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WÜRZBURG: Ausgezapft: Traditionswirtschaft „Onkel“ hat zu

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Ausgezapft: Traditionswirtschaft „Onkel“ hat zu

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    Letztes Bier gezapft, letztes Schnitzel serviert: Anna-Maria und Rainer Pfannes haben nach 37 Jahren den „Onkel“ geschlossen.
    Letztes Bier gezapft, letztes Schnitzel serviert: Anna-Maria und Rainer Pfannes haben nach 37 Jahren den „Onkel“ geschlossen. Foto: Fotos: Norbert Schwarzott

    Am Samstagabend um halbzehn verließen die letzten Gäste den Onkel, das alte Wirtshaus in der Frankfurter Straße 34. Das Wirtspaar, Anna-Maria und Rainer Pfannes, ging mit ihnen. Der „Onkel“ ist Geschichte.

    Eineinhalb Wochen zuvor wurde den Wirtsleuten bang beim Gedanken, die Main-Post könnte von der Schließung berichten, bevor sie das allerletzte Bier gezapft haben. „Bitte nicht“, bat die Wirtin, „sonst werden wir noch mehr überlaufen.“ „Und keine Lobeshymnen“, mahnte der Wirt, der Onkel sei „eine ganz normale Wirtschaft“ gewesen. Dass der „Onkel“ „ganz normal“ war, ist lange her. Weil er sich nie veränderte, ist er zum Unikum geworden.

    In den 1920er Jahren erwarb Rainer Pfannes' Großvater die Wirtschaft von einem Herrn Lang; der hatte sie nach seinem Namen „Onkel Lang“ genannt. Großvater Pfannes strich den „Lang“ und behielt den „Onkel“. Er starb vor dem Weltkrieg; Rainer Pfannes berichtet, „da war der ,Onkel‘ sich selbst überlassen, bis der Vater aus dem Krieg zurückkam“. Das Haus sei bewohnt gewesen, „von oben bis unten“; Wohnraum war knapp in der zerstörten Stadt. Vater Pfannes eröffnete das Wirtshaus wieder und zapfte und kochte bis Anfang der 1950er Jahre. Dann verpachtete er es, bis 1977. Sohn Rainer, ein gelernter Koch, und Schwiegertochter Anna-Marie, eine Österreicherin aus der Steiermark, übernahmen den „Onkel“. Jetzt, sagen die beiden, „ist die Luft raus“. Früher sechsmal, in den letzten Jahren fünfmal die Woche von früh um neun bis abends zehn oder noch länger – er sagt, „das bleibt in den Knochen hängen“. Rainer (63) und Anna-Maria (62) Pfannes haben sich müde gearbeitet.

    Während der „Onkel“ blieb, wie er immer war, veränderten sich die Sitten und Gebräuche in der Zellerau. Früher, erinnert sich das Wirtspaar, kamen Arbeiter und Angestellte in der Mittagspause zum Essen zu ihnen. Das sei lange vorbei, sie holten sich ein schnelles Essen in der Metzgerei oder in den Supermärkten. Die alten Leute kämen auch nicht mehr, sie würden mit „Essen auf Rädern“ versorgt. Früher sei viel mehr Bier getrunken worden. Die beiden erinnern sich gern an einen allabendlichen Gast, der erst nach Hause ging, wenn er „sechs, sieben Halbe, das war sein normales Quantum“, intus hatte. Heute tränken die Gäste Apfelschorle.

    Sonntägliche Frühschoppen, Schafkopf- und Skat-Partien, Kappenabende im Fasching, Leichenschmäuse und Hochzeitsfeiern, das gab es alles im „Onkel“ und ist lange vorbei. Wer heute zu Feiern einlädt, sagt Rainer Pfannes, wolle eine „schicke Umgebung“, der gehe „nicht in so ein olles Wirtshaus“. Und die jungen Leute starteten mittlerweile so spät ihre Touren durch die Kneipen, da sei im „Onkel“ das letzte Bier schon längst getrunken.

    „Man kann nicht jeden alten Mist aufheben und pflegen.“

    Rainer Pfannes „Onkel“-Wirt

    Das Nebenzimmer ist trotzdem ein Versammlungsort im Stadtteil geblieben, wo Sozialdemokraten und Christsoziale Politik machten oder Gruppen wie die Zellerauer Hausärzte sich trafen. Die Zellerauer SPD sucht ein neues Lokal für ihren Politischen Aschermittwoch.

    Ein Gast setzt sich zu den beiden an den Tisch. Schade, dass der „Onkel“ schließe, sagt er, und dass das Haus unter Denkmalschutz gestellt werden sollte. Der Wirt hört das nicht zum ersten Mal und kann es nicht mehr hören. Was erhaltenswert sei an dem Haus, will er wissen und echauffiert sich: „Es hat keinen Baustil, es hat ein kaputtes Dach, es hat einen feuchten Keller“, dazwischen sei alles marode und zum Zustand der Rohre und Leitungen fällt ihm kein Wort ein, das dramatisch genug wäre.

    Wie alt das Haus ist, wisse er nicht. Er habe in den Archiven geforscht, aber nichts gefunden. Die Wirtin erzählt, am 16. März 1945, nach dem Bombenangriff der Royal Air Force, habe es gebrannt „und irgendwer hat's gelöscht“. „Ja, hätt' er's brennen lassen“, brummt ihr der Gatte dazwischen, „dann wäre es wenigstens neu aufgebaut worden“.

    Die Wirtsleute haben sich lange genug geplagt. Eine schöne Zeit hätten sie gehabt, sagt sie, „,mit zu 99 Prozent lieben Gästen“, von denen sie die meisten beim Namen kannten. Er sagt, wehmütig sei er trotzdem nicht. Dass wieder ein altes Stück Zellerau perdu ist, nimmt er pragmatisch: Das sei eben der Lauf der Dinge. „Man kann nicht jeden alten Mist aufheben und pflegen, das ist halt so.“

    Das Haus wird abgerissen, der neue Eigentümer will ein Wohnhaus bauen. Den Antrag hat er bei der Stadt gestellt. Ab diesem Mittwoch verkaufen die Pfannes' im „Onkel“ Geschirr, Besteck, Gläser, Krüge – beinah alles, was in der alten Wirtschaft steckt – bis Samstag, 7., und vom Mittwoch 10., bis Samstag 14 Dezember, immer von 11 bis 18 Uhr.

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