Oberbürgermeister Georg Rosenthal (SPD) hat einen Brief bekommen, der die unrühmliche Vergangenheit eines seiner Vorgänger betrifft. Es geht um Helmuth Zimmerer, Würzburgs OB von 1956 bis 1968. Rosenthals Parteifreund, der Stadtrat Heinrich Jüstel, beantragt zu prüfen, ob die in Lengfeld gelegene Dr.-Helmuth-Zimmerer-Straße „auch in Zukunft noch so heißen soll“.
Anlass ist Zimmerers Dissertation von 1936, geschrieben an der juristischen Fakultät der Uni Erlangen, Thema: „Rasse, Staatsangehörigkeit, Reichsbürgerschaft – ein Beitrag zum völkischen Rassebegriff“. Da schreib er, „die rassengebundene Volksseele“ sei „das Maß des Denkens“. Durch „rassenhygienische Maßnahmen“ habe der Staat „die minderwertigen und verdorbenen Elemente der eigenen Rasse und Blutsgemeinschaft auszumerzen“. Weil „der Primat der Rasse Grundlage der Staatsführung“ sei“, gebe es „überhaupt nichts“, was nicht unter dem Gesichtspunkt der Rasse bewertet wird“. Ältere Würzburger erinnern sich seiner heute noch als „Rasse-Zimmerer“.
Die Doktorarbeit ist durchwirkt mit solcherlei Ideen. Er schrieb, jede wissenschaftliche Arbeit müsse ihre weltanschaulichen Fundamente aufzeigen. „Diese fußen für uns vor allem im Buch des Führers ,Mein Kampf‘ und im Programm der NSDAP.“ Im Kapitel „Die Stellung der Nichtdeutschen im deutschen Staat“ schreibt er, „am brennendsten“ auf diesem Gebiet sei „die Judenfrage“. Juden bildeten keine Religionsgemeinschaft, sondern seien „ein vorwiegend durch die vorderasiatische und orientalische Rasse bestimmtes Volk“. Sie müssten „entgermanisiert werden“.
„Die rassengebundene Volksseele ist das Maß des Denkens.“
Dr. Helmuth Zimmer Würzburgs OB von 1956 bis 1968
Zimmerer hatte sich auch Gedanken über die Rolle der Frau gemacht. Erst wenn sie Mutter sei, beweise „sie ihren Wert für die Volksgemeinschaft“. Normalerweise erhalte die Frau „die politischen Rechte erst mit ihrer Verheiratung“. 1956 wurde er, ein FWG-Mitglied, OB. Von seiner Doktorarbeit erfuhren die Wähler erst nach der Wiederwahl 1962, als die Nürnberger Nachrichten (NN) Auszüge veröffentlichten. Das Blatt resümierte: „Auf Grund solcher Leistungen wird der Mann heute noch mit Doktor angeredet.“
Seinen Kritikern, von denen es damals nicht all zu viele gab, hielt Zimmerer entgegen, seine Arbeit sei „kein nationalsozialistisches Ergebnis, sondern das Gegenteil“. Seiner Begründung, er habe eine „Werteskala der Rassen“ abgelehnt, widerspricht allerdings unter anderem seine Einordnung der „Judenfrage“. Man könne ihm „nicht vorwerfen“, er hätte „als ausgebildeter Jurist die Unrichtigkeit des Führer-Prinzips hätte erkennen müssen“. Die Dissertation sei die „Jugendtorheit eines 23-Jährigen“. Bereitschaft zur Auseinandersetzung oder Reue zeigte er nicht, im Gegenteil: Er zeigte die NN wegen Beleidigung an, weil die veröffentlichten Zitate „in völlig einseitiger Weise ausgewählt“ worden seien. Forderungen, seinen Doktortitel zurückzugeben, hat er ignoriert.
Stadtrat Jüstel, selbst wohnhaft in der Dr.-Helmuth-Zimmerer-Straße, hat während einer Stadtführung von der Dissertation erfahren. Jetzt meint er in seinem Brief an Rosenthal, bei Zimmerers „Geisteshaltung“ und ausgebliebener Distanzierung nach dem Krieg sei „die Frage erlaubt, ob nach ihm weiterhin eine Straße in Würzburg benannt bleiben kann“.