Am 8. Mai jährt sich Schmerls Todestag zum 50. Mal. Für Martha und Michael Bergmann Grund genug, alles zusammenzutragen, was sie über diesen ungewöhnlichen Unterfranken finden konnten. „Schmerl entstammt einer richtigen Pfarrer-Dynastie“, sagt Michael Bergmann, der von den Büchern des evangelischen Geistlichen gar nicht genug bekommen kann. Schmerls Vater war von 1848 bis 1868 Pfarrer in Sommerhausen. Der Sohn kam 1879 im Pfarrhaus in Markt Einersheim zur Welt und trat 1907 nach seinem Studium eine Pfarrstelle in Gollhofen an.
1926 kam er zur Deutschhaus-Gemeinde in Würzburg, wo er 1963 starb. In diesen letzten Jahren lernte Martha Bergmann den Geistlichen im Ruhestand kennen. Sie arbeitete als Kindergärtnerin in der Deutschhaus-Gemeinde, Schmerl und dessen Frau hatten ihre Wohnung über dem Kindergarten. „Er war ein sehr aufgeschlossener Mann, und er liebte die Kindergartenkinder“, erinnert sich Martha Bergmann. Mit Michael Bergmann war die gebürtige Winterhäuserin damals verlobt und zog bald zu ihm nach Sommerhausen.
Michael Bergmann hat viel von dem gelesen, was der schreibfreudige Pfarrer zu Papier gebracht hat. 1914 wurde dessen erstes Buch veröffentlicht: „Der Pfarrherr von Gollhofen“. Schmerl schildert darin Begebenheiten aus dem Leben des Pankrazius Müller im 16. Jahrhundert. Anleihen für diese Erzählung nahm Schmerl aus alten Kirchenaufzeichnungen. Obgleich fiktiv, schildert das Buch doch recht akkurat die Lebensumstände im 16. Jahrhundert. Dabei gelingt es Schmerl auch sprachlich, in jene Zeit einzutauchen.
„Hart an der großen Literatur“, schrieb der Literaturkritiker Josef Hofmiller (1877-1933) über Schmerls zweiten Roman „Kaspar Lederer der Schulz“, der 1921 erschien. Schmerl selbst betrachtete sein schriftstellerisches Talent viel bescheidener: „Ich schreib' halt, weil es mir Freude macht“, sagte er 1958 in einem Interview.
Ein gesellschaftskritisches Porträt ist der Roman „Gräfin X – ein Opfer ihrer Zeit“, in dem Schmerl das Leben einer Adeligen in der Zeit um 1800 schildert, die durch eine unstandesgemäße Verbindung auf unüberwindliche Hürden stößt. „Sebastian Schmerl hat einen sehr spannenden Schreibstil. Wenn man einmal zu lesen angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören“, sagt Michael Bergmann schmunzelnd. Er und seine Frau bekamen das Buch von Schmerl zur Verlobung geschenkt.
In Antiquariaten sucht und findet das Ehepaar immer wieder ungewöhnliche Ausgaben von Schmerl-Büchern, manche sogar mit Widmung. Zu seinem 50. Todestag, finden die beiden, dürfe der schreibende Pfarrer ruhig einmal erwähnt werden. Ob er selbst etwas über Wilhelm Sebastian Schmerl zu Papier bringen wird, muss sich Michael Bergmann aber erst noch überlegen.