Katholische Kirche und Homosexualität - ein schwieriges Verhältnis. Und dennoch: Am Freitag feierte die von der Caritas getragene Aids-Beratungsstelle für Unterfranken ihr 25-jähriges Gründungsjubiläum.
Und das auf ungewöhnliche, bewegte Art: Die „Reise durch 25 Jahre Geschichte der Aids-Beratung“ führte die rund 100 Gäste des Festakts in einer mit einer roten Schleife geschmückten Straßenbahn vom Hauptbahnhof nach Grombühl, durch die Innenstadt und die Mergentheimer Straße nach Heidingsfeld und von dort zurück zur Juliuspromenade. Die Begründung lieferte Moderator Claus Schreiner: „Wir fahren durch die ganze Stadt, weil das Thema Aids in allen Stadtteilen Spuren hinterlassen hat.“
In seiner Begrüßung stellte Michael Koch, der Leiter der Aids-Beratungsstelle, einen inneren Zusammenhang zwischen zwei aktuellen Jubiläen, 25 Jahre Aids-Beratung und 50 Jahre 2. Vatikanisches Konzil her. In der auf dem Konzil verabschiedeten Konstitution „Gaudium et Spes“ heißt es: „Die Kirche führt das Werk Jesu weiter, der gekommen ist zu retten, nicht zu richten“. Diese Vorgabe des Konzils setze die Aids-Beratung in die Tat um - die Aids-Beratung sei der „Ernstfall der Pastoral der Kirche.“
„Es hat sich vieles bewegt, und es war auch vieles bewegend in diesen 25 Jahren.“ Bewegende, mal lustige, mal nachdenklich stimmende Momentaufnahmen aus den 25 Jahren Aids-Beratung erfuhren die Fahrgäste in den von Claus Schreiner moderierten, auf jeweils drei Minuten beschränkten Interviews und Grußworten. Zu Wort kamen die Klienten, die Betreuer und die Träger der Aids-Beratung.
Den Mut, Gesicht zu zeigen, bewies Johann Ertl. Als er 1994 von seiner HIV-Infektion erfuhr, reagierte er völlig verunsichert: „Im ersten Moment war es wie ein Luftanhalten. Es war, wie wenn die Zeit stehen geblieben wäre.“ Aber: „Ich war niemals verzweifelt.“ Denn: „Ich habe zu Gott gefunden, der mir Kraft gibt.“ Seit fünf Jahr liegt er unter der Nachweisgrenze des Virus, und deswegen kann er auch in Teilzeit arbeiten.
Wie das Pflegepersonal auf die „neue“ Krankheit reagierte, beschrieb Elvira Jachnik, die als Schwester auf der „Station Schottenmüller“ gearbeitet hatte: „Man kam da relativ naiv hin, hat aber viel gelernt. Außerdem haben wir zu vielen unserer Patienten eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut.“
Mit einem Grußwort meldete sich Landtagspräsidentin Barbara Stamm zu Wort: „Jeder Betroffene muss für sich selbst einen Weg finden, mit der Krankheit umzugehen und das innere Gleichgewicht zu finden.“
Ein Grußwort hatte auch Alfred Spall, der „Vater“ und langjährige Leiter der Aids-Beratung, verfasst. Anschaulich beschrieb er das scheinbare „Paradoxon einer kirchlichen Einrichtung als Schutzraum für Schwule“ und würdigte seine Amtszeit als „spannende, aufregende, befriedigende und wertvolle Zeit“.
Die enge und intensive Kooperation der Würzburger Schwulenbewegung mit der Caritas hob WuF-Vorsitzender Björn Soldner hervor. Anfänglich hätten in der katholischen Kirche Vorbehalte gegenüber der Aids-Beratung bestanden. „Ich bin beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit die Aids-Beratung mit dem WuF kooperiert. Diese Selbstverständlichkeit ist in der Amtskirche so nicht zu finden“, so Soldner.
Die unkomplizierte Zusammenarbeit der Aids-Beratung mit der von der katholischen Kirche getragenen Caritas würdigte anschließend Michael Koch: „Wir haben noch nie erfahren, dass uns Schwierigkeiten seitens der Caritas entgegen stehen.“
Bischof kündigt seinen Besuch an
Wie vorsichtig die katholische Kirche mit dem sensiblen Thema Homosexualität umgeht, zeigte das von Domkapitular Clemens Bieber, dem 1. Vorsitzenden des Caritasverbandes der Diözese Würzburg, verlesene Grußwort von Bischof Friedhelm Hofmann, wo nur allgemein von infizierten oder erkrankten Menschen die Rede war. „Alle sollen in der Begegnung mit uns einen Raum der Mitsorge, der Hilfe und des Verständnisses erleben, in dem sie letztlich Gottes Nähe erfahren“, so formulierte der Bischof. Zugleich kündigte er einen Besuch in der Beratungsstelle im Friedrich-Spee-Haus und der Wohngruppe an.
Kurz danach schienen auf einmal die Toten ganz nahe zu sein, als Augustinerpater Dominik Wernicke die Fahrgäste an die zwei Gräber der Aids-Toten auf dem Waldfriedhof erinnerte: „Denken an alle, die wir gekannt haben, die wir gemocht haben, und an die, die schon vergessen sind.“