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WÜRZBURG: Schulpsychologe: Der Wunsch, Schüler zu verstehen

WÜRZBURG

Schulpsychologe: Der Wunsch, Schüler zu verstehen

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    Bernhard Meißner setzt sich seit über 45 Jahren dafür ein, dass Lehrer, Schüler und Eltern gut miteinander umgehen. Dafür erhielt er von Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz.
    Bernhard Meißner setzt sich seit über 45 Jahren dafür ein, dass Lehrer, Schüler und Eltern gut miteinander umgehen. Dafür erhielt er von Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz. Foto: Foto: P. Christ

    Freunde zu finden, war für Bernhard Meißner als Junge nicht einfach gewesen. Meißner war ein Vertriebenenkind: „Und als solches abgelehnt.“ Auf dem Fußplatzball konnte er nicht punkten: „Ich war klein und unterernährt.“ Die Schule war der einzige Ort, an dem er Gleichaltrige auf Augenhöhe treffen konnte. Die Lehrer erlebte der vaterlose Junge als wichtige Vorbilder. Früh erwachte darum der Wunsch, selbst Lehrer zu werden, erzählt der Würzburger, der kürzlich das Bundesverdienstkreuz erhielt.

    Wie die meisten Kriegskinder, wuchs auch Bernhard Meißner nicht in einer intakten Familie auf. Der Vater galt ab dem Jahr 1943 als vermisst. Der Großvater nahm sich das Leben, er erhängte sich. „Ich hatte ihn als Kind gefunden“, berichtet der heute 76-jährige Meißner. Die Mutter lebte in jahrzehntelanger Trauer um ihren Mann, den sie erst in den 1960er Jahren für tot erklären ließ. Hart war ihr Existenzkampf, um sich und Bernhard als ihr einziges Kind in der Nachkriegszeit durchzubringen.

    Auch die Vertreibung aus dem Sudentenland hat Meißner als alptraumhaft in Erinnerung. „Als Kind erfuhr ich die Welt als einen schrecklichen Ort“, sagt er. Wahrscheinlich habe es an diesen Erfahrungen gelegen, resümiert er im Rückblick, dass er nicht nur Lehrer, sondern auch Schulpsychologe und später Spezialist für Krisenintervention wurde.

    Schon als junger Lehrer hatte Meißner das Gefühl, dass er den Schülern, die da vor ihm saßen, nur dann gerecht werden könnte, wenn er mehr über sie wüsste. Das brachte ihn auf die Idee, parallel zu seinem Job im Gymnasium Psychologie zu studieren – zuerst in Erlangen, später in Würzburg. Dabei trieb ihn ein Ideal von Schule an, das für Meißner heute immer noch so aktuell ist wie damals in den 1960er Jahren: Lehrer, Schüler und Eltern sollten zusammen versuchen, Ziele zu erreichen. Mit wenig Druck und Zwang. Und so, dass möglichst individuell auf die Bedürfnisse eines jeden Schülers eingegangen werden kann. Als Wendepunkt erlebte Bernhard Meißner den Zerfall des Ostblocks. Plötzlich änderte sich politisch alles, die Welt schien ins Wanken geraten zu sein. „Mir war klar, dass Schule auf keinen Fall bleiben konnte, was sie war“, sagt der Pädagoge, der als einer der allerersten Schulpsychologen in Bayern Dienst tat.

    Wenige Jahre nach dem Mauerfall gründete er in Würzburg das „Forum Eltern Lehrer Schüler“ (FELS), das sich bis heute für ein gutes Miteinander aller an Schule Beteiligten einsetzt. Mit dem Ziel, ein Schulklima zu schaffen, das sich für die Entwicklung eines jeden Schülers, wie auch immer er „gestrickt“ ist, förderlich auswirkt. Sein ganzes Leben lang befasste sich Meißner mit der Frage, wie Schule so gestaltet werden kann, dass sich Lehrer und Eltern, vor allem aber auch Schüler wohlfühlen. Damit es nicht zu Mobbing zwischen Schülern oder zwischen Schülern und Lehrern, damit es nicht zu sich aufschaukelnden Streitereien oder gar zu offener Gewalt kommt. Aktuell gewinnt diese Frage an Brisanz. Gilt es doch, junge Menschen zu integrieren, die so schreckliche Dinge erlebt haben, wie sie auch Meißner als Kind erfuhr: Den gewaltsamen Tod von Angehörigen, Flucht und Vertreibung, Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zur Verachtung.

    Das gesellschaftliche Klima hat sich mittlerweile so gewandelt, dass es diese Kinder und ihre Familien noch schwerer haben, anzukommen, sich zu stabilisieren und sich zu integrieren. Durch die Terroranschläge der jüngsten Zeit wuchsen in der Bevölkerung Misstrauen, Angst und Ablehnung. Eben jenes Klima der Skepsis wiederum birgt Meißner zufolge die Gefahr eines Teufelskreises in sich. Menschen, die das Gefühl haben, dass sie keine Chancen erhalten, dass sie abgelehnt werden aufgrund ihres Andersseins und ihres Schicksals, werden womöglich schneller empfänglich für radikale Einstellungen. Was bis dahin gehen kann, dass sie zu Gewalt greifen.

    Menschen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ein befriedigendes Leben führen können, mit einer sinnvollen Arbeit, von der sich gut leben lässt, mit Wohnraum zum Wohlfühlen und einem wertschätzenden Umfeld, bedeutet für Meißner wirksame Gewaltprävention. „Wir müssen gerade jungen Flüchtlingen, allerdings nicht nur ihnen, Perspektiven eröffnen“, appelliert der Mitinitiator des Kriseninterventions- und Bewältigungsteams in Bayern. Natürlich sinkt auch dann nicht die Gefahr, dass jemand „ausrastet“ oder gar Amok läuft, auf Null: „Aber ich bin überzeugt, dass sie deutlich vermindert würde.“

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