Wie viele andere Gemeinden im Landkreis Würzburg hat auch Rimpar eine bewegte jüdische Vergangenheit. Im Rahmen des landkreisweiten Kulturherbstes lädt die Interessengemeinschaft Umwelt Rimpar vom 10. bis 12. Oktober ein „Auf jüdischen Spuren unterwegs in Rimpar“ zu sein. Ein Gespräch mit Hannelore Mintzel, Mitorganisatorin des jährlichen Pogromgedenkens am 9. November, die Besucher auf den anderthalb-stündigen Ortsrundgängen zu den Plätzen des einstigen jüdischen Lebens führt.
Frage: Frau Mintzel, Sie setzen sich in Rimpar seit Jahren für eine Erinnerungskultur an den Holocaust und die Opfer der Zeit des Nationalsozialismus ein. Was ist Ihre Motivation?
Hannelore Mintzel: Als Lehrerin für das Fach Geschichte in den oberen Klassen der Hauptschule habe ich mich stets bemüht, den örtlichen Bezug herzustellen, damit bei den Schülern nicht nur sachliches Wissen und Interesse, sondern auch emotionale Betroffenheit erreicht wird. Weit entfernte Geschehnisse vergisst man schnell. Außerdem habe ich eine lange Zeit an der Akademie für Lehrerbildung in Dillingen in einem Projekt „Christlich-jüdische Zusammenarbeit“ mitgearbeitet. In diesem Team kam auch die Aufarbeitung des Holocaust zur Sprache. Ich habe dabei grundlegendes Wissen über das Judentum erworben und war überrascht, wie viel Jüdisches im Christentum und auch in unserer Sprache steckt.
Warum ist eine dauerhafte Erinnerungskultur so wichtig?
Mintzel: Es gibt keine Kollektivschuld, aber eine Kollektivverantwortung gegenüber der Geschichte. Alle Probleme, die man „unter den Teppich kehrt“, erledigen sich nicht, sondern beginnen unter der Decke zu wuchern. Es besteht die Gefahr, dass sich die Dinge wiederholen. „Wer sich nicht erinnert, ist gezwungen, dies nochmal zu erleben“ steht auf einem Mahnmal. Es ist nicht so wichtig, dass man den heutigen und künftigen Jugendlichen die Schreckensbilder der Nazi-Diktatur aufzeigt, sondern dass man ihnen den schleichenden Weg in den Terror bewusst macht.
In Rimpar bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942. Wie viele Mitglieder hatte die Gemeinde damals? Wann wurde sie gegründet?
Mintzel: Die ersten Berichte über jüdische Mitbürger stammen aus der Zeit des Fürstbischofs Julius Echter. 1577 berichtet eine Quelle von einem Juden Schmul aus Rimpar, der mit den auferlegten Handelsgesetzen in Konflikt kam, aber durch seinen Schutzherrn Konrad von Grumbach befreit wurde. Eine jüdische Kultusgemeinde entstand erst im 18. Jahrhundert, an dessen Ende der Antrag zum Bau einer Synagoge gestellt wurde. 1814 lag der Anteil der jüdischen Bevölkerung in Rimpar bei 9,2 Prozent am höchsten, zahlenmäßig bei der Zählung 1867 mit 142 Personen von 2152 Einwohnern. Danach verließen immer mehr Juden durch Abwanderung in die größeren Städte und Auswanderung den Ort. 1942 wohnten nur noch neun jüdische Mitbürger in Rimpar. Sie wurden im April und September 1942 nach Izbica bei Lublin und in das Ghetto Theresienstadt deportiert.
Leben heute wieder jüdische Mitbürger in Rimpar?
Mintzel: Zurzeit leben keine jüdischen Mitbürger hier. Aber während meiner Dienstzeit wohnten vorübergehend Juden aus St. Petersburg, sogenannte Kontingentjuden, in Rimpar, deren Kinder an der Maximilian-Kolbe-Schule unterrichtet wurden. Die musisch hervorragend ausgebildeten Schüler waren eine Bereicherung für Schulfeiern. Die Familien verließen nach einer Eingewöhnungszeit Rimpar, da die Eltern hochqualifizierte Techniker oder Wissenschaftler waren und bald geeignete Anstellungen erhielten. Die Kinder wechselten bereits nach einem Jahr auf ein Gymnasium.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Inventar der Synagoge einschließlich der Ritualien zerstört. Das Gebäude blieb erhalten – ist heute aber in einem sehr schlechten Zustand. Sie setzen sich für den Erhalt des ehemaligen Gotteshauses ein. Wie ist der Stand der Dinge?
