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GERBRUNN: Kein Dampf mehr über Gut Gieshügel

GERBRUNN

Kein Dampf mehr über Gut Gieshügel

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    Kaum bekannte Brennerei: Hinter den Mauern des Gut Gieshügel über Gerbrunn wurde seit 1887 aus Getreide hochprozentiger Industriealkohol hergestellt – bis jetzt.
    Kaum bekannte Brennerei: Hinter den Mauern des Gut Gieshügel über Gerbrunn wurde seit 1887 aus Getreide hochprozentiger Industriealkohol hergestellt – bis jetzt. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Tief eingeschneit war zeitweise das Gut Gieshügel auf der Höhe zwischen Gerbrunn, Randersacker und Theilheim diesen Winter. Und der Frost ließ die weißen Dampfschwaden, die an der Ostseite des geschlossenen Gehöfts aufstiegen, besonders hervortreten. Wer würde dahinter eine Alkohol-Destille vermuten? Wohl die wenigsten. Doch tatsächlich existierte hinter diesen Gutsmauern seit April 1887 eine Brennerei. Seit 1912, also seit über 100 Jahren, als Kaiser Wilhelm II. das Reichsmonopolgesetz unterschrieb, eine „Verschlussbrennerei“. Ein Jahrhundert lang wurde hier aus Getreide hochprozentiger Industriealkohol hergestellt. Doch nun zum letzten Mal.

    Nach neuen gesetzlichen EU-Regelungen läuft im Herbst 2013 das Staatsmonopol für den Industrie-Alkohol aus. Dann müsste sich Gut Gieshügel wie alle anderen deutschen Brennereien auf dem Weltmarkt behaupten. Und wäre chancenlos, denn die Destille ist damit nicht mehr wirtschaftlich. Fast alle Brennereien dieser Art, von denen es auch noch andere in Franken gibt, werden deshalb zum Ende dieser Brenn-Saison dicht machen.

    Gutsverwalter Dietrich Kühne und Bernd Hesselbach, der letzte Brenner auf Gut Gieshügel, sind alles andere als glücklich über diese Entwicklung. Denn bei 100, insgesamt sogar 120 Jahren kann man schon von einer stolzen Tradition der Alkohol-Brennerei sprechen. Außerdem war diese Art der Getreide-Veredelung auch ein sicheres und lukratives Standbein des landwirtschaftlichen Betriebes. Zumal Bernd Hesselbach, Techniker für Landwirtschaft mit einer Zusatzausbildung für die Brennerei, gerade in den Wintermonaten für die Produktion von Industriealkohol beschäftigt war, wenn auf den Feldern Ruhe herrschte.

    Das Grundmaterial für die Alkohol-Destille wurde in der eigenen Landwirtschaft erzeugt. Der Basisstoff waren entweder Weizen oder Roggen, zuletzt meist aber Triticale, eine gekreuzte Kombination aus Weizen und Roggen, der im Anbau ähnlich wie Roggen aussieht. Das trockene Getreide wird in dem Prozess zunächst unter Druck gedämpft um die Inhaltstoffe aufzuschließen. Unter Hinzufügung von Enzymen und Hefe wird die Stärke verzuckert und beim anschließenden dreitägigen Gärprozess zu Alkohol umgewandelt. Dieser wird dann in der Brennkolonne heraus destilliert.

    86-prozentiger Äthylalkohol

    Das Endprodukt ist 86-prozentiger Äthylalkohol, den dann komplett der Staat übernimmt. Auf Gut Gieshügel wurden auf diese Weise jährlich 200 Tonnen Getreide veredelt, 1,8 Tonnen pro Tag. Das Ergebnis waren pro Saison rund 700 Hektoliter hochprozentiger Alkohol. Der wurde dann nach einer fachgerechten Nachbehandlung vom Staat an die chemische oder pharmazeutische Industrie weitergegeben. Doch das Staatsmonopol gibt es nun nicht mehr.

    Bei einem Gang durch die Anlagen der jetzt stillgelegten Brennerei, die auf einem modernen Stand der Technik ist, kann Gutsleiter Dietrich Kühne überzeugend den Begriff „Verschlussbrennerei“ erklären. Sobald die Basisstoffe sich in der technischen Anlage in den hochprozentigen Alkohol verwandeln, haben der Staat, beziehungsweise die staatlichen Zollbehörden, jede Tür, jede Öffnung, jede Schraube verplombt. Bei jedem technischen Defekt der Anlage musste der Zoll seine Genehmigung erteilen. Der Brenner kam mit seinem Produkt praktisch nie in Berührung.

    Auch jetzt, für die letzte Großreinigung nach der Stilllegung der Brennerei, musste der Zoll gefragt werden, damit hindernde Plomben entfernt werden durften. Nachdem die intakte Anlage aus Edelstahl erst einmal auch so stehen bleiben soll, sorgt die Behörde auch dafür, dass es hier keine Schwarzbrennerei gibt.

    Damit gibt es künftig weiter ungenutzte Räume und Gebäude im großen Gutsareal. Der Gutsleiter führt nach einem Blick in den früher verplombten Tank für den staatlichen Alkohol noch einmal kurz vorbei in die ehemaligen Stallungen für Mastbullen. Auch die hatten etwas mit der Destille zu tun. Denn schon Reichskanzler Otto von Bismarck hatte den Verschlussbrennereien auferlegt, dass die Schlempe, das vergorene Getreide, nach der Destillation an das Vieh verfüttert werden muss.

    Einst Viehhaltung

    Deshalb gab es auf Gieshügel bis 1991 auch noch Viehhaltung. Doch von der Bismark'schen Auflage wurde dann vor 20 Jahren doch Abstand genommen und die unwirtschaftliche und auch personalintensive Viehhaltung wurde aufgegeben. Ein Gang durch das Gut ist damit auch ein Gang durch die Geschichte der Landwirtschaft. Eigentümer von Gut Gieshügel ist die Uni Würzburg durch eine Schenkung des Universitätsgründers Julius Echter. Das Gut mit über 200 Hektar Ackerfläche ist seit 1965 von der Südzucker AG gepachtet. Angebaut werden Getreide, Zuckerrüben und Raps.

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