Die Asiaten fahren nicht. Sie kommen in Scharen und fotografieren“, sagt Thomas Witter. Er ist Chauffeur, Kassier und Mädchen für alles beim Touristen-Bähnchen, dem „City Train“, das zurzeit täglich sieben und bei Bedarf acht Mal durch Würzburgs Innenstadt tuckert und den Gästen die Sehenswürdigkeiten näherbringt. Als wollten sie ihn Lügen strafen, stoßen gerade zwei junge Leute dazu, äußerlich ganz offensichtlich asiatischer Abstammung, und fragen, ob sie die Sightseeing-Tour mitmachen dürfen.
Deutsch sprechen sie nicht, der junge Mann setzt seine Englischkenntnisse ein und nimmt manchmal Gestik zu Hilfe. Ein fragendes Gesicht. Er hält seinen Fotoapparat hoch und zeigt seinen Geldbeutel. Witter lächelt und deutet zu einem der beiden Waggons, die an der Lok hängen. Die jungen Leute zahlen, stecken ihr Geld weg, und der Chef der Lok auf Rädern reicht ihnen noch schnell Einweg-Kopfhörer. Damit können sie die Würzburg-Infos auf Englisch empfangen.
Würzburg hat sich an diesem Herbstnachmittag aus dem Nebel geschält, die schönsten Sonnenstunden rufen geradezu danach, den Rest des Tages entspannt zu genießen. Auf schmalen, grau gepolsterten Bänken beginnt die Fahrt im Zügle an der Balthasar-Neumann-Promenade, vorbei an der Residenz Richtung Mainfrankentheater, akustisch begleitet von einer angenehmen Frauenstimme vom Tonband, die über den früheren „Würzberg“ als Namensgeber der Stadt spricht und zuvor noch bittet, die Gäste möchten „sitzen beiben, sich nicht aus dem Fahrzeug lehnen und die Handys ausschalten“.
Die „ehemalige bischöfliche Residenz für die Fürstbischöfe aus dem Hause Schönborn“ kommt in den Blick, schon wird ihr Erbe als UNESCO-Gebäude vorgestellt, dann der Frankonia-Brunnen auf dem großen Residenzvorplatz mit Darstellungen von Walther von der Vogelweide, Tilman Riemenschneider, Matthias Grünewald und der auf dem Brunnenpfeiler gen Stadtmitte blickenden Frankonia. Während die Räder des Bähnchens ein wenig quietschen, fotografieren die beiden asiatischen Gäste begeistert aus den Fenstern. Sie kommen aus Peking, verrät der junge Mann Wang Nan Zhiye zurückhaltend. Die beiden sind sehr freundlich und wirken, als wollten sie sich keinesfalls aufdrängen. Gespräche sind ohnehin schwierig, denn trotz Luftfederung holpert das Touristenbähnchen während der 40-minütigen Fahrt über Pflastersteine und Würzburgs fast schon berühmte Schlaglöcher und die Tonbandstimme ertönt zwangsläufig laut.
Der kleine Zug nimmt Fahrt auf, gelangt über die Juliuspromenade in die Gerberstraße und fährt am Mainkai unter der alten Mainbrücke hindurch. Das Flusswasser glitzert in den Sonnenstrahlen, aus denen von gegenüber oben die Festung und unten die Burkarder Kirche hervorlugen. Bei der Bombardierung Würzburgs im Zweiten Weltkrieg brannte der spätgotische Chor der Burkarder Kirche nicht ab. Deshalb verfügt die Kirche noch „über die Jahrhunderte gewachsene Inneneinrichtung“, informiert die Dame aus der Konserve. Durch die Kronen der Uferbäume hindurch verschafft sich die Sonne durchs gläserne Dach nun nachhaltig Zutritt in die beiden Waggons. Angenehme Wärme dringt ein, als gäbe es keine geeignetere Jahreszeit für diese kleine Tour.
Mitfahrerin Karin Wenzel aus Suhl kennt Würzburg. Hier hat sie nach der Wende ihre Ausbildung zur Bankkauffrau vom Standard Ost zum Standard West ergänzt. Diesmal kam die 65-Jährige mit ihrer 17-jährigen Enkelin Marlene Wenzel aus Erfurt mit dem Zug und ist erfreut, dass die Bahnstrecke aus der thürinigischen Stadt in die Mainfrankenmetropole innerhalb von zwei Stunden zu bewältigen ist. Die Frau genießt Würzburg, auch durch ihre Erinnerung und Vergleiche mit ihrer Heimat, vor allem Erfurt. Hier die Alte Mainbrücke, dort die Krämerbrücke mit ihrer beidseitigen Brückenbebauung mit Fachwerkhäusern. Im Würzburger Dom mit 20 Glocken „das größte deutsche Geläute“, verrät die Tonbandstimme. „Und die größte Glocke haben wir in Erfurt!“, ergänzt Karin Wenzel. Beim Stichwort „Wein“ macht sie ihre Enkelin auf die Steilhänge mit den Weinreben aufmerksam. Federweißen trinken ist für diesen Abend noch geplant. Vielleicht zuvor noch ein Blick in den Hofgarten und der Besuch eines Lokals, in dem das Bähnle-Ticket zugleich Gutschein für eine Tasse Kaffee ist. Natürlich bleiben sie über Nacht in Würzburg.
