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GEROLZHOFEN: Das Mädchen von der Kanalinsel

GEROLZHOFEN

Das Mädchen von der Kanalinsel

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    Es ist kein Stöhr: Restaurator Udo Cox (links) und Museumsleiter Bertram Schulz zeigen das Ölgemälde von Philip John Ouless, das jahrzehntelang als Werk des aus Gerolzhofen stammenden Malers Philipp Stöhr galt.
    Es ist kein Stöhr: Restaurator Udo Cox (links) und Museumsleiter Bertram Schulz zeigen das Ölgemälde von Philip John Ouless, das jahrzehntelang als Werk des aus Gerolzhofen stammenden Malers Philipp Stöhr galt. Foto: Fotos: Klaus Vogt

    Das Stadtmuseum ist im Besitz zahlreicher historischer Ölgemälde. In regelmäßigen Abständen werden die Bilder von Experten begutachtet, um auf etwa entstandene Schäden zeitnah restauratorisch reagieren zu können. So wurden in den zurückliegenden Jahren nahezu alle überlieferten Porträts der Würzburger Fürstbischöfe restauriert. Vor wenigen Tagen inspizierte der Restaurator Udo Cox jetzt die Bilder, die als Werke des gebürtigen Gerolzhöfer Malers Philipp Stöhr gelten. Dabei machte er eine Entdeckung: Eines der „Stöhr-Bilder“ stammt nicht von Stöhr.

    Vor Jahrzehnten machte sich die damalige Museumsleitung daran, im Kunsthandel auftauchende Stöhr-Bilder mit Mitteln der Stadt aufzukaufen, um in der Heimatstadt des Malers eine Sammlung anzulegen. Im Jahr 1968 wurden aus dem Würzburger Kunsthandel der Stadt zwei Porträts eines Ehepaars angeboten. 5000 Mark sollten die Bilder kosten – zu viel, wie der damalige Bürgermeister Franz Kreppel meinte. Erst 1971 reichte das Geld für die Anschaffung der beiden Bilder, die eine hervorragende Qualität haben und heute im ersten Stock des Alten Rathauses im Nähmaschinenmuseum hängen.

    Eindeutige Handschrift?

    Im März 1982 konnten zwei weitere Neuerwerbungen vorgestellt werden: die feinen Porträts von Freiherr Karl Philipp Friedrich von Thüngen und seiner Ehefrau Natalie Sophie Augusta von Thüngen, deren Zuschreibung an Stöhr gesichert scheint.

    Bereits im Juli 1981 waren bei einer Monatsversammlung des Historischen Vereins im Gasthaus Tröster zwei weitere Neuerwerbungen der Stadt für das Museum präsentiert worden, die ebenfalls aus der Hand Philipp Stöhrs stammen sollten: die angeblich unsignierten Porträts eines vornehmen Herren und eines jungen Mädchens. Der „profundeste Stöhr-Kenner“, der 2010 verstorbene Dr. Walter M. Brod, habe die Bilder im Würzburger Kunsthandel entdeckt, hieß es damals. Beide Werke, so Brod, würden eindeutig die Handschrift Stöhrs tragen.

    Zumindest beim Porträt des jungen Mädchens hat sich Brod, der anlässlich der 1200-Jahrfeier der Stadt Gerolzhofen 1979 auch eine große Gedächtnisausstellung über Stöhr wissenschaftlich begleitet hatte, geirrt. Bei der Reinigung des Mädchen-Bildes wurde von Udo Cox jetzt eine Signatur entdeckt: „P. I. OU / ess. 1848“.

    In einschlägigen Nachschlagewerken konnte diese Signatur nun auch einem Maler zugeordnet werden: Philip John Ouless.

    Alles, was schwimmt

    Wer war dieser Philip John Ouless? Er wurde auf der englischen Kanalinsel Jersey im Jahr 1817 geboren. Seine Eltern waren zuvor aus der Normandie vor den Wirren der französischen Revolution geflohen und hatten sich in der Hafenstadt St. Helier im Süden der Insel niedergelassen. In St. Helier erblickte Philip John auch das Licht der Welt.

    Nach einem Kunststudium in der französischen Hauptstadt Paris kehrte Ouless nach Jersey zurück und machte sich schnell einen Namen als Maler von maritimen Motiven. Er betätigte sich aber auch als Landschafts- und Porträtmaler. Bekannt bis heute ist Ouless aber durch seine Darstellungen von stolzen Segelschiffen, Rennjachten und Schaufelraddampfern.

    Als Queen Victoria und Prinz Albert im Jahr 1846 mit einer mehrere Schiffe umfassende Flotte die Kanalinsel besuchten, war es Ouless, der mit einer Serie von insgesamt elf Aquarellen den hohen Besuch illustrierte. Die zunehmende Zahl von Touristen auf der Insel sorgten dafür, dass die Schiffs-Bilder und Ansichten von Jersey aus der Hand von Philip John Ouless auf rege Nachfrage stießen.

    Ouless starb 1885 in St. Helier. Einer seiner Söhne, Walter William Ouless (1848 – 1933), wurde ein hervorragender Porträtmaler und Mitglied der Königlichen Akademie.

    Es ist nicht Italien

    Wer das junge Mädchen ist, das auf dem Porträt zu sehen ist, bleibt bislang noch im Dunklen. Ein interessantes Detail konnte von der Museumsleitung aber schon herausgefunden werden: Im Bildhintergrund wird keine „italienische Landschaft“ dargestellt, wie es Walter M. Brod einst behauptet hatte, sondern es ist die Hafeneinfahrt von St. Helier, der Heimatstadt von Ouless zu erkennen. Gut zu sehen ist die vorgelagerte felsige Insel, auf der „Elisabeth Castle“ steht.

    Im direkten Vergleich des Mädchen-Porträts zum Beispiel mit den Thüngen-Porträts zeigt sich, dass das jetzt erkannte Ouless-Werk künstlerisch deutlich schwächer ist, als die Stöhr-Werke. Die Abbildung des Mädchens aus Jersey wirkt marionettenhaft mit einem hölzernen Gestus.

    Nichtsdestotrotz wird auch das frisch gereinigte Ouless-Bild einen neuen Platz im Stadtmuseum finden: Gemeinsam mit den Thüngen-Porträts und dem Bild des vornehmen Herren wird die junge Frau von der Kanalinsel im Treppenhaus des zweiten Stocks zu bewundern sein.

    Philipp Stöhr

    Der am 21. April 1793 in Gerolzhofen geborene Philipp Stöhr, dem in seiner Heimatstadt auch eine Straße gewidmet ist, gilt als einer der bedeutendsten Porträtmaler der süddeutschen Romantik. Hier eine Kurzbiographie:

    1808 – 1811 Zeichenschüler bei Professor Andreas Heinrich Köhler in Würzburg

    1812 – 1813 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien

    1816/17 wieder in Gerolzhofen und Würzburg

    1817 – 1820 Aufenthalt in Florenz und in Rom

    1821 – 1824 wohnhaft in Wien

    1822 Heirat mit Therese Prohaska in der Dompfarrei in Wien

    1824 Übersiedlung der Familie Stöhr nach Würzburg, Anstellung als Lehrer für höhere Zeichenkunst an der Universität Würzburg

    1852 Tod der Ehefrau in Prag

    1856 am 3. November stirbt Stöhr als königlicher Universitätsprofessor in Würzburg.

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