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Engelchen aus einem fernen Land

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Engelchen aus einem fernen Land

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    Erinnert an den großen Japan-Forscher: Marianne Möller ist immer wieder entzückt von den asiatischen Putten, die das Siebold-Denkmal zieren.
    Erinnert an den großen Japan-Forscher: Marianne Möller ist immer wieder entzückt von den asiatischen Putten, die das Siebold-Denkmal zieren. Foto: Foto: Heike Thissen

    Entschlossener Blick, Rauschebart, mit Orden besetzte Brust: Wer das Denkmal auf dem Geschwister-Scholl-Platz betrachtet, richtet den Blick auf die imposante Büste des Würzburger Mediziners, Naturforschers und Sammlers Philipp Franz von Siebold. Doch nicht sie, sondern die Ornamente auf dem Marmorsockel darunter machen das Kunstwerk zu einem ganz besonderen. Das findet auch Marianne Möller, die es sich vor vielen Jahren einmal genauer angesehen hat und dabei auf etwas stieß, von dem sie bis heute begeistert ist. „Als ehemalige Dekorateurin habe ich einen Sinn für alles Schöne“, sagt die Würzburgerin und deutet auf einen kleinen Putto zu Füßen des Denkmals. „Der hier hat es mir besonders angetan, den finde ich ganz entzückend.“

    Denn am Fuße des Denkmals tummeln sich vier kleine Kerlchen mit dicken Pausbacken. Doch zwei von ihnen sehen überhaupt nicht so aus, wie man Putten beispielsweise aus Kirchen kennt. Der Kleine, von dem Marianna Möller spricht, hat statt Engelsflügeln Schmetterlingsflügel auf seinem Rücken, auf dem Kopf trägt er eine asiatische Kopfbedeckung. Ein zweiter Putto hat die Haare mit einem Essstäbchen zu einem strengen Dutt hochgesteckt. „Dass sie asiatische Augenpartien haben, finde ich auch ein schönes Detail“, erklärt Marianne Möller. Beide Figuren erinnern an Siebolds Japan-Begeisterung, der es zu verdanken war, dass Mitte des 19. Jahrhunderts das erste Mal detaillierte Informationen über das damals völlig abgeschottete Inselreich Japan nach Europa gelangten.

    Und dazu kam es so: Der Sohn einer renommierten Würzburger Familie hatte sich während seines Medizin-Studiums nicht nur mit Heilkunde, sondern auch mit Völker- und Länderkunde und den Naturwissenschaften beschäftigt. Deshalb wurde er im Jahr 1822 in die niederländisch-indische Armee berufen. Mit ihr reiste er ein Jahr später für fast sieben Jahre zu Forschungszwecken nach Japan. Doch nicht nur für die dortige Flora und Fauna interessierte er sich, sondern eigentlich für alles, was mit Japan in Zusammenhang stand.

    So legte er sich eine beachtliche ethnografische und naturkundliche Sammlung zu. Doch je mehr seine Begeisterung für Land und Leute wuchs, desto gefährlicher wurde sie für ihn. Denn es war Ausländern strengstens verboten, japanische Kulturgüter, Waffen, Münzen und vor allem Landkarten zu besitzen.

    Am 10. August 1828 sollte ein Schiff Siebolds Sammlerstücke nach Europa bringen. Aber es wurde während eines Taifuns beschädigt und musste entladen werden. Dabei flog schnell auf, dass sich darunter Dinge befanden, die nicht aus dem Land geschafft werden durften. Das war für die japanische Regierung nicht nur das Ende der Freundschaft. Es war Verrat, wie die Publikation „Der Jahres-Bote von 1883“ berichtet: „Siebold wurde sofort in den Kerker geworfen, ihm wegen Landesverrathes der Prozeß gemacht, und alsbald das Todesurtheil über ihn gefällt, indem er nach der in Japan üblichen Sitte für große politische Verbrechen die Weisung erhielt, sich den Bauch aufzuschlitzen.“

    Anstatt dem Befehl Folge zu leisten, verbrachte der Forscher 14 Monate in Haft, bevor er schließlich aus dem Land verbannt wurde – eigentlich auf Lebenszeit. Doch weil Siebold in Deutschland und Europa im Laufe der Jahre als renommierter Japanforscher bekannt geworden war, durfte er 1858 erneut einreisen und weiter forschen. Er blieb bis 1862 und starb vier Jahre später in München.

    Als der fränkische Gartenbau-Verein 1882 sein 25-jähriges Bestehen feierte, ließ er zu Siebolds Ehren das Denkmal aufstellen, das die Büste und die asiatischen Putten zeigt. Aus diesem Anlass gab es am 8. Oktober 1882 im Café Becke ein Festessen, bei dem weder Kosten noch Mühen gescheut wurden. „Taikun-Suppe mit Klöschen“, „Yedogawa-Hecht mit japanesischer Tunke und Fischkartoffeln“ und „Kunasiri-Hasenbraten, Dunstobst, Aralia- und Aucuba-Salate“ standen auf der exotischen Speisekarte, lediglich die Weine stammten aus Franken.

    Dass damals trotz Siebolds großem Einsatz immer noch nicht viel über Japan bekannt war, zeigt die Darstellung der Putten: Sie tragen zwar asiatische Attribute, doch keineswegs typisch japanische.

    Die Serie: Wöchentlich veröffentlichen wir bis Ende November ein „Würzburger Geheimnis“ in unserer Zeitung – und ab 1. Dezember dann gekürzte Geschichten als täglicher Adventskalender.

    „Würzburger Geheimnisse“

    Das Buch „Würzburger Geheimnisse“ ist bei der Main-Post erschienen, hat knapp 200 Seiten, ist durchgehend bebildert und kostet 14,90 Euro. Erhältlich ist das Buch bei der MAIN-POST, im Buchhandel, telefonisch unter Tel. (07551) 6 33 20 oder über die Homepage der Autorinnen www.buero-bast.de/shop/geheimnisse (Versand ist portofrei). ISBN: 978-3-9816796-0-1

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