Die Geschichte liest sich wie ein spannender Kriminalroman. Sie beginnt 1748, erlebt in den 1970er Jahren eine überraschende Wendung und wird 2015 zu einem heißen Eisen. Sie handelt von einem denkmalgeschützten Prozessionsaltar, der nun aber bei einem Kunsthändler in Ansbach wieder aufgetaucht ist. Kreisheimatpfleger Hermann Oberhofer hat sich auf Spurensuche begeben.
1748 wird am Haus Nummer 128 in der Goßmannsdorfer Bachgasse ein Prozessionsalter aufgestellt. Eine große Maria mit Kind ziert den altarähnlichen Sockel. „Diese bewegte, aus Sandstein gehauene Figur stellt die einzige, bis jetzt bekannte, vollplastische Skulptur Joseph Grimbachs dar“, schreibt Georg Menth in seiner Dissertationsarbeit.
„Der Altar stand immer auf öffentlichem Grund.“
Erich Weiß, Goßmannsdorf
Das Haus, vor dem der Madonnenaltar steht, wechselt 1905 den Besitzer. Der neue Eigentümer richtet eine Bäckerei in dem Anwesen ein. Bis etwa 1970 steht der Madonnenaltar vor dem Haus und ist bei Prozessionen im Ort stets geschmückt. „Der Altar stand immer auf öffentlichem Grund“, sagt der Goßmannsdorfer Erich Weiß.
Um 1970 soll der Sohn das Haus in der linken Bachgasse Nummer 12, wie die Adresse heute lautet, verkauft haben. Samt Madonna sei er auf einen Aussiedlerhof am Rande Goßmannsdorfs gezogen, sagt Erich Weiß. Lange Zeit, etwa bis 2012, habe der Madonnenaltar dann in dessen Innenhof gestanden. Etwa 20 Meter von einem Wirtschaftsweg entfernt und für die Öffentlichkeit nicht einsehbar.
Im Herbst 2013 soll wiederum ein Sohn der Familie den Prozessionsaltar abgebaut und verkauft haben. Aufgefallen ist das damals niemandem. Ein paar Monate später, so berichtet Weiß, habe der damalige Ochsenfurter Bürgermeister Rainer Friedrich mit dem Verkäufer gesprochen, aber wohl keine Auskunft über den Käufer und den Verbleib des wertvollen Altars bekommen. Zu diesem Zeitpunkt soll auch die Untere Denkmalschutzbehörde am Würzburger Landratsamt über den Verkauf informiert worden sein.
Mit dem Verkauf des Madonnenaltars verliert sich erst einmal die Spur. Sollte ein wertvolles Goßmannsdorfer Denkmal für immer verloren sein?
Erich Weiß setzt seine Hoffnung in das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege mit Sitz im Schloss Seehof bei Bamberg. Er bittet die Behörde, den neuen Standort des Denkmals zu ermitteln. „Das wäre meiner Meinung nach die Aufgabe Ihres Amtes“, schreibt Weiß, der sich privat intensiv mit der Geschichte seines Heimatdorfes beschäftigt.
Weiß fordert die Denkmalschützer auch auf, die Eigentumsverhältnisse zu klären. Er bittet die Behörde festzustellen, ob der Madonnenaltar wieder in das Eigentum der Stadt Ochsenfurt überführt werden kann.
Dann wird es still um den Madonnenaltar. Erst als sich ein Händler aus Ansbach beim stellvertretenden Kunstreferenten der Diözese Würzburg meldet, findet sich wieder eine Fährte. Der Geschäftsmann bietet der Kirche eine in Privatbesitz befindliche Muttergottesfigur aus Sandstein mit Sockel an.
Ein Ankauf kommt für die Kirche nicht in Frage. Trotzdem recherchiert Schneider und findet heraus, dass die Figur 1908 in „Volkskunst und Volkskunde“, der Monatsschrift des Bayerischen Vereins für Volkskunst und Volkskunde, abgebildet ist. Kunstreferent Schneider informiert die Untere Denkmalschutzbehörde. Kreisheimatpfleger Hermann Oberhofer nimmt sich schließlich des Falls an.
„Die Stadt kann keine Hehlerware kaufen.“
Bürgermeister Peter Juks, Ochsenfurt
Er kontaktiert den Ansbacher Händler und findet heraus, dass der Madonnenaltar gerade von einem Restaurator in Eisingen überholt wird. Zusammen mit dem Ochsenfurter Stadtarchivar Peter Wesselowsky schaut er sich die Statue dann in der Werkstatt an. Drei Teile finden die beiden vor. Die beiden sind sich sicher: Das ist der verschwundene Prozessionsalter aus Goßmannsdorf.
Sie sprechen mit Bürgermeister Peter Juks darüber. Doch ihr Vorschlag, die Goßmannsdorfer könnten den Prozessionsaltar im Rahmen der Dorferneuerung kaufen, findet vor Ort keinen Gefallen. Denn der Händler möchte 38 000 Euro haben. Eine Summe, die nicht zur Verfügung steht. Außerdem werde der Ankauf auch nicht vom Amt für ländliche Entwicklung gefördert.
Auf Bitte von Kreisheimatpfleger Hermann Oberhofer spricht Christof Haas vom Landesamt für Denkmalpflege mit dem Bürgermeister – und stößt auf Interesse. „Schade, wenn so etwas in privater Hand bleiben würde“, sagt Juks und bekundet schriftlich das Kaufinteresse. Allerdings, so räumt er ein, müsse vorher der Status geklärt werden. „Denn die Stadt kann keine Hehlerware kaufen“, sagt er. Außerdem sollen alle Möglichkeiten einer Förderung festgestellt werden.
Der Eigentümer hätte für den Abbau 1970 einen Erlaubnisantrag stellen müssen, ist sich Haas sicher. Damals aber – Denkmäler wurden erst 1973 inventarisiert –, sei das niemandem aufgefallen. Mittlerweile sei der Madonnenaltar aber in die Denkmalliste aufgenommen: mit dem Status „derzeit abgebaut“. Wann der Altar wieder in Goßmannsdorf stehen wird, steht in den Sternen. Zur Zeit, so heißt es, stehe er in einem Hof in Würzburg-Heidingsfeld bei seinen momentanen Besitzern.