Werner Kusch hat Menschen glücklich gemacht, als Schauspieler am Stadttheater und als Nikolaus auf dem Weihnachtsmarkt. Am 17. Oktober ist er gestorben, sieben Wochen vor seinem 89. Geburtstag.
Er war sich sicher, „der schönste Nikolaus Unterfrankens“ zu sein, und wahrscheinlich war er das auch - „kein roter Hampelmann in Jeans mit Wattebart“, so schimpfte er. 30 Jahre lang ist er am zweiten Advent in einer Kutsche am Weihnachtsmarkt vorgefahren, im edlen Mantel, mit langen weißen Haaren und Rauschebart, goldener Mitra Bischofsstab und einer Aura von Güte und Würde.
Kusch, 1927 geboren in Breslau, kam 1970 ans Stadttheater Würzburg blieb Ensemblemitglied bis 1997. Als das Theater ums Überleben kämpfte, schloss er sich der Würzburger Liste an. 1996 wählten ihn die Würzburger für sechs Jahre in den Stadtrat.
Das Unglück eines Überlebenden
Das Glück war ein zentrales Thema der letzten großen Geschichten unserer Redaktion über ihn.
Er erzählte vom Glück, das er in den Kindern spürte, wenn sie scheu und andächtig vor ihm als Nikolaus standen, und vom Glück, das er selbst dabei empfunden hat.
2007, zu seinem 80. Geburtstag, erinnerte er sich an das Glück, davongekommen zu sein. Als 17-Jähriger sollte er im Krieg auf ein U-Boot gehen, aber die Einsatzliste mit seinem Namen ging verloren. Das U-Boot lief ohne ihn aus und kehrte nicht wieder zurück. Er hatte Unglück im Glück: Die Waffen-SS holte ihn 1944 als Panzergrenadier in die Division „Das Reich“. Während er erzählte von Todesangst und der Begegnung mit entlassenen KZ-Häftlingen, liefen Tränen über seinen Wangen. Dann brach er ab. Er könne nicht darüber sprechen, sagte er. Schrecklich sei gewesen, was er da erlebt habe.
Er war ein sechsjähriger Bub, als er nach einer Märchenvorstellung nach Hause kam mit der Nachricht, er werde Schauspieler. Als Achtjähriger spielte er in einer Rundfunkübertragung des Reichssenders Breslau seine erste kleine Rolle, in „Emil und die Detektive“.
Seine erste Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule hat er trotzdem verbockt, weil er, so erzählte er, „ein faules Tierchen war“. Später wurde ihm die Schauspielerei zur Sucht, weil sie ihm half, sich „zu produzieren, das steckt einfach im Menschen drin“, und weil er das Gefühl, „in fremde Figuren, in fremde Leben, in fremde Menschen hineinzugehen“, toll fand.
Dieser Nikolaus wurde nie getauft
Vergnügen machte ihm zu beichten, dass er, der Nikolaus, nicht getauft ist. Als junger Mann habe er sich taufen lassen wollen, aber der Geistliche habe ihm gesagt, die Einstellung zum Leben hänge nicht von ein paar Tropfen auf die Stirn ab. Wichtig sei, was der Mensch in sich trage.
Als er das erzählte, liefen ihm wieder die Tränen über die Wangen.
Später ist er vergesslich geworden und in eine eigene Welt eingezogen. Als die Redaktion ihn vor elf Monaten besuchte, wenige Tage vor seinem 88. Geburtstag, sprach er wieder über das Glück, manche Sätze wortgleich wie acht Jahre zuvor. „Relativ viel Positives“ habe er erleben dürfen, gute Eltern habe er gehabt und einen Rat seines Vaters beherzigt: „Wenn du dich verbeißt, bist du schlecht dran.“
Die Bühne, den Applaus vermisse er nicht, er habe „ja alles gehabt.“ Ein Lied von Hildegard Knef sang er immer wieder: „So oder so ist das Leben, / so oder so ist es gut. (...) Heute nur glückliche Stunden, / morgen nur Sorgen und Leid. / Neues bringt jeder Tag / was da auch kommen mag, / halte dich immer bereit.“
Er litt, weil er glaubte, vergessen zu sein
So sang und erzählte er und saß auf seinem Sofa wie ein heiterer Buddha. Er bemerkte die Streiche nicht, die ihm sein Erinnerungsvermögen spielte. „Wenn ich sagen würde, mir geht?s nicht gut, müsste ich erschlagen werden. Meine Frau weiß es am besten.“ „Naja“, sagte seine Frau, und sie wusste es besser. Kusch war an einem Krebs erkrankt und litt sehr an seinem Glauben, vergessen zu sein.
Am Montag um 13 Uhr gibt es eine Feier für ihn auf dem Waldfriedhof. Die Kuschs haben einander versprochen, ihre Urnen anonym bestatten zu lassen. Ute Krüger-Kusch sagt, „im Herzen und im Sinn ist er bei uns.“ Sie wollten das Erinnern „nicht festnageln auf einen kleinen, begrenzten Ort“.