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KEESBURG: Von einem echten Keesburger

KEESBURG

Von einem echten Keesburger

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    Sammler und Heimatforscher: Erwin Schmollinger (rechts) spürte auch den Sohn des letzten Pächters von Hofgut Keesburg, Heiner Hunsinger, auf. Hinten das Gut Keesburg, gezeichnet von Curd Lessig.
    Sammler und Heimatforscher: Erwin Schmollinger (rechts) spürte auch den Sohn des letzten Pächters von Hofgut Keesburg, Heiner Hunsinger, auf. Hinten das Gut Keesburg, gezeichnet von Curd Lessig. Foto: Foto: AMMON

    Für Erwin Schmollinger ist die Gartenstadt Keesburg ein Dorf. Ein Dorf freilich mit besonderem Charakter. Hoch über Würzburg auf dem Plateau des Neubergs gelegen, ist der Würzburger Stadtteil nicht nur von geduckt wirkenden Häusern und großen Selbstversorger-Gärten geprägt, sondern auch von erstaunlichen Zeugnissen des modernen Städtebaus der Nachkriegsjahre wie einer Sternwarte, der in den frühen 1950er Jahren errichteten St.-Alfons-Kirche mit spätkubistischem Altarbild oder einer Waldorfschule. Mit der 1937 erbauten Kettelerstraße besitzt die Siedlung sogar einen ganzen Straßenzug, der seit späten 1990er Jahren unter Denkmalschutz steht. Auf knapp reich bebilderten 500 Seiten hat der langjährige Inhaber eines Papierladens nun die Geschichte des noch jungen Stadtteils, seiner Bewohner, Straßen und Besonderheiten beschrieben.

    Dabei ist der Stadtteil erst nach einem Spendenaufruf zum 80sten Geburtstag des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg entstanden. Die ersten Häuser der Hindenburg-Siedlung wurden ab 1927 nahe der Keesburgstraße gebaut, unweit des Sieboldwäldchens, als neue Heimat für die Versehrten des Weltkriegs, kinderreiche Familien und Notleidende. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Ausgebombten hinzu. Zu ihnen gehören auch die Schmollingers, Erwin, sein Bruder Helmut und seine Mutter.

    Es begann mit einer Ansichtskarte

    Schmollingers Faszination für die Geschichte der Keesburg begann mit einer Ansichtskarte. Als der Sammler 1971 eine Karte vom Gut Keesburg aus der Zeit um 1900 in der Hand hält, weckt dies seine Neugierde. Das Wohnhaus mit doppeltem Gewölbekeller, das der Stadtmaurermeister Joseph Georg Kees 1812 hoch über der Stadt auf dem Neuberg errichtet hat, das 1896 von der Stadt aufgekauft, in den 1950er Jahren der wachsenden Gartenstadt weichen musste, packt ihn.

    Doch Kees ist nur einer von vielen Keesburgern, denen Schmollinger zu neuem Leben verhilft. Ihre Spuren hat er als Dauergast in den Würzburger Archiven und Universitätsbibliothek nachvollzogen. „Links saß ein Professor, rechts ein Student, die Materialien haben immer schon für mich bereit gelegen“, erinnert er sich. Einen großen Anteil an dem Buch tragen zudem die Bewohner der Keesburg. Von ihnen stammen die Erinnerungsberichte, von ihnen hat er über 800 Photographien, von denen viele erstmals in dem Buch gedruckt vorliegen. Mit seinem kleinen Papierladen, den er vier Jahrzehnte lang in der Hans-Löffler-Straße geführt hat, hatte der Heimatforscher einen unschätzbaren Vorteil, gegenüber professionellen Historikern: Er war immer gegenwärtig, er war der tagsüber „der einzige Mann“ in der Siedlung, wie er scherzhaft erzählt: „Die Leute hatten genug Zeit, mir ihre Bilder vorbeizubringen.“

    Es gab noch ganz andere Pläne

    Ein Knetmodell von 1935 zeigt jedoch, dass die NS-Machthaber weitere Pläne hatten: Eine Ringstraße um die Siedlung, eine breite, von Blockbebauung gesäumte Allee als Nord-Süd-Achse, im Südwesten Kasernen und sogar eine Gauschulungsburg auf einer Bergnase hoch über dem Main. Am 16. März 1945, dem Tag der Zerstörung Würzburgs, retten sich die Menschen aus dem Inferno im Talkessel auf die Höhe.

    Den damals fünfjährigen Heiner Hunsinger, der als Sohn des letzten Gutspächters, zahlreiche „Anekdötli“ beigesteuert hat, ließ der Anblick, wie die Flüchtenden am Tor eintrafen, nicht mehr los. „Die Menschen stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben“, erinnert er sich, ganz so wie auf dem Bild 'Der Schrei' von Edvard Munch. Auch von ihnen fanden viele in der mit Kriegsende plötzlich auf über 2000 Menschen angewachsenen Gartenstadt eine neue Heimat. Dass der Neuberg noch 1954 nur mühselig zu Fuß oder einem wenigen Autos über die Ebertsklinge, einem engen Hohlweg zu erreichen war, spielte damals keine Rolle.

    Das Buch ist in einer Auflage von 800 Exemplaren mit Illustrationen von Vladimir Petrov erschienen. Zu erwerben ist es nur über den Autor oder über Papierwaren Schmollinger.

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