"Ich habe dort den Führerschein gemacht. Ich habe nicht lange gebraucht und es auf Anhieb geschafft“, sagt ein Main-Post-Kollege. Es geht um Karl Amrehn, der diesen Donnerstag 80 Jahre alt wird. Amrehn ist seit über 50 Jahren Fahrlehrer und übt seinen Beruf auch heute noch in seiner eigenen Fahrschule aus.
Die Frage nach seiner Fitness stellt sich eigentlich gar nicht: Als ein Zettel herunterfällt, bückt er sich flink wie ein Wiesel und hebt ihn auf. Er hört jede Frage, die man ihm aus dem Fond seines Wagens stellt. Und die Verkehrsschilder sieht er wesentlich früher als sein junger Fahrschüler am Steuer. Da steckt eine Riesenportion Routine dahinter.
„Durch meinen Beruf trinke ich keinen Alkohol, und vor 40 Jahren habe ich mit Rauchen aufgehört“, sagt er. „Ich bin gesund, mir fehlt nichts. Ich brauche keine Medikamente.“ Und das ohne Fitnesskurse. Nicht einmal Schnapspralinen mag er, wenngleich er ansonsten eine echte Naschkatze sei, wie eine Mitarbeiterin verrät. Hat Amrehn sen. jemals einen Unfall gehabt? „Eigentlich nicht; ich habe mal einen Außenspiegel berührt.“ Schnell ergänzt er noch: „Ich habe keine Punkte in Flensburg!“ Amrehn schult nur noch das Fahren im Pkw mit seinen beiden Fahrschulautos. Für den Motorradführerschein kooperiert er jetzt mit Marcos Fahrschule in der Peterstraße.
Als junger Bursche lernte er in einer Autowerkstatt und konnte später für einen Autohersteller ein Jahr lang in der Nähe von Birmingham/England arbeiten. Das habe ihm so viel gebracht, dass er heute noch jedem Jugendlichen rät: „Mach' ein Jahr im Ausland!“ Mit 16 Jahren bestand er den Motorradführerschein und setzte als 21-Jähriger den Führerschein für Lkw's drauf; mit 23 erwarb er den Omnibusführerschein und war zunächst ein paar Jahre Busfahrer. Er schwärmt heute noch vom üppigen Trinkgeld der amerikanischen Touristen, „Vier Mark zwanzig haben einem Dollar entsprochen: Das war sehr lukrativ.“ Ein Pkw-Führerschein sei nicht mehr nötig gewesen. Den beinhalteten die bereits geleisteten Prüfungen. Er schloss 1961 die Fahrlehrerprüfung an und lehrte das Fahren auf allen üblichen motorbetriebenen Vehikeln.
Wache Augen schauen ihr Gegenüber an. Trotz einiger Falten wirkt Amrehn nicht wie 80, eher zehn, zwölf Jahre jünger. Und dies bei diesem stressigen Beruf? „Der Beruf ist doch nicht stressig!“, winkt er fast empört ab. „Ist das vielleicht stressig, mit so einem jungen Kerl zu fahren? Das macht doch eher Spaß!“ Stress, sagt er, empfinde er bei den Prüfungen, weil er als Beifahrer seinen Schülern am liebsten helfen würde, dies aber nicht darf. Mit dem 17-jährigen Patrick Hörber hat Amrehn heute einen Schüler, der mit noch nicht einmal zehn Fahrstunden den „Golf plus“ schon passabel fährt: zwischendurch mal hartes Bremsen, vor einer Kurve zu weit vorgefahren oder auf der Beschleunigungsspur noch nicht genug Gas gegeben – Patrick kriegt das bald in den Griff. Der Fahrlehrer schickt ihn über Land, 'rauf auf die Bundesstraße, 'runter von der Bundesstraße, durch Eibelstadt und an Sommerhausen vorbei und wieder ein paar Schleifen fahren. Und auf der B 13 bitteschön nah an der Richtgeschwindigkeit bleiben, „damit nicht gefährlich überholt wird. Und immer weit vorausschauend fahren“. Dabei spricht Amrehn ruhig, ab und zu etwas nachdrücklich.
Noch nie habe ihn jemand direkt auf sein Alter angesprochen, sagt Amrehn, allerdings seien schon früher, als er noch drei zusätzliche Fahrlehrer hatte, die jüngeren Schüler zu den jüngeren Lehrern gegangen, die Älteren hätten eher die Routine des Erfahreneren geschätzt. Er macht sich nichts vor: „Das wird heute nicht anders sein.“ Und was hält er von regelmäßigen Prüfungen ab dem Seniorenalter? „Von Fahrlehrerseite her ja, da hätten wir ja selber was davon und wären besser ausgelastet! Aber die es beschließen, sind doch selber Ältere!“ Er setzt noch eins drauf: Auch begleitetes Fahren sei super, weil die Schüler da bereits viele Tipps der Begleitpersonen erhielten. Er würde dazu nicht nur für 17-Jährige, sondern auch für 18-Jährige raten.
Das Geschäft laufe zurzeit nicht besonders gut. In den 60-er, 70-er und 80-er Jahren, sagt er, gab es wenige Fahrschulen und viele junge Leute, die den Führerschein machen wollten – heutzutage sei das umgekehrt.
Und so bleiben ihm im Moment etwa ein Dutzend Leute. Manche sind Kinder von früheren Fahrschülern, andere wie Patrick haben sich hier angemeldet, weil sie in der Nähe wohnen. Zurzeit unterrichtet er auch eine Frau, die ihr kleines Kind während der Fahrstunden im Kindersitz mitnimmt, und eine andere, die nach langer Fahrpause freiwillig ein paar Stunden nimmt. Viele Jahre hindurch hatte Amrehn auch zahlreiche ausländische Schüler, so etwa einen Kenianer, der als medizinischer Assistent an einer Würzburger Klinik arbeitete, asiatische Studenten und viele Leute aus der früheren Sowjetunion. Häufig halfen bei der Verständigung seine fundierten Englischkenntnisse.
Amrehn begann sein Geschäft 1968 in der Semmelstraße und ist seit 1971 in der Valentin-Becker-Straße 10 zu finden. Fahren und das Fahren lehren darf er übrigens ohne weiteres für Pkw's. Würde er noch Omnibus fahren, müsste er alle drei Jahre einen Gesundheitstest bestehen. Einen Sehtest macht er regelmäßig freiwillig.
Der Senior-Fahrlehrer, der laut seiner Mitarbeiterin Sabine Hofmann der älteste aktive Fahrlehrer in Würzburg ist, arbeitet nicht mehr den ganzen Tag, hat mit zunehmendem Alter die Anforderungen an sich selbst Stufe um Stufe zurückgeschraubt. Mit der Verbandszeitung des Fahrlehrerverbandes hält er sich auf dem Laufenden – und hofft, dass einer seiner Söhne, der selbst angestellter Fahrlehrer in Kitzingen ist, seine Schule in der Valentin-Becker-Straße übernehmen wird. Erst einmal macht der Senior weiter.