Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: Baustelle über dem Luftschutzkeller

WÜRZBURG

Baustelle über dem Luftschutzkeller

    • |
    • |
    Ein Bild aus glücklichen Tagen: Eine Postkarte mit Würzburg-Motiven vor dem Luftangriff 1945. Biergarten und Gaststube zeigen den Gäbhardskeller. Auf dem Gelände entlang der Rottendorfer Straße werden jetzt Wohnungen gebaut.
    Ein Bild aus glücklichen Tagen: Eine Postkarte mit Würzburg-Motiven vor dem Luftangriff 1945. Biergarten und Gaststube zeigen den Gäbhardskeller. Auf dem Gelände entlang der Rottendorfer Straße werden jetzt Wohnungen gebaut. Foto: Foto: Hartmann

    Die Bagger auf dem Gelände des ehemaligen Benediktinerklosters am Platz'schen Garten rücken drei tiefen Gewölbekellern näher. Sie waren einst als Luftschutzkeller ausgewiesen. Im Zweiten Weltkrieg suchten dort viele Würzburger Schutz vor feindlichen Bombenangriffen. Nun werden die Keller verfüllt – mit Genehmigung der Denkmalschützer.

    Vor dem Krieg hatte auf dem Areal eine Gaststätte gestanden – mit einem Biergarten, der stark frequentiert war. Der Name ist einigen Würzburgern heute noch bekannt: Gäbhardskeller. Das beliebte Wirtshaus wurde von Martin Schmitt und seiner Frau betrieben. Sohn Alfred lebt heute in Höchberg und erinnert sich im Gespräch ganz genau an die schönen und schrecklichen alten Zeiten.

    Seine Eltern betrieben die immer gut besuchte Gaststätte bis 1945. Die Familie, es gab noch zwei weitere Geschwister, wohnte direkt über dem Wirtshaus. Alfred Schmitt bekam die täglichen Abläufe also hautnah mit. Das Gebäude und der Garten gehörten der Kulmbacher Aktien Brauerei. „Die haben es an uns vermietet und lieferten damals ihr sehr beliebtes Bier nach Würzburg.“

    Schmitts Vater hatte vorher eine andere Gaststube in der nahegelegenen Dürerstraße betrieben: Sie nannte sich Schulers Garten. Woher der Name Gäbhardskeller kommt, weiß Schmitt nicht. Es wird vermutet, dass der Name auf eine Brauerei Gäbhard in der Bibragasse zurückzuführen ist.

    „Den Angriff am 16. März habe ich im Bett im Schutzkeller verschlafen“

    Alfred Schmitt Zeitzeuge

    Die großen Gewölbekeller dienten zunächst als Bierlager und später als Schutzräume. Was nur wenige Leute wissen: Dort waren auch Maschinenteile untergebracht – und Obst. Und zu diesem Obst kann Alfred Schmitt eine besondere Geschichte erzählen. Unten in den Gewölben mussten russische Kriegsgefangene das gelagerte Obst wenden und Faules aussortieren. Essen durften sie nichts. Wenn sie es taten, gab es Schläge.

    Doch seine Mutter hatte Mitleid mit den Männern und kochte bei jedem Einsatz heimlich einen großen Topf Kartoffeln. Daraus konnten sich die Russen bedienen, wenn sie den Keller verließen, natürlich ohne Wissen der Aufseher. Als Dank bauten die Kriegsgefangenen für den kleinen Alfred einen wunderschönen Doppeldecker aus Zigarrenkistchen. Er bekam ihn an Weihnachten 1944.

    „Wir waren damals häufig in den Luftschutzkellern, wenn die Flieger kamen“, erinnert sich der heute 77-Jährige. Und weil die Familie über den Kellern wohnte, organisierte die Mutter Bettgestelle für ihre Kinder und brachte sie in die Schutzräume. „Den Angriff am 16. März 1944 hab ich im Bett verschlafen.“ Doch was dann kam, sieht und hört Schmitt noch plastisch vor sich. „Wir waren verschüttet. Um mich herum beteten, sangen und weinten die Eingeschlossenen.“ Niemand wusste, wie lange es dauern würde. Als alle nach etwa zwei Stunden befreit wurden, brannte noch eine Türe am Eingang.

    Auch eine 79-jährige Würzburgerin erinnert sich noch gut an die tiefen, kühlen Keller. Sie wohnte damals mit ihren Eltern in der Valentin-Becker-Straße. „Ich war noch zu klein, um Gast im Biergarten zu sein. Aber das Gelände war von großen Bäumen gesäumt.“ Im Krieg suchten auch ihre Eltern ebenfalls Schutz im nahegelegenen Gäbhardskeller. „Immer wenn es gefährlich wurde, gingen wir dorthin.“

    In der Nacht des 16. März war sie auch eine von vielen, die im Bierkeller während des Angriffs bibberte und dann verschüttet wurde. „Doch wir hatten Glück: ein Franzose und ein Italiener gruben uns aus“, erzählt sie. „Die wussten, dass viele Schwestern und Ärzte von der Missionsärztlichen Klinik im Gäbhardskeller Schutz suchten. Diese Berufsgruppen wurden nach Luftangriffen immer dringend gebraucht.“

    Nach dem Krieg glaubte Wirtssohn Schmitt an einen Wiederaufbau durch die Kulmbacher Brauerei. Aus für ihn unerfindlichen Gründen änderte der Bierhersteller seine Pläne, das Ruinengrundstück ging in den Besitz des Benediktinerordens über.

    Die Erinnerung wurde übermächtig im Jahr 2012. Da besichtigte der Höchberger mit OB Georg Rosenthal und Stadträten die sonst verschlossenen 15 Meter tief liegenden Keller. Der Einstieg erfolgte über eine Leiter. „Ich war für eine halbe Stunde ein anderer Mensch, als ich die Beschriftungen im Luftschutzkeller aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges sah.“ Sie sind noch gut erhalten.

    Dass die Keller nun verfüllt werden und neuer Wohnraum entsteht, damit hat der Gastwirtsohn von einst keine Schwierigkeiten. Auf dem Gelände baut die Firma Riedel aus Schweinfurt eine neue Wohnanlage. Zwischen Friedrich-Ebert-Ring, Rottendorfer, Dürer- und St. Benedikt-Straße sollen in einem ersten Bauabschnitt 87 Eigentumswohnungen nebst einer Tiefgarage entstehen. Gleichzeitig werden die Bestandsgebäude des Klosters wohngerecht umgebaut.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden