Seit fünf Jahren gibt es jetzt den Dialog Erinnerungskultur in Würzburg. Und so konnte die Diskussions- und Gesprächsreihe am Samstag ihren ersten kleinen runden Geburtstag feiern. Erneut geschah das mit zwei stadthistorischen Themen, die in der Vergangenheit bisher gar nicht oder nur wenig behandelt wurden beziehungsweise gerade in einem neuen Licht erscheinen, wie Sibylle Linke, die neue Leiterin des städtischen Fachbereichs Kultur den Gästen im Ratssaal erklärte.
Es ging am Samstag zum einen um neue Forschungen zu Julius Echters Rolle bei der Hexenverfolgung sowie um das Thema Raubkunst im Museum im Kulturspeicher. Wie es um die Erinnerungskultur in Würzburg bestellt ist und wie sie in Zukunft aussehen könnte oder sollte, darüber hatte sich Stadtheimatpfleger Hans Steidle Gedanken gemacht.
Gerade die Provenienzforschung im Kulturspeicher geht direkt auf den Bürgerdialog zurück, erinnerte Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake in einer kurzen Bilanz. Es sei aber auch an der Zeit, nach fünf Jahren in die Zukunft zu blicken, beispielsweise die des Mainfränkischen Museums, das bis 2025 in ein staatliches fränkisches Landesmuseum umgewandelt werden soll.
„Würzburger Träger befragen“
Steidles hatte dazu einige Fragen und Antworten: Was bedeutet das für die Darstellung der Würzburger Stadtgeschichte? Was wird hier überhaupt abgedeckt? Ein solches Museum sei auch eine Chance, aber werde sie auch genutzt? Noch sei die Konzeption des neuen Museums unklar, so Steidle, die Bevölkerung nicht in deren Ausarbeitung eingebunden. Vor allem die Träger der Würzburger Erinnerungskultur müssten hierzu befragt werden, forderte der Referent.
Dass die Historie Würzburgs in einem solchen Museum angemessen repräsentiert werde, bezweifelt Steidle. Deshalb müsse parallel zum weitab liegenden Museum auf der Festung ein zeitgemäß ausgestattetes stadtgeschichtliches Museum im Zentrum entwickelt werden, das neben seiner musealen Funktion auch als Forum und Archiv eines räumlich-kollektiven Gedächtnisses genutzt werden könne. Hier sollte der Schwerpunkt auf die Geschichte Würzburgs im 19. und 20. Jahrhundert gelegt werden, aber auch Themen des Mittelalters und der frühen Neuzeit dargestellt werden. Dies sei eine kommunale politische Aufgabe. Steidle: „Wir brauchen einen räumlichen und institutionellen Mittelpunkt urbaner Erinnerungskultur“.
Es gibt laut Steidle in Würzburg aber auch bereits viele gute erinnerungskulturelle Ansätze, beispielsweise der Informationsraum zum 16. März im Rathaus, die zahlreichen Stolpersteine, oder die Initiative„Wir wollen uns erinnern“, aber auch noch viele Defizite: Beispielsweise sollte das Stadtarchiv stärker in die Zivilgesellschaft eingebunden sein, historische Denkmäler einheitlich ausgeschildert sein, am Massengrab am Hauptfriedhof ein Park der Erinnerung entstehen, der die dortigen Denkmale erklärt, denn „ein Massengrab, das von kriegsverherrlichenden Denkmälern umgeben ist, ist ein Widerspruch“.
„Gemeinsamer Medienauftritt“
Steidle hat aber noch deutlich mehr Vorstellungen und Wünsche: Das Stadtfest sollte die Stadt nicht nur kommerziell, sondern stärker als Kulturstadt präsentieren; er denkt an einer gemeinsamen Medienauftritt aller Akteure der Erinnerungskultur oder die Einrichtung einer App mit allen Erinnerungsorten in der Stadt. Vor allem aber sollten Möglichkeiten ausgelotet werden, wie Erinnern und Gedenken für künftige Generationen gestaltet werden kann.
Wünschenswert ist nach Steidle Ansicht die Einrichtung eines Beirats für Erinnerungskultur, in dem alle Beteiligten vertreten sein sollten. Hier könnten Projekte und Konzepte entwickelt werden, die in Öffentlichkeit und schulen wirken. Die personelle Sicherstellung dieses Beirats sollte die Stadt Würzburg übernehmen. Zudem befürwortet Steidle die Einrichtung eines stadtgeschichtlichen Forums als organisatorisches Zentrum für einen öffentlichen Dialog über die Zukunft der Erinnerung. Wenn die Stadt dieses mit jährlich 50 000 Euro unterstütze, sei es arbeitsfähig. Und nicht zuletzt sollte in Würzburg ein Balthasar-Neumann-Welterbe-Zentrum eingerichtet werden, um nicht nur auf die von ihm errichteten Prachtbauten hinzuweisen, sondern Neumann auch als Stadtgestalter darzustellen.
Und einen Punkt erwähnte Steidle gleich mehrfach, weil er ihm ganz besonders missfällt: Die Verlegung des Staatsarchivs nach Kitzingen ist für ihn „eine Schädigung des kollektiven Gedächtnisses Würzburgs“.