Mintzel: Die Rimparer Synagoge befindet sich in Privatbesitz. Der Eigentümer ist zum Erhalt des Gebäudes verpflichtet, da die Synagoge mit ihrem in Franken einmaligen achteckigen Treppenturm denkmalgeschützt ist. Der Zugang wurde systematisch zugebaut, so dass man nur durch die Scheune des Besitzers ins Innere gelangen kann. Inzwischen ist die Decke einsturzgefährdet, das Gebäude für den Eigentümer nicht mehr nutzbar und nur noch eine finanzielle Belastung. Bürgermeister Burkard Losert bemüht sich um eine Lösung und hat bereits Gespräche mit den Anwohnern und dem Eigentümer geführt.
Gibt es bereits Ideen für eine künftige Nutzung?
Mintzel: Das Gebäude wäre vielfältig nutzbar: Gemeindebücherei, Kulturveranstaltungen, Ausstellungen . . . eine Gruppe von engagierten Bürgern hat sich darüber bereits Gedanken gemacht.
Ein Fördervereins war immer wieder mal im Gespräch. Bis jetzt hat es nicht geklappt. Wo liegen die Probleme?
Mintzel: Ein Förderverein hat erst Sinn, wenn die Gemeinde einen Zugang zum Gebäude erwirkt. Erst dann kann durch Spenden und Beantragung von Fördermitteln der Ankauf und die Renovierung der Synagoge vorangetrieben werden. Dies könnte ein Förderverein in Zusammenarbeit mit der Gemeinde übernehmen. Die Zeit drängt, denn der Verfall schreitet bedrohlich voran.
Zur Person: Hannelore Mintzel, 74, ist seit 1998 Mitorganisatorin des Pogromgedenkens am 9. November sowie Vorsitzende der Musikkapelle Rimpar. Von 1980 bis 2005 leitete sie die Maximilian-Kolbe-Hauptschule.
Das Programm
Ausstellung: Die Fotografen Gerd Brander und Walter Hörnig haben viele jüdische Friedhöfe in der Region besucht und ihre Eindrücke in stimmungsvollen Bildern festgehalten. Auch Aufnahmen vom jüdischen Friedhof Schwanfeld, dem Bestattungsort der Rimparer Juden, werden zu sehen sein. Freitag, 10. Oktober, 19 Uhr, Vernissage, Alte Knabenschule, Hofstraße 3; Samstag und Sonntag, 11. Oktober und Sonntag, 12. Oktober, 11 bis 18 Uhr
Konzert: Hot & Cool, das sind Claudia von der Goltz (Gesang), Rainer Schwander (Sopransaxophon, Hackbrett, Akkordeon), Bernhard von der Goltz (Gitarre, Akkordeon, Darbouka) und Uwe Schachner (Violoncello). Sie präsentieren einen Mix aus Klezmermusik, die mit ihren Schluchzern und Trillern das Lebensgefühl der osteuropäischen Juden aus dem Schtetl in die Welt trug, und dem sinnlichen, eleganten und wehmütigen Tango, der die Liebessehnsucht und auch den Freiheitskampf des argentinischen Volkes ausdrückte. Samstag, 11. Oktober, 19.30 Uhr, Alte Knabenschule, Hofstraße 3. Eintritt: 15 Euro, inklusive Imbiss und Wasser. Kartenvorbestellung: Tel. (0 93 65) 32 54, buonschorno@t-online.de
Gottesdienst: Unter dem Motto „Leben aus unseren Wurzeln“ widmet sich der Gottesdienst den geistlichen Wurzeln des Christentums, die im Glauben des Volkes Israel liegen. Sonntag, 12. Oktober, 10 Uhr, Evangelische Bekenntniskirche, Friedrich-Ebert-Straße 25
Führung: Hannelore Mintzel führt auf den Spuren der Rimparer Juden durch den Ort, mit der Möglichkeit, einen Blick auf die – nicht zugängliche – ehemalige Synagoge zu werfen. Auf dem Weg entlang der „Stolpersteine“ erfahren Sie vieles über das Zusammenleben von Juden und Christen im Ort und über das Schicksal der letzten jüdischen Familien. Sonntag, 12. Oktober, 14 Uhr und 16 Uhr, Teilnahme kostenlos; Dauer etwa 1,5 Stunden, Treffpunkt: Alte Knabenschule, Hofstraße 3
Tanz: Israelische Volkstänze zum Mitmachen bietet Romi Forster-Bundschuh an. Bei ihr kann man einfache israelische Volkstänze kennenlernen, gemeinsam tanzen und einen Zugang bekommen zu dem jiddisch-israelischen Lebensgefühl „Mir lebn ejbig . . . – wir leben ewig in jeder Stunde”. Sonntag, 12. Oktober, 14 bis 17 Uhr, Eintritt frei; Alte Knabenschule, Hofstraße 3.