Die Stadt ist ohne Frage sangesfroh: In schätzungsweise 40 Chören treffen sich in Würzburg Menschen, um gemeinsam zu singen. Innerhalb dieser Landschaft gibt es Chöre, die besonders herausstechen. Dazu gehört „Sotto Voce“, der vor zehn Jahren gegründete Popchor des schwullesbischen Zentrums WuF. Was die bunte Sängertruppe musikalisch drauf hat, zeigt sie am 10. und 11. Juni beim Jubiläumskonzert in der Franz-Oberthür-Schule unter dem Motto „Tapetenwechsel“.
Fast 40 Mitglieder
Nur noch ein Tag ist's bis zum Konzert, die Probephase läuft deshalb auf Hochtouren. Fast alle 40 Mitglieder des Chors sind gekommen, um das Programm einzustudieren. Gleich drei Chorleiter – Patrick Witzel, Marc Arleth und Oliver Gerber – sorgen für den letzten Schliff der Songs. Gestartet wird, nach längerem Einsingen, mit „Not ready to make nice“ von Dixie Chicks. Die Stimmkraft der Truppe ist beeindruckend. Von „gedämpft“, so die Übersetzung von „Sotto voce“, keine Spur.
Begeistert von Musik und Teamgeist
Wer Pop mag und einmal Sotto Voce gelauscht hat, um den ist es geschehen. Davon sind die Mitglieder des Chors überzeugt. Die meisten von ihnen, die, aus welchen Zufällen auch immer, in Kontakt mit der Singtruppe kamen, waren denn auch sofort infiziert. Zum Beispiel Steven Stiefvater. „Allerdings kam ich erst mal auf die Warteliste“, erzählt der Tenor, der Sotto Voce im Sommer vergangenen Jahres bei einem Konzert während des Festungsfestes gehört hatte. Im Februar wurde endlich ein neuer Tenor gebraucht. Seitdem ist Stiefvater dabei.
“Wunderbar familiär“
Steven Stiefvater lebt erst seit einem Jahr in Würzburg. Aus der Frankfurter Gegend, wo er seinen Würzburger Freund kennen gelernt hatte, zog der Krankenpfleger im Frühjahr 2016 in die Domstadt. Das WuF und der Chor gaben den Ausschlag: „Hier geht es so wunderbar familiär zu.“ Dass er sich outet, indem er mit dem Chor öffentlich auftritt, ist für den 31-Jährigen kein Problem: „Seit ich 16 Jahre alt bin, lebe ich meine Homosexualität offen.“ Damit hatte habe nie Probleme gehabt. Weder in Frankfurt. Noch in Würzburg.
Diskussionen über Homosexuelle
„Ich glaube, es gibt immer nur dort Diskussionen über Homosexuelle, wo die Leute gar nicht in Kontakt mit Schwulen und Lesben sind“, kommentiert Chrissy Wittmann, die dem Popchor des WuF seit neun Jahren angehört. Die 45-Jährige ist verheiratet. Dass sie eine Frau statt einem Mann hat, sagt sie ganz offen. Diese Offenheit, ist sie überzeugt, bewahrt sie davor, dumme Sprüche anhören zu müssen oder gar Diskriminierung zu erleben: „Ich glaube, die Gefahr steigt eher, wenn man sich selbst unsicher verhält.“
Immer professioneller
Wie die gelernte Krankenschwester berichtet, hat Sotto Voce in den vergangenen zehn Jahren eine erstaunliche Entwicklung genommen. Mit vier Chorfans begann alles. Als Wittmann dazu stieß, zählte der Chor immerhin schon ein Dutzend Mitglieder. Seither wuchs nicht nur die Schar der Soprane, Altistinnen, Tenöre und Bässe. Der Chor wurde auch immer professioneller.
Heute kann sich Sotto Voce problemlos mit jedem anderen Popchor aus der Amateurszene messen. Anliegen ist ja vor allem, richtig gut zu singen. Wobei über Songs wie „Take me to Church“, einem Lied, das Homophobie gerade in der Kirche anprangert, durchaus auch Botschaften transportiert werden.
Auch Heteros im Team
Der Chor lockt im Übrigen nicht nur homo- und bisexuelle Sänger an. „Es gibt auch Heteros, aber die sind bei uns ausnahmsweise mal in der Minderheit“, sagt Chormitglied Andreas Hausknecht mit einem Schmunzeln. Zu den „Heteros“ gehört Carina Schütz. Hinter der 26-Jährigen liegt eine stressige Zeit: Die junge Frau hat gerade das juristische Staatsexamen hinter sich. In der Examensphase machte sie ihr Freund auf Sotto Voce aufmerksam. Schütz, die Popsongs und Musicals über alles liebt, war hin und weg von dem, was sie da hörte.
Anfang des Jahres kam sie zu einer ersten Probe: „Ich fand die Stimmung, die hier herrscht, von Beginn an klasse und habe gleich jeden, der mitsingt, lieb gewonnen.“ Heute ist sie überglücklich, endlich wieder ein erfüllendes Hobby zu haben. Das wochenlange Lernen für das Examen erlebte sie als lange Durststrecke.
In der Öffentlichkeit Präsenz zeigen
Isabelle Schneider, die dem Chor seit mehr als drei Jahren angehört, findet es gut, dass schwule und lesbische Sänger durch ihre Auftritte in der Öffentlichkeit Präsenz zeigen. Der 25-Jährigen gefällt darüber hinaus vor allem auch, dass sich der Chor sozial engagiert: „Wie geben immer wieder Benefizkonzerte.“ So wird bei der Rosa-Hilfe-Gala gespielt, außerdem wirkt Sotto Voce jedes Jahr beim Gottesdienst zum Welt-Aids-Tag mit. „Seit zwei Jahren singen wir außerdem für die Hentschel-Stiftung“, so Schneider. Auf diese Weise trägt Sotto Voce dazu bei, dass Wissenschaftler der Uni zusätzliche Gelder für Forschungen gegen Schlaganfall zur Verfügung haben.
Das Jubiläumskonzert von Sotto Voce (von der Stadt Würzburg unterstützt) findet am Samstag und Sonntag, 10. und 11. Juni, jeweils ab 19.30 Uhr in der Franz-Oberthür-Schule statt. Tickets gibt es in den Vorverkaufsstellen „Die Murmel“ (Augustinerstraße 7) und im WuF-Zentrum (Nigglweg 2).