Es ist dunkel im unteren Geschoss des Museums am Dom. Gelegentlich hört man einen Besucher husten, sonst ist es mucksmäuschenstill. Eine Stimme schwebt im Raum, untermalt von meditativer Musik. Diese Stimme kennen viele Besucher des Kiliansdoms aus dem 11.30 Uhr-Gottesdienst: Domkapitular Jürgen Lenssen ist jetzt auf CD gebrannt. Dieser Klangträger ist Inhalt eines Benefizprojektes, das Flüchtlingen zu Gute kommen wird.
Ein bisschen klingt der Seelsorger wie ein moderner Schlagerstar, der sich dem Sprechgesang verschrieben hat. Doch die tiefgründigen Texte wischen diesen ersten Eindruck schnell weg. Es sind seine Predigten, die seit 25 Jahren eine eigene kleine Gemeinde in den Dom lockt. Und so geschah das auch mit Pia Beckmann, Oberbürgermeisterin der Stadt Würzburg von 2002 bis 2008 und bis 2014 CSU-Stadträtin. Sie ging mit ihrem Mann Klaus Hiltrop an manchem Sonntag in die Messe und war berührt von den Predigten.
Hiltrop erläuterte im Museum am Dom, wie er das erlebt hat. Sehr offen waren dabei seine Aussagen zur katholischen Kirche. „Ich bin der Kirche nicht unbedingt nahe, habe mich der katholischen Lehre eher entfernt.“ Auf Empfehlung von Bekannten hat er dann den Sprung ins kalte Wasser gewagt und Lenssen auf der Kanzel erlebt und schätzen gelernt. „Er ist für uns kein Guru“, rückte er sein Verhältnis zu dem Seelsorger ins rechte Licht. „Aber er gibt Denkanstöße, um zum Wesentlichen im Leben zurück zu kehren. Ich ging in einer heiter-nachdenklichen Stimmung aus der Messe.“
Ein tragischer Vorfall, der Pia Beckmann schon lange umtreibt, war der Selbstmord eines Asylbewerbers in der Nacht zum 30. Januar 2012 in der Gemeinschaftsunterkunft in der Dürrbachau. Sie wollte etwas unternehmen, um das Leid zu lindern, sagt sie im Museum. Und da schien ihr die Idee einer Benefiz-CD mit Predigt und Musik ein gutes Mittel. Zweiter Aspekt: Die Überlegungen Lenssens sollten vielen Menschen zugänglich gemacht werden.
Am Abend der Vorstellung machte Pia Beckmann noch einmal deutlich, wie bewegt sie von dem Selbstmord war: „Wie verzweifelt muss ein hoffnungsvoller junger Mensch gewesen sein, um sich in Deutschland, in Würzburg nach seiner Flucht das Leben zu nehmen.“
Die Predigten sind im Sommer 2014 live im Kiliansdom aufgenommen worden. Die vier Überlegungen Lenssens stehen unter den Titeln „Lieben, Leben, Glauben“, „Sorglos und frei“, „Aufbruch zu neuen Perspektiven“ und „Wer ist dieser Jesus?“
Der Domkapitular selbst freut sich über das Projekt. Er macht klar: „Natürlich muss eine Predigt theologisch einwandfrei sein. Aber wenn ich auf der Kanzel stehe, bin ich ein Mensch wie jeder andere. Und dann will ich authentisch sein. Ich darf niemandem etwas vormachen, was ich selbst nicht habe.“
Für den Tonträger verwendeten die beiden Organisatoren Beckmann und Hiltrop die Musik von Ursula Tüttenberg und Nebur Maik. Die CD ist die erste Produktion mit dem Titel „Meditation & Musik“ im Eigenverlag des Ehepaars.
Das Geld, das mit den Tonträgern eingenommen wird, bekommt das Missionsärztliche Institut, dessen Leiter der Tropenmedizin, Prof. Dr. August Stich, seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv ist. Stich war natürlich bei der Präsentation dabei. Die Flüchtlinge, die jetzt in Würzburg leben, brauchen dringend Hilfe, appellierte er an die Zuhörer. Mit der CD sei das öffentlich gemacht. Viele dieser Menschen seien schwer krank, an Leib und Seele. Doch das, was an Angeboten vorhanden ist, reiche bei weitem nicht aus.
Er nannte ein einfaches Beispiel, woran es krankt: Nasentropfen seien im Asylbewerberleistungsgesetz nicht enthalten, weil nicht lebenswichtig. Er lobte die Bewohner der Domstadt als offen. Es gebe viel Engagement von Seiten der ehrenamtlichen Helfer. „Doch im Moment erleben wir eine Überforderung bei allen, die in diesem Bereich zu tun haben, auch bei Stadt und Staat.“
Die CD „Sonntags halbzwölf, mit Jürgen Lenssen“ für 14,80 Euro gibt es im Museum am Dom, in den Buchhandlungen Hugendubel und Dreizehneinhalb sowie im Main-Post-Shop in der Plattnerstraße. Oder per Mail an: meditationundmusik@gmail.com