Bauwagen, Container, halbrunde Zelte und mobile Toilettenhäuschen stehen seit rund drei Wochen auf dem Mittelberg, einer flachen Kuppe in der Nähe des Ochsenfurter Ortsteils Hopferstadt. Gebaut wird jedoch nichts auf dem abgeernteten Acker. Dort findet zurzeit eine archäologische Grabung statt.
16 Studenten aus Berlin und Grabungsleiter Markus Rehfeld aus Creglingen untersuchen dort im Auftrag von Professor Wolfram Schier das Erdreich. Er hatte bis 2006 den Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichte der Universität Würzburg inne und lehrt heute an der Freien Universität in Berlin. Seine fränkischen Forschungsobjekte hat er jedoch weiterhin im Blick. Dazu gehört die Kreisgrabenanlage nördlich von Hopferstadt.
Errichtet wurde sie vor rund 6700 Jahren, also zwei Jahrtausende vor den ägyptischen Pyramiden und dem englischen Stonehenge. Es ist die größte Kreisgrabenanlage, die bislang in Deutschland vom Flugzeug aus mit Hilfe der Luftbildarchäologie aufgespürt werden konnte. Nur in Österreich gäbe es ein Rondell, das in etwa genauso groß sei, sagt Professor Schier.
„Die Interessen von Landwirten sind natürlich anders ausgerichtet als die von Archäologen.“
Professor Dr. Wolfram Schier Erforscher von Kreisgrabenanlagen
Kreisgrabenanlagen bestanden aus Palisaden mit umlaufenden Gräben und aufgeschütteten Erdwällen. Die kreisförmigen Holzwände hatten mehrere Öffnungen, die Gräben waren teilweise bis drei Meter tief und eineinhalb Meter breit. Nur über Erdbrücken und den Toröffnungen der Palisade konnte das Innere des Rondells betreten werden. Über die Funktion der Kreisgrabenanlagen gibt es mehrere Theorien, sie reichen von Viehgehege oder Verteidigungsanlage bis hin zu religiösem Kultbezirk und astronomischer Sternwarte.
In Franken standen einst zwei Kreisgrabenanlagen: nicht nur in Hopferstadt, sondern auch im etwa 15 Kilometer weiter östlich gelegenen Ippesheim unterhalb des Bullenheimer Bergs. Das dortige Rondell wurde bereits von Professor Schier erforscht. Es war 200 Jahre älter, kleiner und einfacher als die Hopferstädter Anlage, informiert der Wissenschaftler. In Ippesheim gab es nur einen Palisadenring mit einem Durchmesser von 65 Metern sowie einem umlaufenden Graben. In Hopferstadt dagegen gehen die Archäologen aufgrund der 2001 durchgeführten Magnetometerprospektion der Ackerfläche davon aus, dass die Anlage aus drei Palisaden und umlaufenden Gräben bestand. Der Durchmesser des äußersten Rings beträgt laut Professor Schier über 150 Meter, der mittlere hat etwas mehr als 140 Meter. Ob es sich bei dem mittleren Ring um eine Palisade oder einen schmalen Graben handelt, das ist unter anderen eine der Fragestellungen, die mit der aktuellen Grabung in Hopferstadt geklärt werden sollen.
Die aktuelle Grabungskampagne ist die zweite nach 2006. Damals wurde der Boden anhand von vier kleineren Probeschnitten untersucht. Jetzt werden drei größere Abschnitte im nordöstlichen Bereich der beiden äußeren Ringe erforscht: der Graben, zwei Öffnungen in der Palisade, zudem größere Grubenkomplexe, die sich auf dem Magnetogramm als dunkle Flecken abzeichnen. Für die Untersuchungen der jungen Archäologen musste mit einem Bagger rund 40 Zentimeter Erdreich abgetragen werden, der so genannte Pflughorizont, erst dann war die ungestörte Bodenschicht der Jungsteinzeit erreicht, erläutert Grabungsleiter Markus Rehfeld.
In den Grabungsabschnitten sind die einstigen Gräben als dunkle Verfärbungen erkennbar. Sie zeichnen sich deutlich vom helleren Lößboden ab. Zentimeter für Zentimeter werden die Erdschichten vermessen und vorsichtig nach Funden durchsucht. Bislang sind Keramikscherben, kleinere Werkzeuge aus Feuerstein sowie Fragmente von Mahlsteinen aufgetaucht, aber auch ein komplettes Gefäß und eine Steinaxt. Die wissenschaftliche Auswertung der Grabung und ihren Funden, unter anderen durch die Archäologin und Wolfram Schiers Ehefrau Dr. Kirsten Gebhard, erfolgt im Herbst und Winter. So viel ist jedoch schon jetzt klar: „Die Funde stammen alle aus der Zeit, als die Kreisgrabenanlage benutzt wurde – aus der mittleren Jungsteinzeit. Sie sind also 6600 bis 6700 Jahre alt“, sagt Rehfeld.
Das Team um Professor Schier und Grabungleiter Rehfeld wird von Christina Michel verstärkt. Die Archäologin wird in ihrer Doktorarbeit die geografischen Merkmale und Besonderheiten der Anlage analysieren, die zur Erstellung eines Geländemodells benötigt werden. „Wir haben es hier mit einer untypischen Kreisgrabenanlage zu tun“, sagt Wolfram Schier und meint damit die vielen Lücken beziehungsweise Unterbrechungen in der Palisade. Die meisten der rund 150 bekannten Rondelle zwischen Ungarn und Norddeutschland hätten drei oder vier Tore, in Hopferstadt gebe es wesentlich mehr. Aufgrund der vielen Lücken sei jetzt schon klar, so Schier: „Eine Verteidigungsanlage kann es in Hopferstadt nicht gewesen sein.“
Die Grabungsarbeiten haben sich mittlerweile herumgesprochen. „Wir haben jeden Tag Besuch von interessierten Menschen, die uns über die Schulter schauen und Fragen stellen“, erzählt Markus Rehfeld. Die vom Landesamt für Denkmalpflege genehmigte und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Grabung dauert noch bis zum 14. September. Im nächsten Frühjahr oder Sommer soll das Projekt „Gebautes Wissen“ fortgesetzt werden. Der genaue Zeitraum wird noch mit den Landwirten abgesprochen, sagt Professor Schier. „Er hängt davon ab, wann die Ackerflächen abgeerntet sind.“ Schier rechnet damit, dass die Verständigung mit den Eigentümern und Pächtern weiterhin so gut verläuft, er weiß jedoch, „dass die Interessen von Landwirten natürlich anders ausgerichtet sind als die von Archäologen“.
Kreisgrabenanlage
Bei einem der ersten Flüge, die Otto Braasch 1978 in Unterfranken im Auftrag der Archäologie durchführte, wurde die Kreisgrabenanlage bei von Hopferstadt entdeckt. 2001 führte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege eine Magnetometerprospektion durch. Nach kleineren Untersuchungen im Jahr 2006 erfolgt aktuell bis Mitte September die erste von mehreren Grabungskampagnen zur Bau- und Nutzungsgeschichte der größten Kreisgrabenanlage Deutschlands. Neben dem Hopferstadter Rondell untersucht Professor Wolfram Schier vom Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin mit seinem Team zeitgleich auch die Anlage in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt). Beide Projekte werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter dem Titel „Gebautes Wissen“ gefördert.
Archäologenteam in Hopferstadt: Professor Wolfram Schier, Grabungsleiter Markus Rehfeld, Doktorandin Christina Michel (von links).