Die Umweltkatastrophe kann man am Donnerstag am nördlichen Ortseingang von Estenfeld sehen und riechen: Klopapier bedeckt die Bachböschung, Kloakegestank hängt in der Luft. An einem Regenüberlaufbecken der Gemeinde Estenfeld ist erneut stark verschmutztes Abwasser in die Kürnach gelaufen und hat das Leben im Bach zerstört.
Beweis dafür sind Dutzende toter Bachforellen, die Bachpate Matthias Hampl am Tag zuvor zufällig in der Kürnach entdeckt hat. „Wie viele verendete Fische schon weggespült waren, weiß man nicht“, sagt der schockierte Naturfreund. Aus den abgespreizten Kiemen der verendeten Forellen schließt er, dass diese erstickt sind. „Und mit ihnen auch alle Kleinstlebewesen im Bach.“
Was ist passiert? „Offenbar hat ein Defekt am Regenüberlaufbecken dazu geführt, dass eine größere Menge Abwasser in den Bach gelaufen ist“, sagt Polizeisprecher Karl-Heinz Schmitt, nachdem seine Kollegen von der Wasserschutzpolizei am Donnerstagmorgen vor Ort ermittelt haben. Gemeinsam mit Mitarbeitern des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg wurden Proben am Bach genommen. Martin Günder, von der Würzburger Servicestelle sagte: „Es ist definitiv Abwasser in den Bach gelangt.“
Funktionierende Regenüberlaufbecken sammeln bei Regen große Wassermengen aus dem Kanal, die die Kläranlage überfordern würden, und leiten diese in „Vorfluter“. So kommen ungeklärte Haushaltsabwässer stark verdünnt in Bäche und Flüsse.
In Estenfelder Regenüberlaufbecken wurden offensichtlich nicht genügend verdünnt. „Vermutlich ist das beim letzten größeren Regen passiert“, sagt Schmitt. „Es spricht vieles dafür, dass der Vorfall schon am Wochenende gewesen ist.“
Nach der Entdeckung der Fischkadaver in Estenfeld hat Fischereiaufseher Jürgen Wiedemer am Donnerstag den Bach auch stromabwärts inspiziert. „Ich fand in Lengfeld weitere 18 tote Fische. Sowohl dort als auch in der Aumühle stinkt es nach Kloake und Klopapier hängt in der Bäumen.“
Dass der Bach immer wieder sicht- und riechbar verschmutzt ist, kritisieren Bürger schon länger. Als Hauptschuldiger dafür, gilt die Gemeinde Estenfeld, seitdem 2011 Hunderte von Forellen verendet sind und Ermittlungen ergaben, dass Abwasser aus dem Regenrückhaltebecken an der Weißen Mühle, diese vergiftet hatte. Während die Gemeinde bislang abstreitet, für dieses und ein weiteres Fischsterben im vergangenen Jahr verantwortlich zu sein, haben Wasserwirtschaftsamt und Landratsamt erklärt, an der Verbesserung des Estenfelder Kanalsystems zu arbeiten.
Zu den jüngstem Fischsterben wollte sich Estenfelds Bürgermeister Michael Weber am Donnerstag nicht äußern, kündigte aber eine Stellungnahme an, sobald er sich selbst informiert habe.