80 Bürgerinnen und Bürger, sieben OB-Kandidaten unter ihnen, diskutierten im Kolpinghaus die Zukunft von Würzburg. Ein Quartett von Bildungseinrichtungen – Akademie Frankenwarte, Akademie Domschule, Kolping-Akademie und Rudolf-Alexander-Schröder-Haus – hatte drei Themenschwerpunkte vorgegeben: Würzburg als soziale, lebenswerte und Kulturstadt.
Eineinhalb Stunden lang diskutierten Bürger mit sehr unterschiedlichen Ansätzen und Meinungen, dann waren neue Schwerpunkte geboren: Transparenz und Bürgerbeteiligung. An ihnen arbeiteten sich dann die OB-Kandidaten ab, moderiert von Main-Post-Lokalchef Andreas Jungbauer.
Also sprach Charlotte Schloßareck vom Bürgerforum, sie sei „beeindruckt von der Vielfalt, was die Bürger alles für Ideen und Überlegungen haben. Das hätten wir schon viel eher machen sollen“. In ihren knapp zwölf Jahren als Stadträtin habe sie „sowieso auch immer Bürgerbeteiligung gefordert“, zum Teil habe die auch stattgefunden“, aber insgesamt sei es ihr zu wenig gewesen.
Ob Schloßareck die Notwendigkeit sieht, den Dialog zwischen Bürger und Rathaus zu institutionalisieren, sagte sie nicht. Eine Idee, wie eine größere Beteiligung der Bürgerschaft in die Stadtpolitik zu organisieren sei, äußerte sie ebenfalls nicht.
Keiner der Kandidaten meinte, dass alles in Ordnung sei. Auch nicht die beiden städtischen Referenten Christian Schuchardt und Muchtar Al Ghusain, denen, etwa in der Frage der Theater-Sanierung, selbst Geheimniskrämerei vorgeworfen wird.
Al Ghusain, Kultur-, Sport- und Schulreferent, Kandidat von SPD und Grünen, versicherte, Bürgerdialog und Bürgerbeteiligung stehen bei ihm „an erster Stelle“. Er wolle als Oberbürgermeister eine Stabsstelle für Dialog und Bürgerbeteiligung einrichten. Die Bürgerbeteiligung solle institutionalisiert werden, zum Beispiel über Ortsbeiräte in den Stadtteilen. Nach Al Ghusains Vorstellung sollen sich die Bürger darauf verlassen können, dass ihnen dieses Instrument zur Verfügung steht.
Stadtkämmerer und Personalreferent Schuchardt, Kandidat von CSU, WL und FDP, will ein neues Referat einrichten, angelehnt ans Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt. Da wolle er die Behandlung von Gleichstellungs- und Integrationsfragen ebenso bündeln wie die Entwicklung neuer Kommunikationsstrukturen. Schuchardt ist maßgeblich an den Verhandlungen mit dem Investor beteiligt, der das Mozart-Areal übernehmen will. Die Stadt führt die Verhandlungen hinter den Kulissen, Schuchardt musste sich dafür rechtfertigen. Er berichtete, das Konzept des Investors sei ein Geschäftsgeheimnis. Sollten die Verhandlungen scheitern, dürften weitere Investoren nicht davon profitieren. Schuchardt hatte beim Publikum einen schweren Stand.
Wolfgang Baumann, dessen Liste „Zukunft für Würzburg“ die Adressen aus dem Bürgerbegehren für den A 3-Tunnel nutzte, um für sich Wahl-Werbung zu betreiben, hielt dagegen. Das sei „alles Quatsch, völliger Unsinn, juristischer Unsinn, auch politischer Unsinn“. Wenn die Stadt ihre Planungshoheit einem privaten Investor ausliefere, „dann wissen wir nicht, was dabei herauskommt und wir können es nicht bestimmen“. Auf solche Weise werde die Innenstadt „dem Zufall überlassen und dem Zerfleddern“.
Baumann versprach, Schwerpunkt seiner ersten 100 Tage als Oberbürgermeister werde sein, „die Kommunikationsstruktur in der Stadtverwaltung zu verändern“. Er könne sich eine Art Ombudsrat vorstellen, an den Bürger ihre Beschwerden über die Verwaltung richten können. Die „Kultur der Kritik“ solle etwas Positives sein. „Die Bürger sehen, wo es brennt, und diese Verbesserungsstruktur muss aufgegriffen werden.“ Er wolle ein System zur ständigen Verbesserung städtischen Handelns durch Bürgerbeteiligung institutionalisieren.
Raimund Binder, der Kandidat der ÖDP, kennt Bürgerbeteiligung aus eigener Aktivität. Seit zehn Jahren ist er der Sprecher der Bürgerinitiative „Ringpark in Gefahr“. Würde er OB werden, werde sein Schwerpunkt sein, „dass sich die Bürger einbringen können“. Es gebe viele Möglichkeiten, das zu tun.
Dominik Metzger von der Piratenpartei glaubt, mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung würden zu weniger Frust bei den Menschen führen, die sich engagieren wollen.
Schuchardt meint, die Unzufriedenheit in der Bürgerschaft sei auch begründet „in der Wankelmütigkeit Sache innerhalb der Stadtverwaltung und innerhalb der politischen Prozesse“. Eines seiner Beispiele: „Da geht man beim Moz hin und will das abreißen und eine Einkaufsgalerie machen. Dann bewirbt man sich erfolglos als Landesmuseum und betont die Werthaltigkeit des Gebäudes. Wie schizophren ist denn das?“ Da brauche „man sich doch nicht zu wundern, wenn man ein Bürgerbegehren bekommt“. Verwaltung und Stadtrat würden „Versprechungen generieren, die sie im Zweifelsfall nicht halten können“. Man müsse „sich in irgendeiner Form am Machbaren orientieren“.
Al Ghusain hielt dagegen: „Ohne Visionen können wir eine Stadt nicht gestalten“. An zweiter Stelle komme „natürlich die Frage der Finanzierung. Aber die Visionen stehen an erster Stelle“. Schuchardts Rede von der Wankelmütigkeit führte er genauer aus: Der Kollege, Kämmerer und Konkurrent habe die Linie 6 zur Disposition gestellt. Al Ghusain erinnerte daran, dass 4,3 Millionen Euro Planungskosten bereits ausgegeben sind. Schuchardt „und die Konservativen im Stadtrat haben den Sanierungsplanung für die Frankenhalle abgelehnt“, nachdem 1,5 Millionen Euro in die Planung gesteckt wurden. Schließlich hätten sie auch den Umbau der Hofstraße zur Fußgängerzone abgelehnt – „zurückgegebene Zuschüsse: 1,7 Millionen“. Schuchardt „und die Konservativen“ hätten „7,5 Millionen Euro einfach in die Tonne getreten. Und das sind die, die für sich in Anspruch zu nehmen, für Finanzen besonders kompetent zu sein“.
Die Ausrichter der Diskussion, die vier Erwachsenenbildungseinrichtungen, sammelten, was die werbenden und umworbenen Teilnehmer vortrugen. Sie wollen es auswerten, um das Miteinander von Kommune, Kirchen und Zivilgesellschaft „auf Tragfähigkeit und Synergie überprüfen“. Geplant ist die Zusammenfassung in einem Papier, überschrieben mit „Würzburger Thesen 2017“.