Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: „Ausflug am Wochenende ist das Highlight“

WÜRZBURG

„Ausflug am Wochenende ist das Highlight“

    • |
    • |
    Organisiert Gemeinschaft: Sozialpädagogin Andrea Wischert vom Würzburger Arbeiter-Samariter-Bund.
    Organisiert Gemeinschaft: Sozialpädagogin Andrea Wischert vom Würzburger Arbeiter-Samariter-Bund. Foto: Foto: Andreas Jungbauer

    Das Thema Inklusion ist schulpolitisch in aller Munde: Behinderte Menschen sollen ganz selbstverständlich am gesellschaftlichem Alltag teilhaben. Wie die Praxis aussieht, das erleben Zehntklässler des Deutschhaus-Gymnasiums bei ihrem Sozialpraktikum in der Offenen Behinderten-Arbeit (OBA). Im Rahmen eines Journalismus-Workshops an ihrer Schule sprachen sie mit Andrea Wischert (46), Projektkoordinatorin der so genannten OBA beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Würzburg. Die Sozialpädagogin ist dort hauptsächlich für die Ausflüge mit Gehbehinderten zuständig.

    Frage: Frau Wischert, welches Projekt leiten Sie gerade?

    Andrea Wischert: Das Projekt heißt „Freizeit, Begegnung und Beratung für Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Rollstuhlfahrer und Angehörige“. OBA heißt, dass alle Menschen das Projekt nutzen können – egal, wo sie herkommen. Sie müssen also nicht Mitglied beim ASB sein, sondern wir sind offen für alle Menschen mit Behinderung und deren Angehörige.

    Wonach wählen Sie denn die Touren und Angebote aus?

    Wischert: Zum einen bin ich froh über alles, was mit dem Rollstuhl geht, wo es eine Behindertentoilette gibt und was barrierefrei ist, also zum Beispiel ohne Stufen. Und ich orientiere mich an den Interessen der Gruppe. Das sind vorwiegend ältere Erwachsene. Ich überlege mir, was denen gefallen könnte.

    „Abneigungen gegenüber Behinderten sind sehr selten.“

    Andrea Wischert, Sozialpädagogin beim ASB

    Haben sich die Ausflüge in den vergangenen Jahren verändert?

    Wischert: Ja. Ich arbeite seit zehn Jahren in dieser Stelle. Anfangs hatte ich den Eindruck, nicht das Ziel des Ausflugs, sondern der gesellige Charakter stand im Mittelpunkt. Mittlerweile denke ich, dass wir auch jüngeres Publikum ansprechen, das gezielter auswählt. Die bestimmen auch etwas das Programm. Sehr viel verändert hat sich bei unseren Fördergeldern, da wir unseren Bereich zusätzlich zu Würzburg auf die Landkreise Main-Spessart und Kitzingen ausgeweitet haben.

    Sind bei den Ausflügen auch freiwillige Helfer dabei?

    Wischert: Ich habe einen Stamm von rund 30 Personen. Für Leute, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, haben wir auch eine Agentur, den „Treffpunkt Ehrenamt“.

    Waren es früher mehr Freiwillige?

    Wischert: Es waren weniger. Früher, als ich anfing, haben wir eigentlich neben ein paar Ehrenamtlichen nur mit „Zivis“ gearbeitet. Die wurden nicht gefragt, ob sie am Wochenende Zeit haben, sondern einfach eingeteilt. Es hat sich aber abgezeichnet, dass es mit den Ehrenamtlichen besser läuft als mit den Zivildienstleistenden. Die Ehrenamtlichen sind näher an der Altersgruppe, die bewegt wird, und waren auch mehr bereit, abends mal länger zu bleiben, wenn wir weiter weggefahren sind.

    Was machen denn die Freiwilligen auf den Ausflügen? Schieben die einfach die Rollstühle?

