Die 1970er Jahre waren auch in Würzburg ein bewegtes und bewegendes Jahrzehnt. Vor allem wurde viel gebaut. Nach dem Wiederaufbau der zerstörten Stadt standen nun viele Großprojekte für die Zukunft auf dem Programm. Vor allem die Universität sorgte am Hubland für rege Bautätigkeit. Die 70er Jahre waren auch ein Jahrzehnt des Umbruchs, denn die Folgen der 68er-Bewegung mit ihren antiautoritären Begleiterscheinungen machten auch vor Würzburg nicht Halt. Ein Blick auf das erste Jahr des neuen Jahrzehnts.
Hochwasser
Zunächst bestimmte die Natur das Geschehen in Würzburg, als am 24. Februar der Main weite Teile der Stadt überschwemmte. Erst stieg er auf 5.80, dann auf 6.60 Meter. Im Eckhaus unterhalb der Alten Mainbrücke befand sich damals die Zoohandlung „Vogel Peter“. Als die Flutwelle das Gebäude erreichte, hängte der Ladenbesitzer kurzerhand eine Angel samt Wurm an die Tür. Angebissen hat aber nichts. Die Karmelitenstraße war nur noch mit Booten erreichbar, die untere Juliuspromenade glich einem See und die Alte Mainbrücke einer Aussichtskanzel. Der Höchststand des Hochwassers war am 25. Februar mit 6.70 Metern erreicht. Mehrere Schulen in Flussnähe wurden geschlossen, Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden. Allerdings betrug der Sachschaden an den Gebäuden über drei Millionen Mark.
Bauen
Ein lokalpolitischer Dauerbrenner, der die Gemüter der Würzburger erhitzte, war Anfang der 70er Jahre die Bebauung des sogenannten Schwanen-Geländes am Mainufer, wo sich heute das Bekleidungshaus Wöhrl befindet. Damals wie heute beschäftigte die Würzburger der vermeintliche Konflikt zwischen modernen Neubauten und historischer Bausubstanz.
Auch das Tennis-Center an den Drei Pappeln war 1970 gerade in der Planung, von einer „Perle des Naherholungsgebietes“ war damals die Rede. Die Perle ist längst wieder von der Bildfläche verschwunden und einem Wohngebiet für gehobene Ansprüche gewichen. Im April war Baubeginn für die Tiefgarage am Marktplatz und im Juli wurden die Pläne für ein neues Zellerauer Bad vorgelegt. Im gleichen Monat wurde das Konzept für die neue Mensa und die Universitätsbibliothek am Hubland vorgestellt.
Der 8. September war dann ein wichtiges Datum für die Autofahrer. Die Noell-Kreuzung, heute als Europastern bekannt, wurde freigegeben. Im November begann der Bau der Sportuniversität oberhalb der Mergentheimer Straße.
Wahl, Abstimmung, Zählung
Wichtige Entscheidung für alle jungen Menschen: Das Wahlalter wird von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt. In Würzburg nahmen nur 39 Prozent an der Volksabstimmung teil, 53 Prozent stimmten mit Ja, 46 Prozent mit Nein. Bei der Landtagswahl im November waren die Würzburger mit einer Wahlbeteiligung von sage und schreibe 81,3 Prozent deutlich aktiver. 51,2 Prozent gab es für die CSU, die SPD brachte es auf 35,5 Prozent. Reinhold Vöth (CSU) und Gerda Laufer (SPD) zogen in den Landtag ein. Außerdem fand in diesem Jahr die bundesweite Volkszählung statt.
Städtisches Leben
Im März gab es etwas Neues in Würzburg: Für die Oberstufen-Gymnasiasten gab es am 11. März ganz offiziell von den Schulleitern demonstrationsfrei. Mit dem „Schulstreik“ protestierten rund 2000 Schüler gegen die Zulassungsbeschränkungen an den Universitäten.
Am 21. März wurde Städtische Galerie im Harmoniegebäude am Paradeplatz eröffnet. Galerieleiter war Hanswernfried Muth. Die erste Ausstellung war Heiner Dikreiter gewidmet, der die Städtische Sammlung 1941 gegründet hatte. 10 000 Mark betrug der Etat für den Ankauf von Kunstwerken. Wenige Tage später wurde in der Valentin-Becker-Straße die neue Synagoge der Jüdischen Gemeinde eingeweiht.
Lange Haare bei jungen Männern waren damals noch ungewöhnlich. Deshalb lautete eine Main-Post-Überschrift über studentische Aushilfsbriefträger „Keine Angst vor langen Haaren“. Im April wurde die Alte Mainbrücke zur Einbahnstraße erklärt und der sogenannte „Macrokern“ vor dem Theater aufgestellt. Öffentlich wurde darüber diskutiert, ob Amtspersonen noch mit ihren Amtsbezeichnungen angesprochen werden sollen oder nicht.
Im Mai gab es Spannungen im Lehrlingswohnheim der AWO. Die Bewohner beschwerten sich über eine „mittelalterliche Heimordnung“, die wenig später modernisiert wurde. Die Maß Kilianifestbier kostete in diesem Jahr übrigens 2,50 Mark.
Aktion Widerstand
Am 30. Oktober fand als Folge des gescheiterten Einzugs der NPD in den Bundestag in der Frankenhalle die Gründungsversammlung der rechtsradikalen „Aktion Widerstand“ als rechte Sammlungsbewegung statt. Bis zu 3000 Alt- und Neonazis waren angereist. Bei einem verbotenen, aber trotzdem durchgeführten Fackelzug durch die Innenstadt kam es zu einem Zusammenstoß mit jungen Gegendemonstranten. Die Polizei griff nicht ein.
Ob das ganze Folgen hatte? Die „Aktion Widerstand“ blieb danach aber bedeutungslos und war nur ein Jahr später wieder von der Bildfläche verschwunden.
Kriminalität
Ein tragisches Ende fand eine Geburtstagsfeier in der Bar „Zur Kuh“ in der Fasbenderstraße. Nach reichlichem Alkoholgenuss kam es zum Streit, wobei der Gastwirt seinen Bruder mit einem Revolver erschoss. Ein weiteres Kapitalverbrechen ereignete sich Anfang Dezember 1970 im Ringpark am Röntgenring. Dort wurde ein 22-jähriger Medizinstudent ermordet.
Musik und Kultur
Kurz vorher hatten sie ihr Album „In Rock“ veröffentlicht und am 11. Dezember spielten sie in den Huttensälen: Die Stars von Deep Purple. Es war eine Sensation, doch in der Zeitung war gerade mal für eine dreizeilige Ankündigung Platz. Viel weniger bekannt, aber in Würzburg beliebt waren die jungen Briten von „Warm Dust“. Sie durften sich wenig später über eine neunzeilige Ankündigung freuen. Außerdem spielten – gerade einmal ein Jahr nach ihrem sensationellen Auftritt in Woodstock – Ten Years After in der Frankenhalle. Woodstock in Würzburg – kaum zu glauben, aber wahr.
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Die Party zur Serie
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