Eine schöne Weihnachtsgabe für die Firma Brose: Sie sollte beim 3,7 Millionen Euro teuren Ausbau von 600 Metern der Nürnberger Straße ursprünglich 2,6 Millionen Euro Erschließungsbeitrag zahlen. Jetzt musste die Stadt ihre Zahlungsforderung gewaltig nach unten korrigieren: Nach Main-Post-Informationen wird der Automobilzulieferer mit nur noch 600 000 Euro zur Kasse gebeten. Diese Summe wird weder von der Stadt noch von Brose bestätigt, aber auch nicht dementiert.
Die überraschende Korrektur basiert auf einen alten Kaufvertrag, der jetzt im Rahmen der Beitragsberechnung der Stadt aufgetaucht ist. Demnach wurden Erschließungsbeiträge für einen Großteil des 125 000-Quadratmeter-Areals von Brose bereits vor Jahrzehnten abgegolten. Eine überraschende Entwicklung bei dem Aufreger-Thema. Bei Brose hatte man sich über die angekündigte 2,6-Millionen-Forderung massiv geärgert. Das gab Anlass zur Spekulation, der Konzern baue nun deswegen seinen neuen Verwaltungssitz nicht in Würzburg.
Die Stadträte wurden in nichtöffentlicher Runde nun über die aktuelle Entwicklung informiert. Dazu äußern wollten sich befragte Stadtratsmitglieder nicht. Zahlreiche Stadträte sollen aber wegen der späten Beitragskorrektur – über ein Jahr nach der ersten Kostenansage – auf die Rathausverwaltung ziemlich sauer sein. Der Fall „Nürnberger Straße“ ist spätestens nach Broses Entscheid vom April, die neue Verwaltung mit rund 500 Arbeitsplätzen in Bamberg anzusiedeln, ein Politikum. Stadtrat Wolfgang Roth (CSU) warf OB Georg Rosenthal vor, sich nicht genügend für die Ansiedlung in Würzburg eingesetzt zu haben, was dieser bestritt.
Wie kam es zu der großen Abweichung bei der Berechnung? Die Anwohner seien bei einer Veranstaltung im Oktober 2011 über die voraussichtlichen Erschließungsbeiträge informiert worden, erklärt Matthias Schrauth, Leiter der Fachabteilung Beiträge im Finanzreferat. Allerdings „ohne Prüfung der einzelnen, teils auch historischen Fallgestaltungen“.
Bei der rechtlichen Prüfung sei man auf den Kaufvertrag gestoßen, den Brose-Vorbesitzer Siemens 1955 mit der Stadt beim Erwerb des Grundstücks geschlossen hatte. Darin sind kommende Erschließungsbeiträge für einen Großteil des Areals abgegolten. Auf diese Vertragsklausel seien sowohl Stadt wie Brose gestoßen. Sie sei „umfassend qualifiziert“ begutachtet worden, um juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Stadt habe dazu auf eigene Kosten einen ehemaligen Vorsitzenden Richter des Bundesverwaltungsgerichts beauftragt.
Dass diese Prüfung erst jetzt erfolgte, ist laut Schrauth „ein ganz normales Prozedere“ bei einer Beitragsabrechnung. Bei den anderen neun Anliegern würden die Beitragsforderungen nicht von der ursprünglichen Kalkulation abweichen. Das fehlende Geld aus der Brose-Abrechnung muss nun die Stadt finanzieren.
Die Brose-Gruppe bestätigt die mit der Stadt getroffene Ablösevereinbarung. „Durch die Einigung wird eine monatelange Unsicherheit beseitigt“, so Jörg Rödel, Leiter des Brose-Standorts Würzburg. Die Freude über die Kostenersparnis hält sich indes in Grenzen: „Auch wenn die Kostenbelastung nun niedriger ausfällt als angekündigt, fehlt uns der nun vereinbarte Betrag für Maßnahmen, die wir für 2013 angedacht hatten.“
Der Ausbau der Nürnberger Straße ist weit fortgeschritten. Die Anlieger müssen 90 Prozent des 3,7 Millionen-Projekts tragen. Sie kritisieren, dass die Straße, durch die täglich rund 18 000 Autos fahren, als Anliegerstraße behandelt wird. Jetzt will die Stadt den Anliegern eine Ablösevereinbarung“ – wie mit Brose getroffen – anbieten. Mit einer solchen Vereinbarung kann der Erschließungsbeitrag abgelöst werden. „Damit tragen die Anlieger nicht das Risiko von Kostensteigerungen“, so Schrauth. Die Ablösungsverträge seien „keine Sonderregelung für die Nürnberger Straße“.