    Wischert: Ja, zum einen schieben sie. Der größte Bereich ist eigentlich das Busfahren. Dazu gehört, dass man Rollstuhlfahrer adäquat anschnallen kann. Dieses spezielle System muss man erlernen. Manche brauchen Hilfe beim Essen eingeben oder beim Bestellen, weil sie sprachlich nicht so leicht zu verstehen sind. Beim Toilettengang ist ebenfalls oft Hilfestellung gefragt. Oft ist es auch einfach eine Unterhaltung, wenn man eine Ausstellung besucht. Der ganze Ausflug lebt eben von der Gemeinschaft.

    Gab es denn von Ausflugsleitern oder Gastronomen schon Beschwerden?

    Wischert: Also Abneigungen gegenüber Behinderten sind sehr selten. Ist aber auch schon vorgekommen. Generell aber eher nicht, weil diese Gruppe mit mindestens 40 Leuten ja Umsatz macht. Das ist für die Gastronomie einfach ein Geschäft. Wenn es aber doch vorkommen sollte, sprechen wir das natürlich sofort an. Aber eigentlich ist das Personal immer recht offen und nett.

    Und die Gäste?

    Wischert: Ja, die eigentlich (zögert ein wenig) auch. Wir haben selten schlechte Erfahrungen gemacht. Wir haben ja auch einen Stammtisch in Würzburg. Und da wollen wir bewusst nicht separat sitzen. Wir wollen im gleichen Gastraum mit den anderen sitzen. Da sind die Gäste sehr nett. Die Kontakte sind gut und die Resonanz ist positiv. Es ist ja vielleicht sogar so, dass unsere Leute eher mal jemanden ansprechen. Wir haben da einen jüngeren Mann, der fragt sehr viel, spricht viele Leute an. Und dadurch kommen wir auch in Kontakt und man erfährt von anderen etwas.

    Unsere Schule, das Deutschhaus-Gymnasium, hat ja ein Projekt mit dem ASB, das Sozialpraktikum. Was sagen denn die Behinderten über uns Schüler?

    Wischert: Eigentlich habe ich noch nichts Negatives gehört. Wir hatten einmal einen Schüler, der war länger dabei und dann auch bekannt. Die Behinderten freuen sich, wenn Jüngere dabei sind – auch, wenn sie mal etwas fragen können oder etwas anderes erfahren.

    Also auf dieser Seite sind keine Hemmungen. Wie ist es denn, wenn die Schüler zum ersten Mal da sind? Was beobachten Sie da?

    Wischert: Schüler sind gehemmter.

    Nur beim ersten Mal?

    Wischert: Manche sind sehr schüchtern, nicht nur beim ersten Ausflug. Wir beobachten, dass die Schüler den Umgang gar nicht kennen. Dass sie offensichtlich nur ganz selten Kontakt mit behinderten Menschen haben. Dann legen sie aber meistens die Scheu ab. Die Problematik des Einzelnen geht ja oft in der Gruppe unter.

    Ist es Ihr Ziel, Schülern zu zeigen, dass sie nicht anders sind als Behinderte?

    Wischert: Das wäre toll. Wenn wir das erreichen, wäre das super. Ich sehe schon, dass die Schüler altersbedingt andere Interessen oder ein anderes Umfeld haben. Wir merken dann aber auch, dass es den Schülern am Ende doch ganz gut gefallen hat.

    Was, denken Sie, nehmen die Schüler und Behinderten von den Ausflügen und Begegnungen mit?

    Wischert: Also, was die Menschen mit Behinderung mitnehmen, das weiß ich: Für sie ist das eine ganz starke Gemeinschaft, die sie erleben. Die einzelne Unternehmung ist auch entscheidend, weil viele unter der Woche wenig Anreize haben. Ein Großteil arbeitet relativ monoton in Werkstätten für Behinderte. Da gibt es nicht viel Abwechslung. Für sie ist ein Ausflug am Wochenende dann ein Highlight. Viele leben durch die Behinderung sehr isoliert. Bei den Schülern gab es schon Fälle, dass Jugendliche nach der zu absolvierenden Zeit wieder oder weiterhin gekommen sind, weil es ihnen gut gefallen hat.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden