1966 war ein ereignisreiches Jahr im Nachkriegsdeutschland. Das Wembley-Tor bei der Weltmeisterschaft sollte für Jahre das fußballerische Verhältnis zwischen Deutschen und Engländern bestimmen. Im Herbst trat der Begründer des „Wirtschaftswunders“, Bundeskanzler Ludwig Erhard zurück - und in Würzburg öffnete am 16. November der Studentenkeller.
Eine Einrichtung, von der wohl niemand dachte, dass sie ein halbes Jahrhundert überstehen würde. Generationen Würzburger Studenten tanzten und feierten dort. Doch die Tage des Feierns unter der Stadtmensa sind gezählt.
Was wohl kaum einer mehr weiß, er war nicht der erste Studentenkeller in der Stadt. Jedenfalls berichtete das Volksblatt im November 1966 von der Eröffnung des „neuen“ Studentenkellers, drei Mal so groß wie der alte, und nicht mehr an der Ecke Jahnstraße (Heute Am Studentenhaus)/Exerzierplatz, sondern dort, wo er heute noch ist, an die Ecke Sanderrasen/Exerzierplatz.
Sogleich verschönert und frisch gestrichen
In den Archiven von Main-Post/Volksblatt und auch dem Studentenwerk findet sich nur wenig. Dass die ursprüngliche Ausstattung nicht das Gefallen des akademischen Volkes fand, zum Beispiel. Dass deshalb schon in der ersten Woche die schönen, neuen und hellen(!) Lampen mit roter Farbe übermalt worden waren, ebenso die weißen Decken, die zudem mit 500 Eierkartons unter Anleitung des Würzburger Bildhauers Bernhard Hauser verschönert wurden.
Ein solches Lokal sei nach Meinung des Vorstandes des „Akademischen Gesellschaftsclubs“, unter dessen Regie der Keller lief, als Treffpunkt für alle die Studenten dringend notwendig gewesen, die keiner studentischen Verbindung angehörten, schrieb die Main-Post. Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag war geöffnet, die Monatsmitgliedschaft kostete vier Mark. An den Wochenenden spielte eine Jazzkapelle, an den anderen Tagen sorgte eine Stereoanlage für „akustische Genüsse“, wie es das Fränkischen Volksblatt schrieb.
Akademische Dünkel in der Kritik
Akademisch war nicht nur der Gesellschaftsclub, akademisch sollten auch die Besucher sein – und die wollten anscheinend unter sich bleiben. „Dünkelmänner“ war ein Bericht in der Main-Post vom Juli 1970 zum Thema überschrieben. Einlass in den Studentenkeller fand nämlich nur, wer studierte, egal welchen Geschlechts. Nicht-Studenten wurde nur Einlass gewährt, wenn sie weiblich waren, und das auch nur als Gast eines studierenden Mitgliedes. Bevorzugt bei den Akademikern in Spe waren dabei kurze Röcke und lange Haare, zeigte ein beigefügtes Foto.
Heute ist solcherlei im „Tirili“, wie der Studentenkeller seit der Verpachtung durch das Studentenwerk an den jetzigen Betreiber Rainer Müller im Jahr 1989 heißt, nicht mehr üblich, versichert dieser. Müller ist nach dem inzwischen verstobenen Gerald (Dammi) Dammers erst der zweite Pächter des Lokals, und wohl auch der letzte. Denn die Tage des Kellerlokals sind gezählt.
Pachtvertrag endet im kommenden Jahr
„Der Pachtvertrag läuft zum 30. Juni 2017 aus, wir gehen eventuell sogar schon im Frühjahr raus. Das Studentenwerk, braucht die Räume dringend selbst“, weiß Müller. „Für diese Räumlichkeiten würde man heute auch keine Konzession mehr bekommen“, sagt er. „Die Deckenhöhen sind zu niedrig, die Lüftung ist komplett veraltet, die Heizung ist nicht mehr in Ordnung und die Elektro- und Sanitärinstallation müsste neu gemacht werden. Da gibt es klare Signale vom Studentenwerk, dass es das nicht mehr machen wird.“ Das bestätigt Frank Tegtmeier vom Studentenwerk auf Anfrage: „Der Umbau wäre zu teuer, außerdem benötigen wir die Räume für unseren laufenden Betrieb.“
So geht bald nach über einem halben Jahrhundert die Geschichte des Studentenkellers zu Ende. Viele erinnern sich gerne an ihn. „Beim alljährlichen Tanz in den Mai vom Midlife Club in der Stadtmensa kamen immer wieder Leute zu uns in den Keller und schwelgten in Erinnerungen“, berichtet Müller. „Wir hatten ja viele Highlights hier. Lange bevor das Nichtraucherschutzgesetz erlassen wurde, hatten wir eine rauchfreie Disco hier.
Jeder hat gesagt, toll, aber funktioniert hat es nicht“, erinnert er sich. „Eine Kindersdisco hatten wir und viele Fakultätsfeten, mit den Theologen zum Beispiel, die waren immer gut.“
Die Zeiten haben sich geändert
Aber die Zeiten haben sich auch geändert. „Als wir begonnen haben, hatten wir sechs verschiedene Sorten Fassbier, dann kamen die Cocktails auf und die Energy-Drinks, jetzt gibt es Bier nur noch aus Flaschen“, sagt Müller. „Nur die Musik, die blieb bei uns immer ein bisschen rockiger als anderswo.“
Trotz des Totensonntages wird der Geburtstag am kommenden Samstag, 19. November, gefeiert. „Da ist zwar schon um zwei Uhr Schluss“, bedauert Müller, „aber es gibt 100 Liter Freibier, und wir lassen noch einmal die Musikgeschichte der vergangenen 50 Jahre Revue passieren.“ Und die ersten zehn Gäste, die diesen Artikel aus der Zeitung ausgeschnitten vorzeigen können, bekommen freien Eintritt, verspricht er. Los geht's um 22 Uhr.