliche Verbesserungen erreichen.

    Hintergründe, Zahlen & Fakten

    Die Integrierte Leitstelle (ILS) koordiniert die Einsätze der Feuerwehren, Rettungsdienste, Notärzte, Krankentransporte, Technisches Hilfswerk, Wasserrettung und Notfallseelsorge in Stadt und Landkreis Würzburg sowie den Kreisen Kitzingen und Main-Spessart (Notruf 112).

    510 000 Einwohner leben in 124 Gemeinden und Städten. Das Gebiet hat eine Fläche von 3060 Quadratkilometer. Betreut werden darüber hinaus 150 Kilometer Autobahnen, 1300 Kilometer Straßen, 410 Kilometer an Bahnstrecken sowie 170 Fluss-Kilometer.

    14 100 Feuerwehrleute leisten dabei in 432 Wehren Dienst. 907 Einsatzfahrzeuge stehen den Feuerwehren zur Verfügung. Beteiligt sind auch die Hilfsorganisationen von BRK, Malteser Hilfsdienst, Johanniter Unfallhilfe und DLRG. Zu koordinieren sind dabei in 14 Rettungswachen 62 Rettungswagen, 57 Schnelleinsatzgruppen, 14 Notarzt-Standorte, 15 Wasserrettungseinheiten mit 1000 Einheiten. Hinzu kommen sechs THW-Ortsverbände mit 69 Fahrzeugen. 120 000 Einsätze werden jährlich von den ILS-Mitarbeitern bearbeitet.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden