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Eine Mauer trotzt dem Inferno

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Eine Mauer trotzt dem Inferno

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    Künstlerin Renate Jung: Als eine der 50 Geheimnis-Paten steht sie  hinter einem der Fenster, die heute noch in den Mauern der Kriegsruine zu sehen sind.
    Künstlerin Renate Jung: Als eine der 50 Geheimnis-Paten steht sie hinter einem der Fenster, die heute noch in den Mauern der Kriegsruine zu sehen sind. Foto: Foto: Heike Thissen

    Die Bewohner des Mainviertels haben sich längst daran gewöhnt: Der Parkplatz an der Ecke zwischen Alter Kasernenstraße und Laufergasse wird an zwei Seiten von Mauern begrenzt, an denen der Efeu emporwächst. Doch nur wenige sind sich darüber im Klaren, dass diese Steine etwas ganz Besonderes sind. Zu diesen wenigen gehört die Künstlerin Renate Jung, die 1982 in der Laufergasse den viel bewunderten Baum an die Häuserfassaden des Flurbereinigungsamtes malte. „Gegenüber lag diese Ruine und sollte abgerissen werden, eine der allerletzten, die an das Inferno vom 16. März 1945 erinnern“, denkt sie zurück. „Die Mauerreste gehörten meinen Auftraggebern, die sich großartiger Weise meinem Rat anschlossen, die Ruine zu erhalten.“

    Lieber habe man sie für ein kuscheliges, grünbewachsenes Pausen-Plätzchen stehen gelassen – den heutigen Parkplatz. „Jetzt fragen die Leute, was das denn für ein 'Gerütsch' ist, wie die Würzburger sagen. Das gehört weg, finden sie“, fährt die Künstlerin fort. „Der Mensch will ja immer Ordnung schaffen, und wir Deutschen ganz besonders.“ So seien bereits Eisengitter, die nach dem Krieg verbogen aus den Fenstern ragten, entfernt worden. „Das sollte eine 'ordentliche‘ Ruine werden“, erinnert sich die Künstlerin. Auch werde immer wieder darüber diskutiert, die Mauern ganz abzureißen. „Das darf nicht passieren. Ich möchte erreichen, dass dort eine Plakette angebracht wird, die auf eine der letzten Kriegsruinen der Stadt hinweist.“

    Denn die meisten anderen Spuren seien bereits so gut wie ausgelöscht, bedauert die Künstlerin. Sie erinnert sich auch noch an ein Schiefertäfelchen, das dort an der mit allerhand Bauschutt aufgebauten Baracke einst hing. „Komme gleich wieder“ habe darauf gestanden. „Ohne Heizung und ohne Strom lebte und werkelte dort viele Jahre lang ein Schreiner“, weiß sie zu berichten.

    Die Einstellung, dass die Ruine erhalten bleiben muss, teilt sie mit Lebenspartner Werner Tiltz, der sich in einem Gedicht in die Stadt hineinversetzt hat und über die Jahre des Aufbaus schreibt: „Ich wurde von Asche und Schutt befreit. / Mein Dank gilt noch heute den Frauen. / Der Aufbau begann voller Kopflosigkeit. / Viel Abriss, viel simples Bebauen. / Mein Torso wurde blindlings zerhackt, / barocke Fassaden verschwanden. / Nun war ich gänzlich splitternackt, / hab niemals die Torheit verstanden.“

    Splitternackt wirkt auch der Platz im Mainviertel, wo heute Autos parken. Einst standen dort die Häuser der Alten Kasernenstraße 4, 6 und 8. Der Wirt vom Gasthaus „Zum Roten Ochsen“ bediente hier seine Gäste, der Glasermeister Büchold betrieb nebenan sein Geschäft und im Haus Nummer 8 wohnte der Hufschmied Johann Schauer. Die drei Häuser waren nach dem Krieg nicht komplett zerstört. Ihre Fassaden standen noch und wurden erst ab 1949 wegen Einsturzgefahr nach und nach abgetragen. Büchold wollte sein Haus eigentlich wiederaufbauen, erhielt aber von der Stadtverwaltung nicht die nötigen Genehmigungen. Auch für die Gaststätte gab es 1948 Pläne, nach denen die Würzburger Hofbräu AG sie wieder aufbauen wollte. Doch auch das ist nicht geschehen. So erinnern die Mauern noch heute an die Häuser, die hier einst standen, und an den Luftangriff, der sie und fast 90 Prozent der Stadt Würzburg zerstörte.

    Das Buch „Würzburger Geheimnisse“ hat knapp 200 Seiten und ist durchgehend bebildert. Erhältlich ist es für 14,90 Euro in den Geschäftsstellen der Main-Post, telefonisch unter Tel. (0931) 6001 6006, per Fax (0931) 6001-252, im Online-Shop unter www.shop.mainpost.de sowie im gut sortierten Buchhandel.

    Am Sonntagabend im Theater Chambinzky: Lesung mit Autorin Heike Thissen

    Ein Himmelbett im Dom, ein Löwe mit Loch im Po, ein Ausguck für Balthasar Neumann: Stille Zeugen in einer Stadt, die noch immer voller Geheimnisse ist. Sie zu enthüllen, daran haben sich die beiden Journalistinnen Eva-Maria Bast und Heike Thissen gemacht. In wochenlanger Recherche-Arbeit haben sie sich von 50 Geheimnispaten an spannende Orte führen lassen. Deren Geschichten erzählen sie in dem Buch „Würzburger Geheimnisse“. Gekürzt veröffentlichen wir eine Reihe davon bis Ende November einmal wöchentlich – und ab 1. Dezember als täglichen Adventskalender.

    An diesem Sonntag, 26. Oktober, kommt Heike Thissen zu einer Lesung nach Würzburg. Ab 19 Uhr wird sie im Theater Chambinzky einige Geschichten vortragen und im Gespräch mit Main-Post-Lokalchef Andreas Jungbauer über ihre Erfahrungen in Würzburg berichten: Wie hat sie die Menschen und die Stadt erlebt?

    Bereichert wird die Lesung von den beiden Schauspielern Christel Riedel und Ralf Dillinger als Lola Montez und Kartoffelprofessor Adam Ullrich. Auch in anderen Städten waren Bast & Thissen Geheimnissen auf der Spur. Infos im Internet: www.buero-bast.de

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