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WÜRZBURG: Vom Wolkengeist verlassen

WÜRZBURG

Vom Wolkengeist verlassen

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    Der Autor: Zuletzt schaffte es Hermann Geist, ein Gedicht in einer weit verbreiteten Lyriksammlung zu veröffentlichen.
    Der Autor: Zuletzt schaffte es Hermann Geist, ein Gedicht in einer weit verbreiteten Lyriksammlung zu veröffentlichen. Foto: FOTO: Schwarzott

    „Ich bereue keinen einzigen Schritt. Die nächsten 20 Jahre werden die schönsten in meinem Leben.“ Das sagte Hermann Geist bei einem seiner letzten Redaktionsbesuche Anfang des Jahres. Leider hatte der gute Geist, den viele unter seinem Künstlernamen „Wolkengeist“ kennen, unrecht. Der 74-Jährige ist, wie seine Betreuerin mitteilte, am frühen Mittwochmorgen gestorben. Geist lebte zuletzt im Seniorenheim Hueberspflege des Bürgerspitals und hatte gesundheitliche Probleme.

    Mit dem Wolkengeist verliert Würzburg ein Original – einen (Frei-)geist, Querdenker, Musiker, Dichter, Maler, Politaktivisten. Die Lokalredaktion im Valentinum wird einen treuen Besucher vermissen, der beharrlich, anstrengend, bisweilen gar nervig sein konnte, wenn er seine neuesten Ideen und Projekte präsentierte. Aber sein Weg und Versuch, die Würzburger und die Welt zu bewegen, war stets ein kreativer – wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg.

    Ob mit der Musik, der Schreiberei, seinen Kulturprojekten, seiner Arbeit als Architekt, seiner Ehe – häufig lief nicht alles nach Plan. Das ließ den Wolkengeist unbeeindruckt. Jedem Scheitern folgten mindestens zwei neue Ideen, neue Pläne, neue Träume. Die vom Eigensinn geprägte Suche nach einem besseren und bewegtem Leben bestimmte das Leben von Geist. Dafür nahm er in Kauf, von manchem als Spinner, Kauz oder Chaot belächelt zu werden.

    Wolkengeist schrieb eifrig Gedichte und Essays und landete im Frühjahr einen Erfolg: Sein Gedicht zum Thema „Erde“ fand beim Autorenwettbewerb der Brentano-Gesellschaft Beachtung und wird in einem Band für Lyrik und Poesie der Gegenwart abgedruckt. Geist war stolz auf diesen Erfolg, eine Art Comeback. Er war in den vergangenen Jahren „abgetaucht“ und erst seit kurzem wieder in seiner Geburtsstadt.

    Sein Vater hatte einst ein Schuhgeschäft in der Hofstraße; Geist lernt Schuster, Maurer, wurde Architekt. Doch seine Lieblings- wie Dauerbaustelle war die Musik. Mit sieben lernt er Akkordeon, beginnt später ein Klavierstudium. Er tritt mit Jazz in US-Army-Clubs auf, spielt in den 70er und 80ern in ganz Süddeutschland Rockjazz und „Fränkisch Blues“ in Gruppen wie Kubpian, Kubus, Wolke, Wolkengeist. Die meist avantgardistische Musik komponiert und textet er selbst. Ein Spätwerk präsentiert Geist der Redaktion 2006: Eine Hymne zur Fußball-WM für das in Würzburg untergebrachte Team aus Ghana, die es sogar ins Fernsehen schafft.

    Die Bauprojekte sind weniger erfolgreich: Geist kauft in den 80ern die Zehntscheune in Roßbrunn, wo viel gefeiert, die Sanierung aber nicht vollendet wird. Dieses Schicksal ereilt auch das Projekt Werkstatt-Galerie in Thüngersheim. Der Politaktivist macht ab 2005 von sich Reden: mit Holzkreuzen gegen gefällte Bäume auf den Mainwiesen, mit Unterschriften gegen ein Geländer am Kranenkai, mit Protestzetteln gegen den Forum-Bau.

    Aktionen für ein besseres Stadtbild kündigt Geist bei seinem letzten Redaktionsbesuch an. Wie immer: Pläne. Er will eine Zeitung machen, die Adler-Partei gründen und vielleicht heiraten. Das alles ist nun leider Vergangenheit. Der beruhigende Trost: Der gute Geist wird auch über den Wolken planen. Und träumen.

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