Rathaus, Vierröhrenbrunnen. Andere Asiaten unterhalten sich durchs geöffnete Fenster des jetzt dahinschleichenden Touristenzügleins mit ihren Bekannten darin – aber nur kurz. Karin Wenzel entdeckt den „schönen Bioladen“ am Eck. Schon geht’s flott weiter, weiter vorne im Wagen halten sich Marion und Karl-Heinz Biedermann aus Altenburg in Thürigen kurz fest und lachen, als es kurz ruckelt. Sie hatten von der Festung aus „die vielen Kirchen auf engstem Raum“ in der Stadt erblickt und daraufhin die Fahrt mit der Touristenbahn beschlossen. Enttäuscht werden sie nicht, schließlich gehören Dom, Neumünster, die Marienkapelle, St. Peter und St. Stephan und noch weitere zur Rundfahrt dazu. Auch ein klein wenig vom Bischofshut und natürlich auch die Neubaukirche, die als solche ja gar nicht meht genutzt wird, sondern von der Universität für festliche Anlässe wie Examensfeiern oder besondere Konzerte.
Für samstags seien manchmal über 300 Plätze vorgebucht, berichtet Thomas Witter bei der Rückkehr an der Neumann-Promenade. Die Attraktion hat sich offenbar herumgesprochen. Das Bähnle fährt seit gut vier Jahren.
„Das Handling an der Haltestelle“ sei die eigentliche Kunst: die Gäste auf den Sitzen so zu verteilen, dass möglichst jeder zufrieden ist, sagt Witter. Schlechte Erfahrungen habe er nie gemacht, allerdings verfüge er über viel Menschenkenntnis, und seine Größe von 1,96 Metern verschaffe ihm von vornherein etwas Respekt, ist er sicher. Witter ist höflich, und sollte tatsächlich mal irgend etwas gar nicht passen, gibt er schon mal eine Freikarte für die nächste Fahrt aus. Mit zwei anderen Fahrern ergänzt er sich im Team.
Gut 20 Leute warten schon wieder auf das Bähnchen, das maximal rund 50 Leute fasst. Witter, der Großgewachsene aus dem Norden, meint schmunzelnd: „Früher kannte ich Würzburg nur als Besucher. Ich habe es jetzt aber gut im Griff.“ In diesem Moment laufen lächelnd drei junge Asiaten auf die Bahn zu, zücken ihre Kameras und fotografieren sich gegenseitig vor der Lok. Wer sagt's denn.
City Train
Die Zusammenarbeit: Stadt Würzburg und WVV (Würzburger Versorgungs- und Verkehrsbetriebe) sind Kooperationspartner des Regensburger Unternehmens City Train, welches Fahrten in Regensburg und mit dem Touristenbähnchen in Würzburg anbietet. Investiert und den kleinen Zug auf Rädern entsprechend hergestellt hat allein City Train, heißt es aus der Pressestelle des Rathauses, und weiter: Den Vorverkauf der Tickets unterstützt die städtische Tochtergesellschaft CTW (Congress, Tourismus Würzburg) und erhält dafür eine kleine Provision. Unterstellmöglichkeit und kleinere technische Hilfen für den Zug bietet die WVV. Die Konzession hat die Regierung von Unterfranken gegeben.
Fahrpreise: Die Fahrt kostet 8 Euro, ermäßigt 6 Euro, Gruppen je 6 Euro pro Person (maximal 50 Fahrgäste).
Fahrtroute: ab Neumann-Promenade neben der Parkplatzeinfahrt am Residenzplatz im Altstadt-Innenstadtbereich zunächst nahe der Residenz über Spiegel- und Hofstraße, dann Neubaustraße, Rathaus, Domstraße, Schönbornstraße, Juliuspromenade, Gerberstraße, Mainkai, Willy-Brandt-Kai, Sanderglacisstraße, Studentenhaus, Münzstraße, Peterplatz, Neumann-Promenade.
Kartenverkauf: direkt an der Haltestelle oder im Kartenvorverkauf bei:
Tourist Information & Ticket Service, Falkenhaus am Markt, Tel. (0931) 372398.
Fahrplan: täglich stündlich ab 10 Uhr, auch noch im November und Dezember und Januar bis Dreikönig. Im Februar und März an den Wochenenden und ab April wieder regulär.