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WÜRZBURG: Neckermann: Umstrittener Versandhauskönig und Sportmäzen

WÜRZBURG

Neckermann: Umstrittener Versandhauskönig und Sportmäzen

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    Josef Neckermann 1969 im Büro.
    Josef Neckermann 1969 im Büro. Foto: NDR

    Die Stiftung Deutsche Sporthilfe gilt als erfolgreichste private Fördereinrichtung im europäischen Sport. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens in diesem Mai ziehen die Verantwortlichen um den Vorstandsvorsitzenden Michael Ilgner eine zufriedenstellende Bilanz, blicken aber auch mit ehrgeizigen Zielen nach vorne. Der 46-jährige Schweinfurter Ilgner, ehemaliger Bundesliga-Wasserballer, ist seit 2006 bei der Sporthilfe tätig, seit 2010 führt er sie an (lesen Sie dazu auch ein Interview mit ihm). Über den Gründer Josef Neckermann aus Würzburg sagt Ilgner: „Ohne ihn würde es die Sporthilfe nicht geben. Er hat die Stiftung geprägt wie kein Zweiter. Neckermann und Sporthilfe waren eins. Gleichzeitig ist es so, dass nach der Ära Neckermann die Stiftung nicht mehr mit einem einzigen Namen in Verbindung gesetzt und die Idee in den Vordergrund gestellt wird.“

    Aktuell fördert die Sporthilfe etwa 4000 Athleten

    Aktuell fördert die Sporthilfe etwa 4000 Athleten mit insgesamt rund 14,5 Millionen Euro jährlich. Seit der Gründung 1967 wurden 50.000 Sportler aus 50 Sportarten mit insgesamt knapp 410 Millionen Euro unterstützt – eine Bilanz, die vor 50 Jahren noch keiner vorauszusagen wagte.

    Josef Neckermann, Versandhauskönig und zweifacher Olympia-Sieger im Dressurreiten, wurde 1912 in Würzburg geboren und war ein viel geehrter und hoch angesehener Mann. Doch der Blick in die Vergangenheit zeigt: Die weiße Weste des Sportmäzens war keineswegs unbefleckt. Denn der als „Mitläufer“ eingestufte Sohn eines Kohlehändlers kooperierte weitaus enger mit den Nationalsozialisten als lange Zeit angenommen.

    Neckermann profitiert von der „Arisierung“

    Als 1935 die Nürnberger Rassegesetze erlassen werden, ist es auch Josef Neckermann, der von der „Arisierung“ profitiert. Noch im selben Jahr übernimmt der damals 23-Jährige zwei Würzburger Kaufhäuser von Siegmund Ruschkewitz – für den „Schnäppchenpreis“ von 50.000 Reichsmark. Der jüdische Unternehmer sollte fünf Jahre später ebenso wie seine Ehefrau Mina auf der Flucht vor den Nazis sterben. Im Mai 1937 tritt Neckermann schließlich der NSDAP bei, bereits seit 1933 ist er Mitglied der Reiterstaffel der SA, so recherchierte es diese Redaktion im Jahr 2005.

    1938 folgt das nächste profitable Geschäft: Zum Spottpreis kauft er dem Berliner Textilfabrikanten und Versandhändler Karl Amson Joel - dem Großvater des US-Musikers Billy Joel - dessen Unternehmen ab. Zum 53. Geburtstag Adolf Hitlers präsentiert Neckermann in der Wolfsschanze seine Winteruniform für die Wehrmacht – hergestellt von Zwangsarbeiterinnen im polnischen Ghetto von Bialystok.

    Michael Ilgner
    Michael Ilgner Foto: dpa

    Gegen das Verbot der US-Besatzer bleibt Neckermann nach Kriegsende unternehmerisch tätig – und muss deswegen ein gutes Jahr in der Haftanstalt in Ebrach einsitzen. Wegen seiner Verstrickungen mit dem NS-Regime wird er übrigens nie belangt werden. „Ich war damals so jung, so ungestüm und ein bisschen verwirrt“, schreibt Neckermann später rückblickend in seinen Memoiren, die kurz vor seinem Tod 1992 erscheinen. Trotz seiner Rolle im „Dritten Reich“ bleibt Neckermann in den Augen vieler ein Held – nicht zuletzt, weil er während des Bombenangriffs auf Würzburg am 16. März 1945 mehr als 2000 Menschen in seinem Luftschutzbunker Schutz gewährt und somit das Leben rettet.

    „Neckermann macht's möglich.“

    Im Herbst 1948 gründet Josef Neckermann in Frankfurt am Main, seinem neuen Wohnort, die spätere Neckermann Versand KG. Schon in den 50er Jahren erlebt das Unternehmen einen rasanten Aufschwung – Neckermann wurde zum größten Versandhaus seiner Art in Deutschland. 1961 entsteht schließlich jener Slogan, der vielen Deutschen noch immer im Gedächtnis sein dürfte, und der zum Symbolspruch des deutschen Wirtschaftswunders wird: „Neckermann macht's möglich.“ Zwei Jahre später dann eine echte Innovation: Mit der Neckermann und Reisen GmbH (kurz: NUR) steigt Neckermann ins Reisegeschäft ein – und wird zum Pauschalreisen-Pionier. Was zuvor nur Reichen vorenthalten war, wird nun zahlreichen Bürgern ermöglicht: die Flugreise. Die Balearen-Insel Mallorca wird zum Lieblingsziel der Deutschen. Doch die Neckermannsche Billigpreis-Strategie fordert ihren Preis: 1976 muss das in finanzielle Nöte geratene Unternehmen an die Karstadt-Gruppe verkauft werden. Nach dem Verkauf widmet sich der passionierte Reiter endgültig der Förderung des Spitzensports. Bereits 1964 und 1968 hatte er als Dressurreiter olympisches Gold mit der Mannschaft gewonnen – zwischen 1956 und 1981 siegt er bei insgesamt 333 Turnieren.

    „Bettler der Nation“

    1967 gründet Neckermann die Deutsche Sporthilfe mit, deren Vorsitzender er auch lange Zeit ist. Als „Bettler der Nation“ sammelt er fleißig Spenden für den Sport: Unter seiner Regie werden bis 1988 insgesamt 16.500 Sportler mit rund 230 Millionen Mark unterstützt – etwa 90 Millionen Mark stammen von Privatpersonen. Den größeren Teil der Erlöse sammelt Neckermann jedoch über „Sportbriefmarken“, über die Lotterie „Glücksspirale“ und über Benefiz-Veranstaltungen wie den „Ball des Sports“, der auch heute noch eine der gesellschaftlichen Höhepunkte des Sports darstellt. Die Deutsche Sporthilfe schreibt dazu auf ihrer Internetseite: „Jährliche Erlöse von bis zu einer Million Euro für die Sportförderung resultieren aus diesem Benefiz-Event – weitaus wichtiger noch: Sport und die Unterstützung des Spitzensports wurden in Deutschland gesellschaftsfähig.“ 1987 erhält der Sportfunktionär das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland.

    Josef Neckermann stirbt 1992 in Dreieich bei Frankfurt mit 79 Jahren an Lungenkrebs.

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