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WÜRZBURG/PAPEETE: Südsee-Mord: Prozess hat begonnen

WÜRZBURG/PAPEETE

Südsee-Mord: Prozess hat begonnen

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    Für den Mord an dem deutschen Segler Stefan Ramin und den Angriff auf dessen Würzburger Freundin Heike Dorsch im Jahr 2011 muss Arihano Haiti 28 Jahre hinter Gitter.
    Für den Mord an dem deutschen Segler Stefan Ramin und den Angriff auf dessen Würzburger Freundin Heike Dorsch im Jahr 2011 muss Arihano Haiti 28 Jahre hinter Gitter. Foto: Gregory Boissy Oissy (Afp)
    Ein Bild aus glücklichen Tagen: Auf Panama konnte der in der Südsee ermordete Stefan R. (links) noch mit seinen Freunden lachen. Mit auf dem Bild seine Lebensgefährtin Heike Dorsch (Mitte, unten) aus dem Raum Würzburg sowie der frühere Würzburger Radiomoderator Bertel Bühring (rechts) und dessen Freundin Ute.
    Ein Bild aus glücklichen Tagen: Auf Panama konnte der in der Südsee ermordete Stefan R. (links) noch mit seinen Freunden lachen. Mit auf dem Bild seine Lebensgefährtin Heike Dorsch (Mitte, unten) aus dem Raum Würzburg sowie der frühere Würzburger Radiomoderator Bertel Bühring (rechts) und dessen Freundin Ute. Foto: Foto: B. Bühring
    Entkam knapp dem Mörder ihres Freundes: Brutal veränderte der Mord an ihrem Freund in der Südsee vor zwei Jahren das Leben von Heike Dorsch. Darüber schrieb sie ein Buch.
    Entkam knapp dem Mörder ihres Freundes: Brutal veränderte der Mord an ihrem Freund in der Südsee vor zwei Jahren das Leben von Heike Dorsch. Darüber schrieb sie ein Buch. Foto: Screenshot: MP

    Ein Mordprozess am anderen Ende der Welt lässt aufhorchen: In Papeete auf Tahiti begann am Dienstag der Prozess um den sogenannten Südsee-Mord: Arihano Haiti (31), ein einheimischer Jäger, ist angeklagt, 2011 auf seiner Heimatinsel Nuku Hiva den deutschen Weltumsegler Stefan Ramin getötet zu haben. Ramins Lebensgefährtin Heike Dorsch, die aus Würzburg stammt, entkam um Haaresbreite dem gleichen Schicksal.

    Vier Tage lang will das Gericht den Fall untersuchen, der weltweit für Gruseln sorgte – auch wenn sich nach wilden Schlagzeilen 2011 jene Erzählungen als Ammenmärchen herausgestellt hatten, die von Kannibalismus faselten. Auch ohne dies sorgen die Fakten für Gänsehaut.

    Dass Arihano (31) den Fremden, der vor der Insel Anker geworfen hatte, getötet hat, gestand er längst. Aber warum? Und weshalb wurde das Opfer zerstückelt und verbrannt?

    Der Angeklagte – dem lebenslängliche Haft droht – blieb zum Auftakt bei der Geschichte, die er bereits Ermittlern erzählt hatte: Der Segler habe ihn auf der gemeinsamen Ziegenjagd im Hochland seiner Heimatinsel vergewaltigen wollen. In Notwehr habe er geschossen, dann sei Ramin ins Lagerfeuer gefallen – eine Version, die nicht zum Spurenbild passt. Und warum stellt sich ein Mann, der in Notwehr tötet, dann nicht den Behörden, sondern spielt auf der 50-tägigen Flucht immer verzweifelter Katz' und Maus mit seinen Verfolgern?

    Ähnlich abenteuerlich klingt seine Begründung dafür, dass er nach Ramins Tod zu dessen Boot eilte, Heike Dorsch mit Erzählungen über einen Unfall ihres Freundes von Bord lockte, fesselte, attackierte und mit dem Tod bedrohte? Er habe ihr (mangels sprachlicher Verständigungsmöglichkeit) nur demonstrieren wollen, wie ihr Lebensgefährte ihn zuvor angegriffen habe, sagt er heute. Dorsch spricht von einem echten Angriff und Todesangst.

    Das Gericht tut sich schwer zu glauben, dass der athletische 31-jährige Angeklagte mit seinen 95 Kilogramm vom 20 Kilo leichteren, kleineren und älteren Segler Ramin in Bedrängnis gebracht werden konnte. Überdies hatte Arihano als Einziger eine Schusswaffe.

    Deshalb hatten die Richter mithilfe der Staatsanwaltschaften Itzehoe und Würzburg auch in Deutschland ermittelt. Sie fanden aber keine Hinweise auf homosexuelle oder gewalttätige Neigungen Ramins.

    Vor Gericht zeichnen sich dagegen Hinweise auf eine Tat unter genau umgekehrten Begleitumständen ab: Hat Arihano versucht, sich dem Fremden zu nähern – und ihn getötet, als der sich gegen Zudringlichkeiten wehrte? Vor Gericht kamen heimliche sexuelle Kontakte des Angeklagten zu einheimischen Transvestiten (sogenannten Rae-Rae) zur Sprache. Darüber hatte schon nach wochenlangen Recherchen im Februar der US-Journalist James Vlaos berichtet – und Zeugen aufgetrieben: Nur in einem kleinen Zirkel Gleichgesinnter sei Arihanos Bisexualität bekannt gewesen, sorgfältig habe er dies auf der kleinen Insel mit knapp 3000 Einwohnern verheimlicht. Seine Familie verneint das. Aber bei Ermittlungen ging ein Gendarm der Frage nach, warum Telefonnummern von zwei Rae-Rae in Arihanos Handy gespeichert waren. „Das ist es“, wird Heike Dorschs Anwältin Marie Eftimie-Spitz vom Magazin „GQ“ zitiert. Sie kündigte an, Arihano vor Gericht damit zu konfrontieren. Auf Anfrage dieser Zeitung äußerte sie sich vor Prozessbeginn nicht.

    Am Freitag soll das Urteil fallen – offenbar ohne Beteiligung von Heike Dorsch, die wohl nicht in den Zeugenstand muss. Das Gericht kann schließlich auf ihre Aussagen zurückgreifen, die sie bei den Ermittlungen 2011 gemacht hat.

    Im April 2012 kam sie zur Rekonstruktion der Ereignisse an den Tatort zurück – und stand dem Mann Auge in Auge gegenüber, der ihren Partner getötet hatte. Nach der Rückkehr nach Würzburg äußerte sie im Interview mit dieser Zeitung Zweifel daran, ob beim Prozess die Wahrheit über den Tathergang ans Licht kommt: „Da ist mir klar geworden, dass er wohl auf seiner Version von Notwehr beharren wird. Ich glaube einfach, das braucht er, um in dieser Familie weiterzuleben.“

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