Der Chef der ältesten Metzgerei Würzburgs macht keine Wurst mehr und geht in den Ruhestand. Und mit Reinhard Götz, Inhaber der Metzgerei Martin, endet dann wohl auch die Ära der besten Leberkäs-Brötchen in der Domstadt. Dieses Zertifikat stellten ihm jedenfalls viele Kunden aus. Am Freitag, 31.Juli, ist der letzte Verkaufstag.
Seit 27 Jahren bietet Götz seine Wurst- und Fleischwaren nun schon in der Semmelstraße 23 an. Wie ist das dann aufzuhören und den Laden dicht zu machen? „Mir fällt es leicht,“ sagt der Metzgermeister. Er ist 65 Jahre alte und hat 50 Arbeitsjahre auf dem Buckel. Und ein Faktor macht ihm den Abschied ein wenig leichter: „Wir hatten wegen der ganzen Dauer-Baustellen vor dem Laden große Umsatzeinbußen.“ Viele seiner Kunden kommen von außerhalb der Stadt und die fanden keine Parkplätze mehr. Das Pikante daran: Laut Götz enden die Bauarbeiten am Freitag, am Tag der Schließung.
Bei einem Rundgang durch die Produktionsstätte im hinteren Bereich des Wohnhauses fallen die älteren aber blitzsauberen Maschinen auf, die alle schon verkauft sind. 60 Sorten Wurst macht Götz hier selbst. Und auch den legendären Leberkäse. Wie ist das denn mit dem Rezept, was macht ihn einzigartig? Die Antwort ist kein komplettes Rezept, eher eine Andeutung: „Es hängt alles an der Zusammensetzung der Fleischmasse. Und alles ist Handarbeit.“
„Es hängt alles an der Zusammen-setzung der Fleischmasse“
Metzger Reinhard Götz zum Rezept seines Leberkäses
Nicht immer war Götz so zurückhaltend. Ein Ehepaar aus Seoul in Südkorea machte 2013 gemeinsam mit ihm und einem Dolmetscher Bratwürste und Leberkäse. Denen hab ich das Rezept beigebracht“, schmunzelt Götz. Die beiden eröffneten dann in Seoul das „Sausage and Beerhouse Wiener Wald“. Das schlug dort wie eine Bombe ein, sagt der Metzgermeister nicht ohne Stolz. Also, den echten Martin-Leberkäse gibt es nach dem 31. Juli nur noch in Seoul.
Im Laden arbeiten drei langjährige Verkäuferinnen und Ehefrau Marianne. Die Angestellten haben schon jede Menge Angebote für Jobs. Für Götz ist der Ruhestand verdient nach so vielen Jahren, an denen die Metzgerei von 6 bis 18 Uhr geöffnet hatte.
Und die Öffnungszeiten waren früher auch nötig, denn der Ansturm war groß. In den 90er Jahren gab es viele Firmen in der Umgebung und damit viele Angestellte, die zur Pause in die Metzgerei pilgerten. „Wir hatten damals Superkipf und verkauften täglich 2400 belegte Brötchen“, erinnert sich der Metzger gerne an die goldene Zeit.
In den vergangenen Jahren hat Götz immer mehr Umsatz gemacht mit seinem Partyservice, ein hartes Stück Arbeit. So stützte er aber die Metzgerei. Von der Taufe mit 20 Personen bis zum Brauereifest mit 500 Gästen reichte seine Palette. Ein wenig stolz ist er schon auf den Partyservice: „Es werden sogar extra Feste verlegt, dass wir vor der Schließung noch das Essen liefern können.“
Für seine Stammkunden ist es schlimm. „Wir kennen jeden persönlich. Ein Zahnarzt aus Tauberbischofsheim ist schon ganz verzweifelt.“ Und viele ältere Leute kämen vorbei, um zu reden und die kauften dann mehr als sie eigentlich bräuchten. Und für all seine treuen Kunden hat er noch eine Überraschung parat: Martins Lebenkäse zum Selbstbacken und zum Preis von vor 27 Jahren.
Übernommen hat er den Laden von Konrad Martin, Nachkomme des Gründers Georg Valentin Martin, der ab 1894 gemeinsam mit seiner Frau Franziska zuerst eine kleine Metzgerei in der Barbarastraße betrieb. Der Stadtrand war für den Verkauf nicht so günstig und so zog man 1898 in die Semmelstraße 23.
Und jetzt wird es Reinhard Götz langweilig? Der winkt ab. „Meine Frau und ich wollen einen Hund. Wir haben uns schon einen Rhodesian Ridgeback ausgesucht, der Schwager hat viele Obstgrundstücke und außerdem will ich im Ruhestand noch etwas Soziales machen, mich engagieren.“
Wie geht es nun weiter mit dem Laden? Vermieter Konrad Martin macht den Stammkunden Hoffnung: Es wird wohl wieder ein Metzger einziehen. Allerdings endet die Produktion im Hintergebäude. Die Fleisch- und Wurstwaren werden woanders hergestellt.
Weniger Metzger in der Stadt
Innungsobermeister Horst Schömig ist Metzger aus Leidenschaft in seinem Laden in der Franz-Ludwig-Straße. Er spricht von Metzgersterben in Stadt und Land. Vor etwa 50 Jahren, als Schömigs Eltern ihre Metzgerei in der Sanderau eröffneten, gab es alleine im Stadtteil 14 Betriebe. Etwa 160 waren es im gesamten Stadtgebiet. Als Schömig 1997 sein Amt als Obermeister antrat waren Stadt und Land in einer Innung vereint. Da waren es 68 Metzgereien, die selbst produzierten. Und heute? Die aktuellen Zahlen zeigen einen massiven Trend nach unten: 34 Betriebe in Stadt und Landkreis, zehn in Würzburg. Der erste Einschnitt wurde in den 80er Jahren eingeläutet, alle Leute rannten in die Supermärkte, die Umsätze der Metzger brachen ein. „Wir können als Metzger mit unserer Handarbeit nicht so produzieren wie die Industrie,“ sagt Schömig. Künftige Chancen des Berufes? „Wir dürfen als Einzelunternehmen möglichst wenig dazu kaufen und sollten fast alles selbst produzieren“, sagt Schömig zur Firmenphilosophie.
Auch mit dem Nachwuchs sieht es im Fleischerhandwerk mau aus. Derzeit machen 22 Azubis eine Lehre zum Fleischer und 32 eine Lehre zur Fachverkäuferin. Die Schüler kommen aus Kitzingen, Würzburg und Main-Spessart.